Israelische Politik im Westjordanland: Kollaps verschoben
Israels Finanzminister verzichtet auf eine Abkoppelung palästinensischer Banken vom israelischen Zahlungssystem. Dafür werden Außenposten legalisiert.
Am Sonntag kam nun in letzter Sekunde die Kehrtwende. Smotrich verlängerte das Abkommen: Israelische Banken dürfen weiterhin mit der Palästinensischen Autonomiebehörde zusammenarbeiten. Auch Steuergelder sollen wieder nach Ramallah fließen.
Doch die Gefahr ist wohl nur aufgeschoben, nicht aufgehoben. Smotrich, Anführer der Siedlerpartei Religiöser Zionismus, führt seit Langem einen Feldzug gegen die PA und wünscht sich den Zusammenbruch dieser Institution.
Dementsprechend konstruiert war sein Anlass für die jüngsten, jetzt aufgehobenen Sanktionen: Sie seien unter anderem eine Reaktion auf die Entscheidung des Chefanklägers des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) in Den Haag, Haftbefehle gegen Regierungschef Benjamin Netanjahu und Verteidigungsminister Joav Galant zu beantragen, erklärte er damals. Dabei hat der Chefankläger des IStGH, Karim Khan, die Haftbefehle beantragt – und nicht etwa die PA.
Palästinensische Ökonomie am Boden
Die ökonomische Situation im Westjordanland ist ohnehin seit Langem desolat. Seit dem 7. Oktober hat sich das weiter verschärft. Es ist zu einer Massenarbeitslosigkeit gekommen, denn Palästinenser*innen aus dem besetzten Westjordanland wurden die Arbeitserlaubnisse für Israel entzogen. Die schärferen Kontrollen und immer häufigeren Schließungen der israelischen Armee für Palästinenser tun ihr Übriges, um die Ökonomie des besetzten Gebietes zum Erliegen zu bringen.
Smotrichs Entscheidung, die Sanktionen aufzugeben, gehen kaum auf einen eigenen politischen Sinneswandel zurück, sondern vielmehr auf Druck aus den USA – und von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu. In einem Interview mit dem regierungsnahen israelischen Fernsehsender Aruz 14 betonte Netanjahu, der auch immer wieder gegen die PA hetzt, überraschend deutlich, dass deren Zusammenbruch derzeit nicht in Israels Interesse liege.
Der Krieg gegen die Hamas im Gazastreifen dauert bereits fast neun Monate, und die Eskalationen zwischen Israel und der vom Iran gelenkten Miliz Hisbollah im Libanon könnten sich jederzeit in einen weiteren vollständigen Krieg entwickeln – was auch eine direkte Konfrontation mit Iran bedeuten könnte.
Israel und die PA arbeiten in einigen Sicherheitsfragen zusammen, unter anderem um zu verhindern, dass die Hamas, der Islamische Dschihad und andere militante Gruppierungen im Westjordanland an Land gewinnen, während der autoritäre, aber altersmüde Palästinenserpräsident Mahmud Abbas kaum noch Rückhalt in der Bevölkerung hat.
Legalisierung von Außenposten
Gleichzeitig blüht der Waffenschmuggel über die jordanische Grenze ins Westjordanland. Militante Gruppen dort könnten in einem Jahr in der Lage sein, Raketen auf Israel zu schießen, die denen aus Gaza ähneln, hieß es vor einigen Tagen in israelischen Medien unter Berufung auf hochrangige palästinensische Sicherheitskreise.
Der Druck auf Smotrich, die PA nicht zusammenbrechen zu lassen, war also groß. Doch das hat einen Preis: Ihm wurde die Legalisierung von fünf auch unter israelischem Recht illegalen Außenposten im besetzten Westjordanland zugesagt, außerdem Tausende neue Siedlungseinheiten.
„Wieder einmal hat sich bestätigt, dass die israelische Regierung unter Netanjahu, Smotrich und Ben Gvir von ihrem Ansinnen auf eine Annexion der besetzten Gebiete getrieben sind“, erklärt der Sprecher der israelischen Friedensorganisation Peace Now, Mauricio Lapchik, gegenüber der taz: „Diese Außenposten und Siedlungen verschärfen den Hass zwischen Israelis und Palästinensern und sind in erster Linie darauf ausgerichtet, die Aussichten auf eine politische Lösung zu untergraben, nicht nur mit unseren palästinensischen Nachbarn, sondern auch mit anderen Nachbarn im Nahen Osten.“
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