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Israel und PalästinaStopp der Siedlungsaktivitäten

Komission des UN-Menschenrechtsrats fordert sofortiges Ende der Besatzungspolitik. Die Regierung in Jerusalem verweigert Kooperation.

Rund 40 Palaestinenser haben im Dezember gegen den Besuch des israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu protestiert. Bild: dapd

GENF taz | Israel soll „umgehend alle Siedler aus den völkerrechtswidrig besetzten palästinensischen Gebieten abziehen und alle weiteren Siedlungsaktivitäten einstellen“. Das fordert eine Kommission unabhängiger Expertinnen des UNO-Menschenrechtsrates in Genf in einem am Donnerstag veröffentlichen Bericht.

Der Menschenrechtsrat hatte die dreiköpfige Expertinnenkommission unter Vorsitz der französischen Völkerrechtlerin Christine Chanet im März 2012 mit der Überprüfung der israelischen Siedlungspolitik beauftragt. Israel verweigerte jegliche Kooperation mit der UN-Kommission und entzog sich am Dienstag dieser Woche als einziges der 193 UNO-Mitgliedsstaaten dem 2007 etablierten und für alle Staaten völkerrechtlich verbindlichen „Allgemeinen regelmäßigen Überprüfungsverfahren“ (UPR) durch den Menschenrechtsrat.

Die seit dem Nahostkrieg von 1967 anhaltende Besatzungspolitik Israels würde „zahlreiche Menschenrechte der Palästinenser andauernd und in vielfältiger Weise verletzen“, heißt es in dem Bericht. Mit dem System abgeschlossener Wohngebiete allein für Israelis auf widerrechtlich besetzten Gebieten werde Palästinensern das Recht auf Selbstbestimmung verwehrt.

Die Kommission wirft Israel auch vor, Palästinenser aus ihren angestammte Wohngegenden zu vertreiben: „Die Absicht hinter Gewalt und Einschüchterung gegenüber Palästinensern besteht darin, die lokale Bevölkerung von ihrem Land zu vertreiben, damit die Siedlungen ausgeweitet werden können“, erklärte Kommissionsmitglied Unity Dow (Botswana).

Israel kritisierte den Bericht als „kontraproduktiv“. Nur „direkte Verhandlungen ohne Vorbedingungen“ könnten alle bestehenden Probleme zwischen Israel und den Palästinensern lösen, einschließlich des Siedlungsproblems, erklärte die israelische UN-Mission in Genf.

Artikel 49 der Genfer Konvention

Dieser Position widersprach die Kommissionsvorsitzende Chanet entschieden und erklärte „in Übereinstimmung mit Artikel 49 der Genfer Konvention“ müsse „Israel alle Siedlungsaktivitäten ohne Vorbedingungen einstellen“. Die Siedlungspolitik sei verbunden mit der Vertreibung von Menschen, wie sie in die Zuständigkeit des Internationalen Strafgerichtshofes (IStGH) in Den Haag falle, erklärte Chanet. Seit Jahren mache sich Israel einer „systematischen und alltäglichen Diskriminierung des palästinensischen Volkes“ schuldig.

Das dritte Kommissionsmitglied, die pakistanische Völkerrechtlerin Asma Jahangir, erklärte, der Siedlungsbau im Westjordanland und Ostjerusalem schränke „die Selbstbestimmung der Palästinenser“ ein. Dabei handele es sich um einen Verstoß gegen humanitäres Völkerrecht. Der Bericht soll am 18. März den 47 Mitgliedern des Menschenrechtsrates zur Beratung vorgelegt werden.

Am Dienstag stand auf der Tagesordnung des Rates die Anhörung israelischer Regierungsvertreter im Rahmen des UPR-Verfahrens. Doch die Regierungsvertreter erschienen nicht. Der Boykott sorgte für einen Eklat und für zahlreiche kritische Kommentare auch von US-amerikanischen und europäischen UN-DiplomatInnen. Alle anderen 192 UNO-Staaten haben sich bislang ohne jede Einschränkung dem Überprüfungsverfahren unterworfen und alle damit verbundenen Verpflichtungen erfüllt.

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16 Kommentare

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  • I
    Irene

    Diese Siedlungspolitik ist für Israel mehr als überlebenswichtig; denn wo Israeli's siedeln können sich keine Palästinenser breitmachen!

  • ON
    Olaf Niedersätz

    Alles Antisemiten !!! Die ganze UN !

  • S
    suse

    @kritische stimme

     

    sie fordern jetzt nicht ernsthaft eine strafsteuer für "jüdische produkte"? und falls sie es dennoch tun, fordern sie dann auch eine strafsteuer auf iranische produkte für die unterdrückung der studentenbewegung, christen und bahai? und eine auf chinesische produkte für die annektierung tibets? und eine für russland wegen des verbots "homosexueller propaganda"?

     

    mit besten grüßen aus dem demokratischen westen

  • KS
    Kritische Stimme

    Das ist alles der falschen Politik europaeischer Politiker zu verdanken wie Merkel,Westerwelle,Verhagen,Rosenthal,Blair,Haig,die niemals ein Wort von Kritik finden konnten fuer die illegale Bauerei im Palestinensergebiet und Israel dauernd belohnt haben mit Geld,Subventionen,Handelsabkommen und gratis Waffen.In der Tatsache hat die EU illegales Handeln von Israelseite provoziert.Solange die EU weiter schweigt wird sich nichts aendern.Von USA kann nichts erwartet werden durch die dortigen juedischen Lobbys.Hoechste Zeit Israel Bedingungen zu stellen und in der Zwischenzeit die Zusammenarbeit einzufrieren und israelische Waren beim Import extra zu belasten,bis man da echt Frieden stiften will.Europa wird das viele Kosten ersparen,gute Beziehungen im NahOst,und Israel Frieden bringen

  • HW
    Hartmut Wagner

    Zu den Kommentaren des Israelfreundes Marco Hoffmann vom 31.1.2013 und vom 5.2.2013:

    Herr Hoffman, Ihre Weisheiten sind stark angebräunt und lassen sich übersetzen: "Kauft nicht bei Juden und bekämpft die jüdische Weltverschwörung!"

    Dieser Slogan ist altbewährt, besonders bei den jungen Männern mit dem Kochtopfschnitt und den Springerstiefeln sowie den übrig gebliebenen letzten Naziopas.

    Israel ist die einzige Demokratie im Nahen Osten. Eine ganz wichtige gesellschaftliche Einrichtung dort waren und sind die Kibbuzim, die auf einer sozialistischen Utopie beruhenden Produktions- und Lebenskollektive.

    Besser als sie scheinen dem Israelfreund Hoffmann die Folterkeller im Iran, in Saudiarabien, Syrien, Ägypten und im Gazastreifen zu gefallen, denn die Produkte dieser Länder bzw. dieser autonomen Region will er nicht boykottieren und deutsche Waffenexporte nach Saudiarabien sind ihm anscheinend völlig schnuppe.

    Auch auf chinesische Waren möchte er wahrscheinlich nicht verzichten, obwohl sie unter den unmenschlichen Bedingungen der Massenmenschenhaltung in der größten

    Diktatur der Erde hergestellt werden, die zudem auch eine ihrer brutalsten ist.

    Die Erzeugnisse der Mitgliederstaaten des UN-Menschenrechtsrates zu boykottieren, zumeist finstere Diktaturen, kommt dem Menschenrechtsstreiter Hoffmann ebenfalls nicht in den Sinn.

    Artikelschreibe Herr Zumach erfreut sich besonderer Scheuklappensubjektivität, wann immer es um Israel geht. Er hat den Israel-Hass- und Verleumdungspreis verdient.

     

    Mit freundlichen Grüßen, Hartmut Wagner!

  • MH
    Marco Hoffmann

    "

    Grundsätzlich äußere man sich nicht zu einzelnen Kunden und Staaten.

    "

    ("Münchner Firma Trovicor" im taz-artikel zu bahrain)

     

    Gilt diese Aussage eigentlich auch für Marktkauf? Im Hamburger Werbeprospekt (28.1. bis 2.2.2013) sind auf Seite 2 Grapefruit aus Israel beworben und ein Großteil des in die EU eingeführten "israelischen" Obsts kommt unter Wasserdiebstahl aus den illegalen rein-jüdischen Siedlungen im illegal besetzten Palästina:

     

    "

    It points out that although the EU repeatedly states that Israeli settlements in the West Bank are illegal under international law, it continues to allow settlement produce to enter its markets. The EU is Israel‘s largest trading partner, receiving about 20% of total Israeli exports .

     

    Al Haq estimates that settlements in the Jordan Valley – the large swath of fertile agricultural land in the West Bank that is dominated by Israeli agribusiness – contribute 40% of herbs, 50% of grapes and 40% of dates exported by Israel.

     

    “The flourishing agricultural environment in the West Bank, particularly in the Jordan Valley area, coupled with the exploitation of water and other natural resources found in the occupied territory, has … turned Israeli settlements into profitable corporations, ” says the report .

     

    Settlement goods are often labelled “produce of the West Bank” or “produce of Israel ”, implying it is Palestinian produce or it originates on the Israeli side of the 1967 greenline .

    "

    http://www.bdsmovement.net/2013/israeli-settlement-products-need-eu-ban-says-human-rights-report-10429

  • MH
    Marco Hoffmann

    "

    Israels Siedlungspolitik sei daher ein Fall für den Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) in Den Haag, heißt es in einer am Donnerstag vom UN-Menschenrechtsrat veröffentlichten Mitteilung zu dem Expertenbericht. Seit Jahren mache sich Israel einer "systematischen und alltäglichen Diskriminierung des palästinensischen Volkes" schuldig.

    "

    http://www.abendblatt.de/politik/ausland/article113271294/Israel-verletzt-Menschenrechte-der-Palaestinenser.html

     

    Und Merkel billigt und unterstützt das mit Waffenlieferungen an israel, ist also mittäter und wird in den haag neben peres auf der anklagebank sitzen.

     

    Hat das Urteil des UN-menschenrechtsrates eigentlich das ohr des bundestags-waffenexport-gremiums erreicht oder sagen die fann beim icc, sie hätten nicht gewusst, das in israel apartheid zwischen juedischen und nicht-juedischen israelis sowie zwischen besetzern und besetzten besteht? Wie hiess das noch beim LG Köln? Strafbarkeitsunwissen?

  • SB
    sarina bergstätter

    ein blick wer dort im menschenrechtsrat sitzt hilft beim verständnis woher so eine kindische kritik kommt.

     

    aber den israelhassern liefert er mal wieder neue munition um ihr ewig gestriges, verschwörungsgestammel erneut aufzulegen.

  • H
    Harald

    Beim Blick auf die Liste der Mitglieder im UNmenschenrechtsrat wird sofort klar, aus welcher Motivation dieses Gremium handelt.

     

    Diesen Leuchttürmen der "universellen Moral" ist schon allein die Existenz Israels unerträglich. So ist es erklärbar, weshalb sich vergangenes Jahr von insgesamt 26 UN Resolutionen wegen Menschenrechtsverletzungen allein 22! gegen Israel richteten.

     

    Daß dieses Israel aber obendrein für alles das steht, was der Großteil dieser UNmenschenrechtsrat-Mitglieder im eigenen Land auf das Schärfste und Brutalste verfolgt und unterdrückt, ist ein Provokation für diese Mehrheit im "Rat".

     

    Auf den globalen Judenhaß vertrauend aber kann dieses UNrechtsgremien seit Jahren unwidersprochen sein verludertes Spiel mit Israel treiben. Der UNscheinheiligenschein macht's möglich.

     

    In den drei unteren Zeilen sind die derzeitigen 47 Mitglieder dieses mehrheitlich von Despotien/Diktaturen beherrschten Gremiums nachzulesen: https://de.wikipedia.org/wiki/UN-Menschenrechtsrat

  • U
    Ute

    Man hätte durchaus die Kommission in ihrer Zusammensetzung näher vorstellen können und ist der Bericht schon veröffentlicht und im Internet einsehbar?

     

    Überhaupt, wer ist z.Z. alles im Menschenrechtsrat tätig?

  • J
    Jupp

    Alles nur eine Frage von Sanktionen.

     

    Die Ausrede, "wir haben keinen Einfluss, den haben höchstens die Amerikaner",

    nimmt man doch hoffentlich keinem deutschen Politiker mehr ab.

  • ES
    einige sind gleicher

    Seit Jahrzehnten ist die extremistische Siedlungspolitik Israels mit der Vertreibung von Menschen verbunden.

    Logisch, dass das in die Zuständigkeit des Internationalen Strafgerichtshofes in Den Haag fällt!

     

    Warum so spät?

    Israel macht sich doch seit zig Jahren an der systematischen und alltäglichen Diskriminierung des palästinensischen Volkes schuldig!

     

    Warum hat die israelische Delegation eigentlich die Anhörung geschwänzt??

    Wollen die eine Veruteilung in Abwesenheit?

     

    Gibts jetzt ein Knöllchen für die Weiterung an einem Gerichtstermin zu erscheinen?

  • G
    Gonzi

    Ach, welche Diplomaten aus der Bundesrepublik haben sich denn bislang geäußert?

  • IQ
    Ignaz Quadratwurzel

    "Israel" in Palästina

     

    Netanjahu hat schon umgehend reagiert und in Syrien bombardieren lassen. Dementsprechend haben die „Freunde Israels“ die Möglichkeit, andere Nachrichten aus dem Nahen-Osten in den Vordergrund zu setzen -

    und so wird dies in den Medien in der BRD weitgehend eingesetz.

    Beherrschendes Thema der Luftangriff, nicht der geforderte Abzug der Siedler.

     

    Entlarvend dabei auch die Argumentation, der Abzug der Siedler, der ja nicht einer der Armee wäre, würde die Verteidigung „Israels“ schaden.

     

    Damit wird zugestanden, welche Seite Zivilisten und darunter viele Kinder seit Jahrzehnten als Teil einer Militärstrategie einsetzt.

     

    Zudem trifft der tatsächliche Hintergrund zu, auf dem die EU die angestiegene Zahl getöteter Palästinenser in den letzten Wochen beklagt.

    Nur wurden diese Morde kaum in in Funk und Fernsehen und bei den großen Tageszeitungen in die Öffentlichkeit getragen - im Gegensatz zum jetzigen Luftangriff, wobei auch dort weniger der klare Völkerrechtsbruch und die Zahl der möglichen Opfer hervorgehoben wird.

  • M
    mehrdad

    dann darf israel den abzug aller araber aus israel verlangen.

     

    nur judenhasser wollen einen judenreinen pally-staat und einen bi-nationalen staat als lösung des konfliktes.

     

    aber fast alle araber in israel werden sich hüten, die israelische staatsbürgerschaft zu verlieren und unter arabische "brüder" zu leben.

  • MH
    Marco Hoffmann

    Israel hat Angst vor drei Engeln für charly:

     

    "

    Israel gehört nicht zu den 47 Mitgliedern des Menschenrechtsrats. Es hat aber wie jeder der 193 Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen die Pflicht, an einer „Allgemeinen Regelmäßigen Prüfung“ ( UPR) durch den Rat teilzunehmen. Dieser Prozedur hatte sich bisher seit ihrer Einführung im Jahr 2007 noch kein Land entzogen. Der Bericht vom Donnerstag soll nun am 18. März den 47 Mitgliedern des Menschenrechtsrates vorgelegt werden. Der Expertenkommission gehörten drei Expertinnen an: die Französin Christine Chanet, die Pakistanerin Asma Jahangir und die aus Botswana stammende Expertin Unity Dow.

    "

    http://www.fr-online.de/politik/israel-und-palaestina-un-experten-fordern-siedler-rueckzug,1472596,21603200.html

     

    Welche Disziplinarmaßnahmen sind denn laut un-charta bei verstoß gegen die un-hausordnung vorgesehen? Verlust des Stimmrechts oder Unvereinbarkeitsbeschluss?

     

    Was mich auch mal interessieren würde, gelten die an mursi gerichteten forderungen eigentlich nur für nicht-juden? Falls ja, was ist dann mit den nicht-jüdischen israelis, für die gilt merkels demokratie-forderung dann doch auch oder? Wie hat Berlin denn auf israels boycott des menschenrechtsrats reagiert, so wie auf richard falks deportation 2008?

     

    Was sagt westerwelle zu israels boycott des un-menschenrechtsrats, wo ist das interview?