Israel vor der Wahl: Netanjahus letzte Chance
Israels Regierungschef kämpft ums politische Überleben. Für die Palästinenser spielt es indes kaum eine Rolle, wer die Wahl kommende Woche gewinnt.
Obwohl die rechten Parteien nach der Wahl im April zusammen die Mehrheit in der Knesset hatten, schaffte Netanjahu es nicht, eine Regierungskoalition zusammenzustellen. Schuld war ausgerechnet sein früherer politischer Ziehsohn und Büroleiter Avigdor Lieberman. Der Chef der weltlich-nationalen Partei Israel Beteinu (Israel ist unser Heim) war nicht mit den ultraorthodoxen Politikern unter einen Hut zu bringen.
Lieberman gilt nun erneut als Königsmacher. Während er im April 5 von 120 Parlamentsmandaten erreichte, sagen ihm Umfragen jetzt gut das Doppelte voraus. Seine neuen Wähler sind unter den Netanjahu-Überdrüssigen zu suchen und unter den weltlichen Israelis, die die Privilegien der Ultraorthodoxen leid sind. Lieberman fordert insbesondere beim Militärdienst gleiche Rechte und Pflichten für alle Bürger.
Die kommende Wahl ist Netanjahus letzte Chance, einer Anklage und vermutlich auch dem Gefängnis zu entkommen. Israels Oberstaatsanwalt will den noch amtierenden Regierungschef wegen Korruption vor Gericht zu bringen. Netanjahu habe Geschenke angenommen, unkoschere Absprachen mit einem Zeitungsverleger getroffen und ein Nachrichtenportal begünstigt, um Einfluss zu nehmen auf die Berichterstattung über sich und seine Familie. Retten könnte ihn eine Rechtsreform, die er in einer weiteren Regierungsperiode mit seinen treuen Partnern, so hofft er, durchsetzen würde, um als Ministerpräsident dieselbe Immunität zu genießen wie der Staatspräsident.
„Nicht noch mal Bibi“
Die Person Netanjahu ist für viele Wähler entscheidend. Seine Hetzkampagne gegen Intellektuelle, Regimekritiker und die arabische Minderheit im Land, gegen die Medien und sogar die Polizei nährt die berechtigte Sorge um die Rechtsstaatlichkeit. Hinzu kommt das Erstarken des ultraorthodoxen Sektors, dessen Vertretern Netanjahu aus eigenem Machtkalkül große Freiräume lässt.
Benny Gantz ist der erste Politiker seit Jahren, der eine Chance hat, Netanjahu zu schlagen. Die Devise „Nicht noch mal Bibi (Netanjahu)“ motiviert sogar Linke, für Gantz zu stimmen, obschon er kaum für eine linke Politik steht. Der Begriff „Palästinenser“ findet im Programm von Blau-Weiß keine Erwähnung, und um die latente Gefahr, die aus dem Gazastreifen droht, zu bannen, verspricht er, mit noch härterer Hand gegen die Hamas vorzugehen. Inhaltlich nehmen sich Likud und Blau-Weiß so wenig, dass Gantz ein Zusammengehen beider Parteien anstrebt – allerdings unter der Bedingung, dass Blau-Weiß federführend und er selbst Regierungschef wird.
Für die Palästinenser spielt es keine Rolle, wer die künftige Regierung in Jerusalem stellt. Weder Netanjahu noch Gantz halten neue Angebote bereit, um den Friedensdialog zu reaktivieren. Doch ob die Regierung von Koalitionspartnern mitgetragen wird, die wie die neue Rechtspartei Jamina (Nach rechts) eine Annexion von Teilen des Westjordanlands fordern, oder von linken Parteien, die zumindest regelmäßig an das Problem Besatzung erinnern, dürfte ihnen nicht egal sein. Ex-Ministerpräsident Ehud Barak will mit seinem neuen Bündnis Demokratisches Lager die Zweistaatenlösung vorantreiben, und auch die Arbeitspartei, die im April auf ein historisches Tief von nur sechs Mandaten fiel, strebt grundsätzlich nach einer Einigung mit den Palästinensern.
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