Israel stoppt EU-Diplomaten: Provozierende Hilfe
Eine Hilfslieferung an Beduinen im Westjordanland wird von israelischen Soldaten beschlagnahmt. Nun fordert die EU Aufklärung.
JERUSALEM taz | Israel und die EU bleiben auf Konfrontationskurs. Catherine Ashton, die EU-Außenbeauftragte, verurteilte am Wochenende die „Beschlagnahmung humanitärer Hilfsgüter durch israelische Sicherheitskräfte“, die für Beduinen von Khirbet al-Makhul im Jordantal gedacht waren. Zwischen den Sicherheitskräften und den Diplomaten kam es zu Handgreiflichkeiten und offenbar sogar zum Einsatz von Schallbomben. Die EU fordert Aufklärung über das harsche Vorgehen der Sicherheitskräfte.
Israel spricht dagegen von einer „unnötigen Provokation“ seitens der Diplomaten. Unter dem „Deckmantel“ der humanitären Hilfe „verstoßen die europäischen Diplomaten gegen das Gesetz“, heißt es in einer Pressemitteilung der Regierung vom Sonntag. Die israelisch-europäischen Beziehungen sind seit der jüngsten Ankündigung, dass israelische Siedlungen ab 2014 keine EU-Fördermittel erhalten sollen, ohnehin angespannt.
Der Vorfall in Khirbet al-Makhul ereignete sich am Freitag, als Grenzpolizisten den Hilfstransporter abfingen und die französische Diplomatin Marion Castaing aus dem Fahrzeug heraus auf den Boden zerrten. Auf Fotos liegt Castaing neben einem Soldaten, der das Gewehr auf sie richtet.
Nach Auskunft von Paul Hirschson, Sprecher des israelischen Außenamtes, habe Castaing „einen Polizisten geohrfeigt“. In Jerusalem werde erwogen, Beschwerde gegen die Französin zu erheben. „Die Vorstellung, dass ein Diplomat herkommt und einen unserer Sicherheitsleute schlägt, ist inakzeptabel“, erklärte Hirschson auf telefonische Anfrage.
Zelte für Obdachlose
Die Hilfsgüter, vor allem Zelte und Decken, waren für Beduinen gedacht, deren Dorf am Montag letzter Woche mit der Begründung abgerissen wurde, die Hütten und provisorischen Ställe seien ohne Baugenehmigung errichtet worden. Nach Informationen des UN-Büros für die Koordinierung humanitärer Hilfe (Ocha) wurden zehn Familien, darunter 16 Kinder, obdachlos.
Die Gegend von Khirbet al-Makhul liegt in der C-Zone im Westjordanland und untersteht der israelischen Sicherheitskontrolle. „Wir sind verantwortlich, Recht und Ordnung zu wahren“, begründete Außenamtssprecher Hirschson den Abriss des Dorfes. „Die Sicherheitsleute waren damit beauftragt, einen Gerichtsbeschluss durchzusetzen.“
Die Beduinen von Khirbet al-Makhul gehören, ähnlich wie die Hirten im Süden von Hebron, zu den ärmsten Menschen im besetzten Westjordanland. Die palästinensischen Familien leben permanent in Angst vor den Bulldozern, trotzdem weigern sie sich, das Land zu verlassen, auf dem sie zum Teil seit Generationen Schafe und Ziegen züchten.
In der Regel verweigert die Militärverwaltung den Palästinensern in der C-Zone Baugenehmigungen. Jede neue Hütte ist damit von Beginn an vom Abriss bedroht. Ungeachtet der schwierigen Rechtslage finanziert das deutsche Außenamt mehrere Projekte im Süden Hebrons. Dort versorgen sich die Hirten mit Strom aus Sonnenkollektoren und Windturbinen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja
Die Wahrheit
Der erste Schnee
Schraubenzieher-Attacke in Regionalzug
Rassistisch, lebensbedrohlich – aber kein Mordversuch