Israel darf an ESC teilnehmen: Showbühne der Doppelmoral
Auch die Causa ESC zeigt: Israels Regierung kann ohne Konsequenzen massive Verbrechen verüben, weil Deutschland und die USA hinter ihr stehen.
Ä sthetisch fragwürdig war der „Eurovision Song Contest“ schon immer. Politisch endgültig fragwürdig geworden ist er nun mit der Entscheidung, Israel weiter daran teilnehmen zu lassen, obwohl dessen Regierung massive Kriegsverbrechen begangen hat und immer noch begeht.
Im Fall von Russland zögerte man nicht lange, das Land von europäischen Musik- und Sportwettbewerben auszuschließen, nachdem Putin 2022 die Ukraine überfallen hatte. Doch bis heute kann man sich nicht dazu durchringen, Israel auszuschließen, obwohl wegen Gaza sogar der Vorwurf des Völkermords im Raum steht, über den vor dem höchsten internationalen Gericht in Den Haag noch immer verhandelt wird.
Spanien, Irland, Slowenien und die Niederlande haben die einzig richtige Konsequenz gezogen und werden der diesjährigen Veranstaltung in Wien fernbleiben. Auch Belgien, Island, Schweden und Finnland erwägen diesen Schritt. Das ist eine Frage der Selbstachtung, wenn man sich ethischen Grundsätzen und Werten verpflichtet fühlt. Deutschland dagegen hat – als einer der größten Geldgeber der Rundfunk-Union, die den Wettbewerb organisiert – seinen Einfluss geltend gemacht und wieder einmal seine schützende Hand über Israel gehalten. Das hat System.
Israels in Teilen rechtsradikale Regierung kann massive Verbrechen verüben, ohne Konsequenzen fürchten zu müssen, denn Deutschland und die USA unter Trump stehen hinter ihr. Diese völlige Straflosigkeit ermuntert sie geradezu, noch mehr Verbrechen zu begehen und noch mehr Grenzen zu überschreiten – nicht nur im metaphorischen, sondern ganz konkret auch im völkerrechtlichen Sinne. Deutschland deckt das nicht nur, sondern unterstützt es tatkräftig, indem es dem Land weiter Waffen liefert.
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Zu Besuch bei einem Kriegsverbrecher
Der deutsche Bundeskanzler besucht an diesem Wochenende sogar Israels Ministerpräsidenten Netanjahu, der vom Internationalen Strafgerichtshof per Haftbefehl wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit gesucht wird und in seinem eigenen Land wegen Korruption vor Gericht steht. Innerhalb der Europäischen Union hat Deutschland verhindert, das Assoziierungsabkommen auszusetzen, das den Handel mit Israel privilegiert. Nun spaltet Deutschland Europa ein weiteres Mal.
Immerhin will der Song Contest nun seine Abstimmungs- und Werberegeln ändern: So viel Selbstachtung hat man dann doch. Im vergangenen Jahr führten Israels Regierung und ihr nahestehende Organisationen eine massive Kampagne, um die israelische Kandidatin zu pushen. Diese erhielt daraufhin ungewöhnlich viele Publikumsstimmen und kam dadurch auf Platz zwei, was zu Manipulationsvorwürfen führte.
Der Einsatz der israelischen Regierung und ihrer Claqueure, die eine Teilnahme und den Erfolg ihres Landes beim ESC zu einer Frage der Ehre stilisieren, zeigt: Unpolitisch war dieser Wettbewerb noch nie. Nun ist er es erst recht nicht mehr, stattdessen ist er eine Showbühne der Doppelmoral.
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