Iris Spranger und die Fußball-EM 2024: Richtig gut zufrieden mit Berlin
Die Austragung von sechs Spielen der Fußball-EM 2024 kostet Berlin voraussichtlich 82 Millionen Euro – über ein Drittel mehr als ursprünglich geplant.
Das Ergebnis des Tiefeinsteigens in die Zahlenwerke kursiert bereits seit mehreren Tagen. Nun hat es Spranger auch offiziell bestätigt: Die Männerfußball-EM im Juni und Juli kommenden Jahres wird Berlin wesentlich teurer zu stehen kommen als ursprünglich gedacht. Hatte man vor gut einem Jahr noch mit Gesamtkosten in Höhe von 61,1 Millionen Euro gerechnet, geht die Sportverwaltung inzwischen von rund 82 Millionen Euro aus – eine Steigerung von über einem Drittel.
Spranger sagt, sie habe erst im Frühjahr bei einer Überprüfung der alten Kalkulationen festgestellt, dass die bisherigen Daten zum Teil vorn und hinten nicht stimmten. Und dabei sei es auch, aber nicht nur um die allgemeinen Kostensteigerungen gegangen. „Im Zuge der Prüfung haben sich mir weitgehende Probleme offenbart“, sagt die Innen- und Sportsenatorin. Denn viele Faktoren seien „bei den bisherigen Planungen nicht berücksichtigt worden“.
Allein die veranschlagten Ausgaben für den europameisterschaftlichen Umbau des Olympiastadions: Die Kosten für die Toiletten etwa – zu knapp kalkuliert, oder die Kosten für Rollstuhlplätze – gar nicht vorhanden. Die Liste ist lang, sagt Spranger: „Ich kann Ihnen gar nicht sagen, was wir für Tabellen durchgearbeitet haben.“
Kein Kommentar zum Rauswurf der Sport-Staatssekretärin
Offen lässt Spranger auch am Freitag, ob sie aus Ärger über die schlampigen Kostenaufstellungen für die Fußball-EM vor einer Woche ihre Sport-Staatssekretärin Nicola Böcker-Giannini gefeuert hat, wie öffentlich kolportiert wird. „Natürlich werde ich auch weiterhin zum Schutz der Persönlichkeitsrechte von Frau Böcker-Giannini nichts zum Grund der Entlassung sagen“, sagt Spranger auf eine entsprechende Nachfrage der Grünen-Abgeordneten Klara Schedlich – um sich dann wieder ausgiebigst den Zahlen und Daten zur Fußball-EM zu widmen.
Die Senatorin gibt sich in dieser Hinsicht zuversichtlich, „dass wir da jetzt etwas aufgestellt haben, was richtig gut funktioniert“. Auch die Vertreter:innen der UEFA seien – anders als zuvor – „richtig gut zufrieden mit uns“. Alles habe man bis ins Detail durchgesprochen. Auch weitere Preissteigerungen seien nicht zu erwarten. Mit der nun veranschlagten Gesamtsumme werde man, so Spranger, „auskommen“.
Überhaupt gelte es genauso den „Riesenmehrwert für die Stadt“ zu sehen, den das sportliche Großereignis mit sich bringen werde. Spranger verspricht dann auch „unvergessliche Momente für unser Berlin“.
Tatsächlich ist die Hauptstadt zwar nur einer von zehn Austragungsorten mit nur 6 von 51 Spielen, dafür soll das Finale im Olympiastadion stattfinden. Die Innen- und Sportsenatorin geht dabei optimistisch von 2,5 Millionen zusätzlichen Gästen aus, wobei jedes der sechs EM-Spiele in Berlin eine Wertschöpfung von jeweils rund 52 Millionen Euro bringen werde. „Wir sprechen hier über die drittgrößte Weltveranstaltung“, sagt Spranger.
Das Tor vor dem Tor
Dazu gehört auch, dass nach dem Willen des Senats hübsche Bilder von Berlin in alle Welt gesendet werden. Deshalb soll die Fußball-EM in Berlin ein „großes Festival“ werden, das sich vor allem auf dem Platz der Republik am Reichstag, der Straße des 17. Juni und nicht zuletzt dem Brandenburger Tor abspiele.
„Es ist eine Auflage der UEFA, ein sogenanntes Spectacular zu liefern“, sagt Moritz van Dülmen, Geschäftsführer der landeseigenen Agentur Kulturprojekte Berlin, die mit den hauptstädtischen EM-Planungen für „ein umfangreiches, partizipatives Programm von Fanmeile bis Eröffnungskonzert“ betraut wurde.
In diesem Zusammenhang will man das Brandenburger Tor in „das größte Fußballtor der Welt“ verwandeln. Das direkt vor das über 20 Meter hohe preußische Triumphtor zu stellende noch größere Mega-Fußballtor soll zugleich die Leinwand sein, auf der die Spiele übertragen werden. Dieses Spectacular samt Fanmeile will Kulturprojekte Berlin im Idealfall über Sponsoren refinanzieren, so van Dülmen.
Der Tagesspiegel berichtete zuletzt, dass Innen- und Sportsenatorin Spranger für die Berlin-Inszenierung im Sommer 2024 insbesondere auf das Tor vor dem Tor bestanden habe. „Iris träumte davon, auf das Cover des Time Magazine zu kommen“, wurde ein „Parteifreund“ zitiert.
Alles nicht wahr, heißt es nun von Spranger selbst zur großen Torvision. „Das war natürlich nicht meine Idee“, sagt sie. Und dann noch einmal deutlicher: „Nicht Frau Spranger hat darauf bestanden, sondern es wurde Frau Spranger als der Sportsenatorin präsentiert.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ungerechtigkeit in Deutschland
Her mit dem schönen Leben!
Verkauf von E-Autos
Die Antriebswende braucht mehr Schwung
Warnstreiks bei VW
Der Vorstand ist schuld
Zuschuss zum Führerschein?
Wenn Freiheit vier Räder braucht
Neuer Generalsekretär
Stures Weiter-so bei der FDP
Die HTS in Syrien
Vom Islamismus zur führenden Rebellengruppe