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Israels Krieg in GazaWeiter so mit deutscher Hilfe?

Daniel Bax
Kommentar von Daniel Bax

Die Lage in Gaza ist unbeschreiblich. Der zaghaften Kritik der neuen Bundesregierung an Israel müssen aber endlich Taten folgen.

Gaza City am 26.05.2026, die Mutter und der Bruder wurden bei einem israelischen Angriff auf eine Flüchtlingsunterkunft getötet Foto: Jehad Alshrafi/ap

E in kleines Mädchen irrt durch ein brennendes Schulgebäude, in dem seine Familie Schutz gesucht hatte – dieses Bild ging am Montag um die Welt. Am Samstag starb im Gazastreifen die 11-jährige Yakeen Hamad, die mit ihren Postings ihren 90.000 Followern auf Instagram bis zuletzt etwas Hoffnung gab, bei einem israelischen Luftangriff. Am Freitag wurden bei einem weiteren Luftangriff neun Kinder der Kinderärztin Alaa al-Najjar getötet, während sie im Krankenhaus arbeitete. Nur ihr Mann und ein Sohn überlebten den Angriff.

Es gibt kaum noch Worte, um zu beschreiben, was in Gaza geschieht. Einen „Genozid im Livestream“ nennt es Amnesty International. Seit Israel die Waffenruhe mit der Hamas aufgekündigt, eine Totalblockade des Gazastreifens verhängt und eine neue Großoffensive gestartet hat, sterben täglich Dutzende Menschen durch israelische Bomben.

Routiniert behauptet die Armee, sie würde auf „Hamas-Zentralen“, Waffenlager und Tunnel zielen. Aber die hohe Zahl der Opfer spricht eine andere Sprache; sie ist völlig unverhältnismäßig. Nicht gezählt werden die vielen Menschen, die im Kriegsgebiet an Hunger oder an Krankheiten sterben, die unter anderen Umständen nicht tödlich wären.

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Israels Armee will drei Viertel des abgeriegelten Gazastreifens erobern und dessen Bevölkerung auf ein Viertel des Küstengebiets zusammenziehen – das ist nun der offizielle Plan. Es ist gut, dass Friedrich Merz das israelische Vorgehen jetzt scharf kritisiert. Das hat sein Vorgänger Olaf Scholz nie gemacht. Aber diese Kritik muss Konsequenzen haben. Sonst bleibt sie folgenlos.

In der SPD wird die Forderung laut, Waffenlieferungen nach Israel zu stoppen. In der EU wollen viele Staaten mehr Druck auf Netanjahu machen und das Handelsabkommen mit Israel aussetzen. Allen voran Spanien fordert, den Krieg endlich zu beenden, die Grenzen für Hilfe zu öffnen, die Besatzung zu beenden und sich in Richtung eines Friedens zu bewegen. Merz sollte sich dem nicht versperren. Sonst macht Israel weiter so wie bisher – mit deutscher Hilfe.

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Daniel Bax
Redakteur
Daniel Bax arbeitet als Themenchef im Regieressort der taz. Er ist seit fast 40 Jahren in Berlin zu Hause, hat Publizistik und Islamwissenschaft studiert und viele Länder des Nahen Ostens bereist. Er schreibt über Politik, Kultur und Gesellschaft in Deutschland. Er ist Mitglied im Vorstand der Neuen deutschen Medienmacher:innen (NdM) und im Beirat von CLAIM – Allianz gegen Islam- und Muslimfeindlichkeit. Er hat bisher zwei Bücher veröffentlicht: “Angst ums Abendland” (2015) über antimuslimischen Rassismus und “Die Volksverführer“ (2018) über den Trend zum Rechtspopulismus.
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7 Kommentare

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  • Danke an Daniel Bax.



    Was in Gaza geschieht, beschreibt der frühere PM Ehud Olmert so (the Guardian):



    Former Israeli PM saying Israel is committing war crimes in Gaza and carrying out the “indiscriminate, limitless, cruel and criminal killing” of Palestinian civilians.



    "We’re not doing this due to loss of control in any specific sector, not due to some disproportionate outburst by some soldiers in some unit. Rather, it’s the result of government policy – knowingly, evilly, maliciously, irresponsibly dictated. Yes, Israel is committing war crimes."

  • Es hat lange gedauert, bis zumindest klar benannt wurde, dass das grausame Vorgehen des Israelischen Militärs nichts mehr mit dem



    Selbstverteidigungsrecht Israels zu tun hat. Fakt ist, dass inzwischen von Netanjahu und seiner rechten Regierung öffentlich eindeutig das Ziel der Vertreibung aller Palästinenser*innen aus dem Gazastreifen benannt wird.

    Es gibt keine schnelle Patentlösung, wie der schon lange andauernde Konflikt beendet werden kann.



    Wer hat Recht? Wer hat wann welches Unrecht begangen? Wer ist Schuld / trägt teilweise die Schuld am aktuellen Leiden und Sterben von Menschen auf beiden Seiten?

    Ich glaube die meisten Müttern, Vätern Kindern, die zurzeit verängstig, hungrig und traumatisiert zwischen Trümmerbergen sitzen ohne zu wissen wohin sie ihr Leben retten können - hätten für eine rechthaberische Debatte - wie sie aktuell in manchen Foren stattfindet - kein Verständnis , keine Zeit und keine Kraft.

    Mord ist Mord, egal von wem begangen.

    Angesichts des aktuellen Ungleichgewichts, der militärisch stärkeren Seite auch noch Waffen zu liefern, ist Beihilfe zum Mord.



    Humanitäre Hilfe, auch gegen den Willen der militärisch stärkeren Seite ist angesagt - die tötet nicht.

  • Ich glaube international können viele nachvollziehen warum wir als Land uns bei Kritik lange zurück hielten. Viele Betroffene haben das in der Vergangenheit ja schon damit angedeutet, daß sie immer wieder erwähnten wir sollten unseren Schuldkomplex mal in den Griff kriegen. Warum wir da ruhig waren, ist den Menschen klar. Aber sie haben recht mit ihrer Kritik, die Vergangenheit ist zwar nicht irrelevant, aber die Gegenwart muss wichtiger sein.



    Wir können nicht weiter stillschweigend zuschauen und nicht einmal etwas sagen. Das hieße nämlich das wir "nur" die Seiten gewechselt haben, nicht aber begriffen haben, das die Grausamkeiten das Problem sind und ein solches Vorgehen zu verurteilen ist, egal auf wessen Seite man steht...

  • kurz und korrekt ! 👍

  • "Der zaghaften Kritik der neuen Bundesregierung an Israel müssen aber endlich Taten folgen. "



    Nie und zu keinem Zeitpunkt war die Kritik der Ampel an Israel auch nur annähernd so deutlich, wie die klare Ansage von Friedrich Merz heute. Und ja, jetzt müssen noch Tasten folgen.

    • @Hans Dampf:

      Das wird nur passieren, wenn es nicht die Gewinne der Rüstungskonzerne schmälert.