Israel nach der Feuerpause in Nahost: Die Eisenkuppel hält
Die israelische Bevölkerung stützt die Regierung und hofft auf ein Ende der Hamas. Offiziell bleibt die Zweistaatenlösung bleibt das Ziel.
![](https://taz.de/picture/96071/14/Netanjahudpa200814.jpg)
JERUSALEM taz | Mit seltener Übereinstimmung stützt die Koalition von Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu den Versuch der Armee, Mohammad Deif zu töten: „Die gezielte Exekution von Terroristen ist nicht nur legitim, sondern wünschenswert“, erklärte sogar Justizministerin Zipi Livni, die den linken Flügel in der Regierung repräsentiert, am Mittwoch.
Israel hatte auf den erneuten Raketenbeschuss aus dem Gazastreifen zunächst mit punktuellen Luftangriffen reagiert, die wenig Schaden anrichteten. Offenbar erhielt die Armee Informationen über den möglichen Aufenthaltsort Deifs und beschloss, schnell zu reagieren und ihn zu töten. Bei dem Angriff starben außer der Frau Deifs und seinem kleinen Sohn erneut zahlreiche Menschen im Gazastreifen.
Der palästinensische Verhandlungschef Assam al-Ahmad macht Israel für das Scheitern der jüngsten Waffenstillstandsgespräche verantwortlich: Die ersten drei Raketenangriffe vonseiten der Hamas reichten aus, um die israelische Delegation aus Kairo abreisen zu lassen. „Es gab keine Toten, kein Zimmer wurde zerstört“, schimpfte al-Ahmad über die harsche Reaktion der Israelis, die die gesamte Zeit der Verhandlungen über „nicht ernsthaft eine Lösung erreichen wollten“.
Israel gerät zwar auf internationaler Bühne zunehmend unter Druck. Im eigenen Land genießt Netanjahu jedoch nach wie vor breite Zustimmung für das massive Vorgehen im Gazastreifen. Die Bevölkerung hofft auf eine langfristige Lösung, um nicht ewig von Raketen bedroht zu werden.
Die Rüstungsvorräte schrumpfen
Israel steckt das Ziel diesmal höher als bei früheren militanten Auseinandersetzungen mit der Hamas: Die Regierung weicht von der Forderung einer Entmilitarisierung des Gazastreifens nicht mehr ab. Die Hoffnung, dass das möglich ist, wird genährt durch die Tatsache, dass die Hamas derzeit international isoliert ist. Den Islamisten droht zudem das Geld auszugehen, auch die Rüstungsvorräte schrumpfen.
Für Israel ist der Krieg längst nicht so schmerzhaft wie für die Palästinenser: Das Raketenabwehrsystem Eisenkuppel fängt die meisten Angriffe ab. Mindestens die kommenden knapp zwei Wochen bis zum Beginn des neuen Schuljahrs halten die Israelis noch relativ entspannt durch.
Netanjahu will strikt zwischen dem Problem mit dem Gazastreifen und dem Westjordanland trennen. Nach wie vor lehnt er es ab, mit der palästinensischen Einheitsregierung, auf die sich die Fatah und die Hamas vor gut zwei Monaten einigten, zusammenzuarbeiten. Der rechtsnationale Außenminister Avigdor Lieberman fordert, Gaza erneut zu besetzen, um Hamas zerschlagen zu können, nicht aber, um das Gebiet langfristig zu halten.
Auch Kritiker des einseitigen israelischen Abzugs 2005 aus Gaza hegen keinerlei territoriale Ansprüche auf den Küstenstreifen. Netanjahus einziges Interesse ist Ruhe an der Südfront, unabhängig vom politischen Prozess mit Palästinenserpräsident Mahmud Abbas.
Fataler Kontakt
Die strikte Unterscheidung zwischen Gaza und dem Westjordanland mag Grund dafür sein, dass Israel de facto mit der Hamas, die jahrelang boykottiert wurde, in Kairo nun – wenngleich indirekt – doch verhandelt. Justizministerin Livni hält den Kontakt zu den Islamisten für fatal. „Ich verhandle nicht mit der Hamas“, meinte sie. „Wir dürfen niemanden glauben lassen, dass sich die Angriffe gegen Israel auszahlen.“
Nebulös bleibt der Regierungschef darüber, wie er sich die Zukunft des Westjordanlands vorstellt. Livni treibt als einzige die Wiederaufnahme der Verhandlungen um die Zweistaatenlösung voran, die unverändert erklärte Regierungspolitik ist. Im Kabinett aber werden die Stimmen immer lauter, die weite Teile des Westjordanlands annektieren wollen. Und Netanjahu lässt seine Kollegen beim Ausbau der Siedlungen nur allzu willig gewähren.
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