Islamist und früherer Neonazi: Haftstrafe für Bombenbau
Nordheimer Islamist Sascha L. wird wegen Anschlagsplänen gegen Polizisten verurteilt. Um des Islam willen hätte er seine eigene Mutter getötet.
Damit bleibt das Gericht knapp unter der Forderung der Generalstaatsanwaltschaft Celle, die vergangene Woche eine Haftstrafe von drei Jahren und neun Monaten verlangt hat. Der Verteidiger hat in seinem Plädoyer keinen konkreten Antrag gestellt, das geforderte Strafmaß aber als deutlich zu hoch bezeichnet.
Wie zuvor schon die Anklagebehörde, wertet auch das Gericht das Geständnis von L. als strafmildernd. Der 27-Jährige hatte bereits in seiner polizeilichen Vernehmung und noch einmal zu Beginn des Verfahrens die gegen ihn erhobenen Vorwürfe im Kern bestätigt. Demnach hatte er sich Material zur Herstellung eines fernzündbaren Sprengsatzes verschafft, einen solchen Sprengsatz hergestellt und auch schon getestet. Nach verübtem Attentat wollte L. Videos veröffentlichen, die ihn bei der Ableistung des Treueschwurs auf Abu Bakr al-Baghdadi zeigen, den Anführer des „Islamischen Staates“ (IS).
L. war im Februar in seiner Wohnung im südniedersächsischen Northeim festgenommen worden. Dabei fanden die Ermittler einen Fernzünder, abgesägte Pfandflaschen, hochexplosives Acetonperoxid, Böller, aus denen das Schwarzpulver herausgekratzt worden war, und eine Anleitung zum Bombenbauen. Zu diesem Zeitpunkt habe er die Anschlagspläne aber schon gar nicht mehr verfolgt, sagte L. Im Zuge der Vorbereitungen sei ihm klar geworden, dass sein Vorhaben unsinnig sei.
Islamisten und Rechtsextremisten hassen den Westen. Sie sind gegen die Emanzipation der Frau und die Ehe für alle. Sie verachten die Demokratie, den Liberalismus, den Individualismus.
Für ein autoritäres System treten beide Gruppen ein und verbreiten Verschwörungstheorien. Gemeinsame Feindbilder sind Israel, „die Juden“ und die USA. Der Holocaust wird in seiner Bedeutung relativiert oder gänzlich bestritten.
Auch die Methoden werden kopiert. Der islamistische Terror fand sein Pendant in dem islamfeindlichen norwegischen Massenmörder Anders Behring Breivik. In Charlottesville im US-Bundesstaat Virginia raste ein weißer Rassist absichtlich mit einem Auto in eine Menschenmenge, um so viele Gegendemonstranten wie möglich zu töten.
Gleichzeitig mobilisieren Rechtsextreme gegen den Islamismus und den Islam, die sie unterschiedslos als Quelle des Terrors darstellen.
Das glaubte ihm das Gericht allerdings nicht. Es hielt dagegen, dass L. in seiner Gefängniszelle eine selbstgemalte Flagge der Terrormiliz Islamischer Staat hängen hatte. Gegenüber seiner Mutter habe er erklärt, dass er im Kriegsfall auch sie töten würde, weil der Islam über allem stehe.
2014 war L. zum Islam konvertiert, er sympathisierte im Internet offen mit dem IS. In seinem Geständnis sagte er aus, dass bei einer früheren Hausdurchsuchung sein Computer beschlagnahmt worden sei. Später habe er zudem wegen eines im Internet geposteten Videos eine Geldstrafe zahlen sollen. Diese „Ungerechtigkeiten“ sowie ein ähnliches Vorgehen gegen andere Muslime hätten ihn zu seinen Anschlagsplänen motiviert. Direkte Verbindungen zum Islamischen Staat konnten L. im Prozess nicht nachgewiesen werden.
Vor seiner Zeit als Islamist warnte Sascha L. vor dem „schleichenden Volkstod“ sowie vor Muslimen, die in Deutschland „die Scharia durchziehen“ wollten. „Ich bin gegen Demokratie, ganz klar Nationalsozialismus“, erklärte L. 2013.
Neben Sascha L. sitzen drei weitere Männer auf der Anklagebank. Ein 27-jähriger Afghane und ein 28 Jahre alter Türke haben dem Gericht zufolge die Anschlagspläne gebilligt. Der eine, der L. wohl auch Geld überwiesen hat, wird wegen Beihilfe zu einer dreijährigen Bewährungsstrafe verurteilt, der andere muss 100 Stunden gemeinnützige Arbeit verrichten. Der dritte wird freigesprochen, er hatte ausgesagt, dass er mit dem Islam nichts zu tun haben wolle. Er sei überzeugter Nationalsozialist.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Haftbefehl gegen Netanjahu
Sollte die deutsche Polizei Netanjahu verhaften?
Sourani über das Recht der Palästinenser
„Die deutsche Position ist so hässlich und schockierend“
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
Deutscher Arbeitsmarkt
Zuwanderung ist unausweichlich
Deutschland braucht Zuwanderung
Bitte kommt alle!
Netzgebühren für Unternehmen
Habeck will Stromkosten senken