Israels Fußballauswahl: Auf dem Weg nach Südamerika
Der Fußballverband Israels hat ein Abkommen mit dem Kontinentalverband Südamerikas getroffen. Spielt das Nationalteam bald bei der Copa América mit?
D ie Copa América als Exil? „Ich hoffe sehr, dass die israelische Nationalmannschaft an einem der großen Turniere teilnehmen wird, die von der Conmebol organisiert werden, vielleicht sogar an der Copa América“, sagte Moshe Zuares, Vorsitzender des israelischen Fußballverbandes. Seine IFA hat ein Abkommen mit der südamerikanischen Fußballkonföderation Conmebol geschlossen.
Wie realistisch das ist, gehört zu den eher leicht zu beantwortenden Fragen: Undenkbar ist es nicht. Dass Israel nicht in Südamerika liegt, ist unwichtig. In Europa, wo es Mitglied der Uefa ist, liegt es ja auch nicht, doch in Asien, wo es geografisch angesiedelt ist, lässt man die Kicker des jüdischen Staates seit 1974 nicht mehr mitspielen.
Bleiben andere Fragen: Warum macht Israel das? Und was ist das Interesse von Conmebol?
Einerseits könnte Israel mit der Teilnahme an der Copa América die sportpolitische Isolation durchbrechen, der es immer wieder ausgesetzt ist. Gerade aktuell, während des Kriegs im Gazastreifen, werden erneut Ausschlussforderungen laut. Warum also nicht eine weitere Handlungsoption eröffnen, die dem Boykottgeschrei die Wirkung nimmt?
Sportliche Möglichkeiten
Zudem könnte Israel sportlich etwas schaffen, was ihm in der Uefa noch nicht gelungen ist, wohl aber in Asien: die Teilnahme an der Kontinentalmeisterschaft (1964 wurde Israel sogar Asienmeister im eigenen Land). Sportlich hat sich Israel zuletzt deutlich verbessert. Bei der U20-WM und der U21-EM erreichte es jeweils das Halbfinale, und bei den Olympischen Spielen in Paris nimmt es erstmals seit 1976 wieder am Fußballturnier teil. Warum also nicht über den Umweg Copa América zu den besseren Fußballnationen vorstoßen?
Die Conmebol steht, obwohl Weltmeister Argentinien und Rekordchampion Brasilien zu ihr gehören, immer noch schwächer da als die Uefa mit ihrer Europameisterschaft. Entsprechend war der Verband bei der jüngsten WM 2022 in Katar nur mit vier Teams vertreten, doch Europa schickte 13 Mannschaften. Auch wenn eine WM etwas anderes ist als eine Kontinentalmeisterschaft, so sagen diese Zahlen doch etwas über die Wertigkeit des Fußballs aus.
Mit Japan (zweimal) und Katar konnte Conmebol zuletzt asiatische Landesverbände in sein Turnier lotsen, das nordamerikanische Mexiko war schon oft dabei, und nun könnte mit Israel erstmals ein Uefa-Mitglied dokumentieren, dass es attraktive Alternativen zu Europa gibt. Das wäre eine interessante Volte im dauernden Kampf Lateinamerikas gegen den alles bestimmenden europäischen Fußball.
Die politische Kraft des Fußballs
Israelischerseits gibt es also mindestens zwei gute Gründe, sich auf ein Südamerikaabenteuer einzulassen. Und seitens Conmebol gibt es ein starkes Argument, sich mit Israel zusammenzutun. Nicht einmal der Umstand, dass sich südamerikanische Regierungen wie Brasilien oder Venezuela aktuell antiisraelisch positionieren, hat Einfluss auf die fußballerische Kooperation.
Mit dem aktuellen Gazakrieg hat der Deal nämlich weniger zu tun, als man zunächst vermuten könnte. Die Kooperationsgespräche, die vergangene Woche zum Abschluss kamen, begannen im September 2023 – wenige Wochen vor dem Massaker der Hamas am 7. Oktober.
Südamerika, Europa, Asien. Der Fußball beweist einmal mehr seine enorme Macht. Wenn sich diese Kraft politisch auswirkt, wäre das zumindest in diesem Fall nicht schlecht: Alle Nationalteams, inklusive Israel, könnten am Weltfußball teilhaben.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Müntefering und die K-Frage bei der SPD
Pistorius statt Scholz!
Angeblich zu „woke“ Videospiele
Gamer:innen gegen Gendergaga
Unterwanderung der Bauernproteste
Alles, was rechts ist
Experten warnen vor Trump-Zöllen
Höhere Inflation und abhängiger von den USA
Die Brennelementefabrik und Rosatom
Soll Lingen Außenstelle von Moskaus Atomindustrie werden?
Klimagipfel in Baku
Nachhaltige Tierhaltung ist eine Illusion