Israelische Angriffe auf den Jemen: Die Opfer liegen immer noch unter den Trümmern
Bei seinem Angriff auf Sanaa hat Israel viele Journalisten getötet. Die Bergung geht schleppend voran, während die Huthis Berichterstattung verhindern.

Sechs Tage nach den israelischen Luftangriffen auf Sanaa und al-Dschauf am 10. September liegen immer noch Leichen unter den Trümmern in al-Tahrir, einem der am dichtesten besiedelten Viertel der jemenitischen Hauptstadt. Die Angriffe hatten das von den Huthis kontrollierte „Ministerium für moralische Führung“ getroffen und das Gebäude sowie benachbarte Häuser zerstört. Rettungskräfte und Freiwillige graben mit begrenzten Mitteln weiter, doch die Hoffnung auf Überlebende schwindet.
Die Zahl der Todesopfer in Sanaa und al-Dschauf stieg derweil auf 46 Tote und 165 Verletzte. Unter den Toten befinden sich auch Presseleute: 32 Medienvertreter, die unter der Huthi-Regierung beschäftigt waren, darunter neun Journalisten, die bereits vor der Machtübernahme der Miliz für die offizielle Zeitung der jemenitischen Armee 26. September gearbeitet hatten.
Die jemenitische Journalistengewerkschaft bestätigte, dass zwei der Journalisten registrierte Mitglieder waren, und wies darauf hin, dass sie nach Drohungen der Huthis und aus Angst, ihre einzige Einkommensquelle zu verlieren, unter Zwang weitergearbeitet hatten. Die Gewerkschaft verurteilte den Angriff als „Kriegsverbrechen und eklatanten Verstoß gegen die Gesetze zum Schutz von Journalisten und Medien in Konfliktzeiten“.
Ein Angehöriger der Opfer berichtete der taz: „Ich habe mehr als drei Familienmitglieder verloren. Wir sind obdachlos geworden und mussten bei Verwandten unterkommen. Von den Huthi-Behörden haben wir keine Hilfe erhalten, nicht einmal eine Unterkunft.“ Zeugen berichteten, dass mehrere der alten Häuser neben dem angegriffenen Gebäude vollständig eingestürzt seien. Das Fehlen von schwerem Gerät auch fünf Tage nach dem Bombenangriff verzögerte die Bergungsarbeiten weiter.
Huthis verhindern Berichterstattung
Gleichzeitig verboten die Huthi-Behörden Filmaufnahmen und den Zugang unabhängiger Medien zum Ort des Geschehens. Ein Anwalt, der anonym bleiben will, berichtete der taz, dass mindestens fünf Personen festgenommen wurden, weil sie vor Ort Aufnahmen der Folgen des Angriffs machten. Sie blieben demnach wegen der „Weitergabe von Koordinaten“ in Haft.
Die Nachrichtensperre führte dazu, es kaum unabhängige Berichterstattung zu dem Vorfall gab, abgesehen von einer Handvoll Bildern und Videos, die von Aktivisten unter falschen Namen online gestellt wurden.
Anstatt sich auf Hilfsmaßnahmen zu konzentrieren, nutzten die Huthi-Führer die Empörung für eine politische Kundgebung. Am Freitag, dem 12. September, rief der Anführer der Gruppe seine Anhänger zu Demonstrationen auf. Während die Leichen in al-Tahrir begraben blieben, versammelten sich Tausende auf dem Al-Sabeen-Platz und skandierten Parolen gegen Israel und die Vereinigten Staaten.
Jemenitischen Aktivisten zufolge nutzt das Regime die Luftangriffe, um die Massen zu mobilisieren, anstatt den Menschen ohne Obdach zu helfen. Die Bombardierungen verstärkten jedoch auch die Wut der Bevölkerung gegen Israel, das viele Jemeniten beschuldigen, eher zivile Wohngebiete als militärische Stellungen anzugreifen.
Die Führer der Huthis scheinen von der Eskalation unbeeindruckt zu sein. Der Journalist Ahmed Ayed sagte gegenüber der taz: „Die Führung freut sich über die israelischen Angriffe. Ihr Sprecher erklärte, sie seien froh über die direkte Konfrontation und bereit für einen langen Krieg.“ Ayed sagt, dass die Huthis externe Kriege nutzen, um von ihren innenpolitischen Verpflichtungen abzulenken, während ihre lautstarke Unterstützung für die Palästinenser in Gaza nichts an der Lage im Jemen geändert habe.
Nur Wochen zuvor hatte Israel einen Angriff durchgeführt, bei dem der Premierminister der Huthis und mehrere Minister getötet wurden. Am 7. September kündigte Israel die Schließung des Flughafens Ramon an, nachdem eine Drohne der Huthis das Passagierterminal getroffen hatte.
Aus dem Englischen: Leon Holly
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
bpb-Präsident zum Zustand der Demokratie
„Das ist die Stunde der Stabilokraten“
Kommunalwahlen in Nordrhein-Westfalen
Kein Bock auf Sahra
Prozess um verprügelte Neonazis
Anwälte fordern Freispruch für Hanna S.
Deutsche Bahn
Es ist ein Desaster
Aufnahme gefährdeter Afghan*innen
Dobrindts Tricksereien untergraben den Rechtsstaat
Palästina-Protest stoppt Vuelta
Zeit für Sportsanktionen