Islamistische Rebellen: Afrikas neueste Gotteskriegsfront

In Kamerun treffen muslimische Untergrundkämpfer aus Nigeria auf muslimische Rebellen aus Zentralafrika. Sie erweitern ihren Krieg über die Grenzen.

Am Ort des jüngsten Boko-Haram-Anschlags in Nigerias Hauptstadt Abuja, 2. Mai. Bild: reuters

BERLIN taz | Der Überfall kam tief in der Nacht. Zwanzig Minuten lang, so kamerunische Medien, hagelte es in der Nacht zu Montag Maschinengewehrfeuer auf den Gendarmerieposten der Stadt Kousseri im Norden Kameruns. Zwei kamerunische Gendarmen starben; schließlich machten sich die dreißig Angreifer mit einem aus der Haft befreiten Gefangenen und seinen Zellengenossen davon.

Den Angriff schreiben alle Beobachter der islamistischen Rebellengruppe Boko Haram aus Nigeria zu. Er illustriert, dass der Krieg der nigerianischen Islamisten längst die Grenze überschritten hat. Die Verstecke der Untergrundkämpfer in dichten Waldgebieten an der nigerianisch-kamerunischen Grenze sind aber offenbar gegenüber Angriffen von außen bis jetzt sicher. Mehrfach sind in den vergangenen Jahren westliche Geiseln der Islamisten in dieser Grenzregion festgehalten worden. Dort sollen sich jetzt auch die rund 230 Mitte April verschleppten nigerianischen Schulmädchen befinden.

Kousseri liegt am Grenzfluss Chari direkt gegenüber Tschads Hauptstadt N’Djamena. Tschad ist der führende afrikanische Alliierte Frankreichs beim Krieg gegen bewaffnete Islamisten in Mali, die als mit Boko Haram verbündet gelten. Ein islamistischer Angriff auf Kousseri ist auch eine Warnung an Tschads Regierung. Seit Montag ist die Grenze geschlossen, das Militär in Alarmbereitschaft.

Aus kamerunischer Sicht zeigt der Angriff aber auch, dass die Konflikte in den beiden Nachbarstaaten Nigeria und Zentralafrikanische Republik im Begriff sind, beide gleichzeitig auf Kamerun überzugreifen. Mit möglicherweise fatalen Folgen: Nach der brutalen Vertreibung fast aller Muslime aus der Zentralafrikanischen Republik Richtung Tschad könnten versprengte Kämpfer der muslimischen Seleka-Rebellen Zentralafrikas bei den Nigerianern Boko Haram neue Freunde finden.

Französische Luftangriffe

Frankreich ist die führende militärische Interventionsmacht nicht nur gegen Islamisten in Mali, sondern auch gegen Seleka in der Zentralafrikanischen Republik. Ohne das französische Eingreifen wären Zentralafrikas antimuslimische Anti-Balaka-Milizen nie so stark geworden, dass sie Hunderttausende Muslime hätten verjagen können. Militärischen Nachschub bekommen die Anti-Balaka-Milizen vor allem aus Kamerun, zugleich Führungsnation der afrikanischen Zentralafrika-Eingreiftruppe Misca.

Kein Wunder, dass jetzt Seleka-Kämpfer sowohl gegen Frankreich als auch gegen Kamerun zuschlagen. Mindestens 75 Menschen sind nach Misca-Angaben seit dem vorletzten Wochenende im Nordwesten der Zentralafrikanischen Republik durch Seleka-Angriffe ums Leben gekommen; es seien Dutzende Dörfer angezündet worden, hieß es. Nachdem auch ein französischer Militärposten angegriffen wurde, flog Frankreichs Luftwaffe am Montag von Basen im Tschad aus Luftangriffe auf Seleka-Stellungen im Nordwesten der Zentralafrikanischen Republik.

Schon am 3. Mai überschritt eine Gruppe von Bewaffneten die zentralafrikanische Grenze nach Kamerun und griff den Ort Garoua-Boulai an. Die nach kamerunischen Berichten Arabisch sprechenden Angreifer nahmen im nahen Dorf Yokoshire 18 Geiseln und forderten die Freilassung des in Kamerun inhaftierten zentralafrikanischen Rebellenführers Abdoulaye Miskine, Chef einer Seleka-Fraktion.

Nun mehren sich in Kamerun Appelle zur nationalen Einheit und zur Wachsamkeit. Derweil gehen die Kämpfe in Zentralafrika und in Nigeria unvermindert weiter. Am Montag überfiel Boko Haram im Nordosten Nigerias die grenznahe Kleinstadt Gamboru Ngara – „an Bord von Panzerfahrzeugen“, wie ein Augenzeuge gegenüber Journalisten berichtete. „Es ist niemand mehr in der Stadt außer den Leuten von Boko Haram. Die gesamte Bevölkerung ist nach Kamerun geflohen, und wer nicht geflohen ist, ist vermutlich tot.“

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