Israels Premier vor dem Staatsanwalt: Die dreifache Akte Netanjahu
Zigarren, Schmuck und Einflussnahme auf die Medien: Israels (Noch-)Regierungschef muss sich ab Mittwoch vor dem Staatsanwalt verantworten.
Sollte es Netanjahu vorher gelingen, die notwendige Mehrheit von 61 der 120 Abgeordneten der Knesset für eine Regierungskoalition zu gewinnen und Regierungschef zu bleiben, wird er versuchen, eilig eine Gesetzesreform durchzusetzen, die dem Regierungschef Immunität verleiht. Damit könnte Netanjahu eine Anklage noch abwenden.
Betrug, Untreue und Bestechlichkeit legt ihm Mandelblit zur Last. Anfang des Jahres bereits hatte die Polizei eine Anklage gegen den Regierungschef empfohlen. Eine Verschiebung der obligatorischen Anhörung, die die Anwälte Netanjahus angeblich aufgrund des umfangreichen Materials, das sie sichten müssten, beantragten, lehnte Mandelblit ab. Zuvor war bereits eine Anhörung wegen der Parlamentswahl im April verschoben worden.
Netanjahu steht im Verdacht, Einfluss auf die Medienberichterstattung genommen zu haben. Zudem soll er Geschenke befreundeter Milliardäre angenommen haben. Die drei Fälle, in denen ihm eine Anklage droht, sind unter den Namen Akte 1000, Akte 2000 und Akte 4000 bekannt.
Eine viertel Million Euro
Die Akte 1000 enthüllt Gefälligkeiten Netanjahus gegenüber dem Geschäftsmann und Filmproduzenten Arnon Milchan. Netanjahu soll seine Beziehungen unter anderem dafür eingesetzt haben, Milchan eine Verlängerung seines US-Visums zu verschaffen, wofür der sich mit Zigarren, Schmuck und Champagner – oft nach expliziten Bestellungen von Sara Netanjahu, der Ehefrau des Ministerpräsidenten – bedankte. Insgesamt umgerechnet rund eine viertel Million Euro soll sich der Regierungschef über die Jahre von Milchan und einem weiteren Milliardär zustecken lassen haben.
Die Akte 2000 dreht sich um den letztendlich missglückten Deal Netanjahus mit Arnon Moses, Herausgeber der Tageszeitung Jediot Achronot und eine der mächtigsten Figuren in Israels Medienlandschaft. Netanjahu versprach Moses, Einfluss auf seinen Freund, den US-amerikanischen Unternehmer Sheldon Adelson, zu nehmen, dem die marktführende, durch Anzeigen finanzierte Zeitung Israel Hajom gehört.
Geplant gewesen sei, Adelson dazu zu bewegen, die Wochenendausgabe der Zeitung einzustellen und die Auflage zu reduzieren. Im Gegenzug für Netanjahus Gefälligkeit soll Moses einer weniger kämpferischen Berichterstattung über Netanjahu zugestimmt haben.
Vorgänger Olmert trat vor der Anklage zurück
Die Akte 4000 geht zurück auf die Zeit Netanjahus als Kommunikationsminister. Der Verdacht ist, dass er dem Telekomkonzern Bezeq rechtliche Vergünstigungen gewährte, um bei dem konzerneigenen Nachrichtenportal Walla – ähnlich wie bei der Akte 2000 – eine positive Berichterstattung über sich und seine Familie zu erreichen. Laut Mandelblit haben Benjamin und Sara Netanjahu „Hunderte Forderungen“ an das Nachrichtenportal gestellt.
Auch wenn es zu einer Anklage kommt, könnte Netanjahu, sollte ihm eine Regierungsbildung gelingen, im Amt bleiben. Erst ein Schuldspruch würde ihn rechtlich zum Rücktritt zwingen. Die Frage aber ist, ob Netanjahu seine potenziellen Koalitionspartner bei der Stange halten kann. Sein Vorgänger Ehud Olmert, der später wegen Korruption verurteilt wurde, kündigte 2008 seinen Rücktritt an, noch bevor es zu einer Anklage kam.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Juso-Chef über Bundestagswahlkampf
„Das ist unsere Bedingung“
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen