Islamwissenschaftlerin über Demo in Köln: „Die Verbrecher gehören geächtet“
Der Friedensmarsch soll ein klares Bekenntnis zu einer offenen und pluralistischen Gesellschaft sein. Das sagt die Initiatorin Lamya Kaddor.

taz: Frau Kaddor, was hat Sie dazu gebracht, für diesen Samstag zu einem „Ramadan-Friedensmarsch“ in Köln aufzurufen?
Lamya Kaddor: Der Auslöser waren die letzten islamistisch begründeten Anschläge, die wir erlebt haben. Das hat für mich und meinen Mitstreiter Tarek Mohamad das Fass zum Überlaufen gebracht. Selbstverständlich sind alle Anschläge abscheulich und widerwärtig. Aber gerade die Tatsache, dass in Manchester erstmals Kinder und Jugendliche die Ziele waren, hat mich persönlich tief erschüttert. Das war für mich noch einmal eine neue Dimension des Schreckens. Das war der letzte Tropfen. Ich bin ja selber Mutter. Tarek und ich wollen diesen Verbrechern endlich auch lautstark zurufen: Hört auf mit dem Morden!
Was erhoffen Sie sich von der Demonstration?
Es geht uns um ein klares Bekenntnis zu unserer offenen und pluralistischen Gesellschaft. Wir haben zunehmend das Gefühl, dass sich unsere Gesellschaft immer weiter spalten lässt durch Extremisten. Dagegen wollen wir ein Zeichen setzen. Wenn wir uns schon – berechtigterweise – darüber beschweren, dass dauernd nur über Muslime statt mit Muslimen gesprochen wird, dann wäre es jetzt mal an der Zeit, deutlich zu zeigen, wo wir denn stehen: nämlich in der Mitte der Gesamtgesellschaft, nicht am Rand. Dazu gehört eine eindeutige Verurteilung des Terrorismus. Es wäre falsch, zu bestreiten, dass es etwas mit dem Islam zu tun hat, wenn sich Menschen in seinem Namen in die Luft sprengen und andere töten. Aber ich spreche den Terroristen trotzdem das Muslimsein ab. Sie haben nichts vom Islam begriffen. Diese Verbrecher gehören geächtet.
Wie ist bisher die Resonanz auf Ihre Initiative?
Unser Unterstützerbündnis ist in seiner Breite gewaltig. Das hätten wir nie zu träumen gewagt. Selbst das Ausland ist inzwischen interessiert. Aber natürlich gibt es auch Menschen und Gruppen, die ein Haar in der Suppe suchen. Das macht es zwar etwas anstrengend, aber das bin ich gewohnt.
Das dürfte auf die Ditib abzielen. Die größte muslimische Organisation in Deutschland hat sich scharf distanziert. Sind sie überrascht?
Die Reaktion des Ditib-Vorstands überrascht mich nicht, aber sie enttäuscht mich. Ich habe mich die gesamte vergangene Woche im telefonischen Kontakt zum Ditib-Vorstand gestanden. Am Anfang wurde mir signalisiert, dass er wirklich über eine Unterstützung nachdenkt. Jetzt hat er sich mit einer wüsten Erklärung dagegen entschieden. Das ist schon bitter – vor allem allerdings für den Ditib-Vorstand. Da wurde eine Riesenchance vertan. Wir wenden uns nun aber an jedes einzelne Mitglied mit unserem Aufruf. Ich weiß, dass viele Ditib-Mitglieder am Samstag trotzdem kommen wollen, egal was ihre Spitze da sagt. Selbst der Generalsekretär der Ditib, Bekir Alboga, hatte öffentlich schon Sympathie für unser Anliegen bekundet.
Die Ditib kritisiert unter anderem, es sei den fastenden Muslimen nicht zumutbar ist, stundenlang in der prallen Mittagssonne zu marschieren. Ist das nicht ein berechtigter Einwand?
Nein, überhaupt nicht. Der heilige Monat des Ramadan ist nicht dafür da, um uns zurückzulehnen und auszuruhen. Wer glaubt, beim Ramadan ginge es darum, nichts mehr zu tun, hat irgendetwas falsch verstanden. Das ist absurd. Das Argument lasse ich nicht gelten. Außerdem: bei wie viel Grad Tagestemperatur fastet man in wohl Mekka?
Mit wie vielen Teilnehmerinnen und Teilnehmern rechnen Sie?
Ich habe keine Ahnung, wie viele es werden. Ich habe so etwas noch nie organisiert. Wir hoffen auf Tausende. Dieses Zeichen ist so wichtig.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Polarisierung im Wahlkampf
„Gut“ und „böse“ sind frei erfunden
Werben um Wechselwähler*innen
Grüne entdecken Gefahr von Links
Nach Absage für Albanese
Die Falsche im Visier
Wahlverhalten junger Menschen
Misstrauensvotum gegen die Alten
Soziologische Wahlforschung
Wie schwarz werden die grünen Milieus?
Donald Trump zu Ukraine
Trump bezeichnet Selenskyj als Diktator