Israel-Kritische Veranstaltung ausgeladen: In Bremen wird nicht zensiert
Ein Aktivist des Israel-Boykott-Bündnisses BDS wollte im Bremer Überseemuseum einen Vortrag halten. Das Museum wollte da aber nicht mitmachen und sagte ab.
BREMEN taz | Haben die Juden zu viel Einfluss in Bremen? Arn Strohmeyer, Bremer Palästina-Aktivist, scheint das zu glauben: „Vermutlich (was man natürlich nicht belegen kann)“, schreibt er über die Raumkündigung für eine Veranstaltung des Bremer Informationszentrums für Menschenrechte (BIZ), „ziehen im Hintergrund die Bremer Jüdische Gemeinde und die Deutsch-Israelische Gesellschaft die Fäden“.
Die scheinen demnach echt eine finstere Macht im Zweistädtestaat zu sein: Ihretwegen nämlich hätte der Bremer Senat Artikel 5 des Grundgesetzes „außer Kraft gesetzt“, so Strohmeyer auf der Online-Plattform „Der Semit“, also das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung. In einer Erläuterungs-Mail behauptet Strohmeyer sogar: „Der Bremer Senat hat den Vortrag des Theologen Martin Breidert […] verboten.“
Das ist falsch. „Wir haben nichts verboten“, stellt Senatssprecherin Alexandra Albrecht, zuständig für Kultur, auf Nachfrage klar. Tatsächlich hat der Vortrag unter dem suggestivstarken Titel „Ist Kritik an Israel antisemitisch“ laut dem Referenten sogar am geplanten Termin stattgefunden. In „benachbarten Räumlichkeiten und vor vielen Zuhörern“, wie Martin Breidert der taz erzählt.
Damit wird auch Vorwurf der Grundrechtsverletzung wackelig. Denn aus dem Recht, seine Meinung zu äußern, leitet sich nicht das Recht ab, Räume dafür zur Verfügung gestellt zu bekommen. Sonst wären öffentliche Gebäude ja gezwungen, allen NPD-Rednern und rassistischen Agitatoren eine Bühne zu bereiten.
Bündnis gegen Israel
Zugleich gibt es öffentlich einsehbare Gründe dafür, dass eine von Bremen unterhaltene Institution ihre Räume nicht ohne Prüfung für einen Vortrag hergibt: Denn der Pastor im Ruhestand ist in Bonn einer der profiliertesten BDS-Aktivisten: BDS steht für Boykott, Divestment und Sanktionen. Das Bündnis richtet sich gegen den Staat Israel.
Zunächst ging es dabei darum, zum Verzicht auf den Kauf von in den besetzten und widerrechtlich besiedelten Gebieten produzierten Importgütern aufzurufen. Was, mangels Kennzeichnung, auf einen allgemeinen Boykott israelischer Waren hinausläuft, den die BDS-Anhänger auch auf immaterielle Güter, auf Kunst und Wissenschaft, ausweiten wollen.
Bremens Senat und die Bürgerschaft haben einmütig entschieden, solchen Boykott-Bestrebungen keine Plattform zu bieten. Grund: Diese Aktionen gegen Israel dienen allzu oft dazu, judenfeindliche Ressentiments und Vorurteile zu verbreiten. Dazu zählt beispielsweise die klassische Vorstellung, nach der die Juden einen Staat im Staate bilden würden, um insgeheim dessen Geschicke zu lenken, die so bemerkenswert ungebrochen von Strohmeyers eingangs zitiertem Text bedient wird.
Wiebke Ahrndt, Direktorin des Bremer Überseemuseums
Die Darstellungen, wie es zur Raumkündigung kam, sind nicht deckungsgleich. So antwortet die BIZ-Geschäftsführerin Gertraud Gauer-Süß auf die Frage, ob sich das Überseemuseum zuvor über die Inhalte des Vortrags informiert habe, ausweichend, dass das „normalerweise nicht üblich“ sei. Man teile stets nur „den Titel der geplanten Veranstaltung sowie den Namen des/der Referent*in mit, so auch in diesem Fall“.
Man sei auf dessen problematisches Wirken hingewiesen worden, berichtet hingegen Wiebke Ahrndt, Direktorin des Überseemuseums, und habe deshalb das BIZ als Veranstalter kontaktiert und „persönlich um Stellungnahme binnen zwei Tagen gebeten“. Darauf aber habe es „keine Rückmeldung“ gegeben.
Also sei man auf eigene Recherche angewiesen gewesen, „und in den öffentlich zugänglichen Quellen findet man nicht so viel, was für Herrn Breidert gesprochen hätte“, so Ahrndt. „Also haben wir dem BIZ mitgeteilt, dass es diese Veranstaltung bei uns nicht durchführen kann.“
Nazi-Vergleiche
Breidert fühlt sich missverstanden. „Mein Vortrag ging gar nicht über BDS“, behauptet er. Das sei nicht sein Thema gewesen. Allerdings nimmt in seinem eher impressionistisch organisierten Referat, dessen Kern eine Auflistung von dem bildet, was Breidert für Verbrechen Israels hält, die Boykott-Debatte breiten Raum ein: Sechsmal wird auf 24 Seiten das Akronym verwendet, zweimal der ausgeschriebene Begriff. Und stets wird zu ihren Gunsten argumentiert:
So wirft er den „Freunden Israels“ nicht ganz zu Unrecht vor, Nazi-Vergleiche zu nutzen, „wenn sie den Aufruf, keine Produkte aus den Siedlungen zu kaufen, mit dem Nazi-Aufruf ‚Kauft nicht bei Juden!‘ gleichsetzen“. Häufiger wird auf die Figur des Autoritätsarguments rekurriert: „Jedenfalls ist BDS nicht antisemitisch, das sagt auch der Antisemitismus-Experte Wolfgang Benz.“
„Dafür, dass es gar nicht über BDS gehen soll, ist das schon ein großer BDS-Werbeblock“, sagt die Bremer Grünen-Abgeordnete Henrike Müller nach Lektüre des Vortragsskripts. Müller hat sich in der Bremischen Bürgerschaft maßgeblich für Entwicklung und Verabschiedung des Aktionsprogramms „Stopp den Antisemitismus“ eingesetzt.
Wahr sei, „für eine Raumkündigung müssen wir genau prüfen, was beim Vortrag zu erwarten ist“. Man müsse es „davon abhängig machen, ob die Referenten in der Lage sind, BDS neutral darzulegen, unterschiedliche Sichtweisen zuzulassen“. Oft genug aber habe es BIZ-Veranstaltungen im Überseemuseum gegeben, die sich als BDS-Propaganda erwiesen hätten. „Ich kann nur begrüßen, dass es diesmal endlich einmal anders gelaufen ist.“
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