Irans Verbündete: „Achse des Widerstands“ zögerlich
Die Hisbollah hält das Waffenstillstandsabkommen mit Israel ein. Die Huthis feuern Raketen ab, sind aber tendenziell orientierungslos.

Viel weiter südlich, im Jemen, befindet sich die Miliz Ansar Allah, meist Huthis genannt. Und im nördlich gelegenen Syrien regierte bis Dezember 2024 Baschar al-Assad, Verbündeter Teherans. Das Regime Assads ist gefallen, die neuen Machthaber stehen den arabischen Golfstaaten viel näher als dem Iran. Ein Element der Achse hat die Islamische Republik damit wohl unwiederbringlich verloren. Doch warum steigen die Hisbollah bislang gar nicht und die Huthis nur in geringem Umfang in den Krieg zwischen Iran und Israel ein?
Im Libanon sind es anstrengende Tage für Präsident Joseph Aoun. Er arbeitet diplomatisch auf Hochtouren, damit der Libanon nicht erneut in einen Krieg mit Israel hineingezogen wird. Aoun ist Wächter über das Waffenstillstandsabkommen zwischen Libanon und Israel, das seit dem 27. November 2024 gilt. Seitdem hat die Hisbollah keine Raketen mehr in Richtung Israel abgefeuert, Aoun bemüht sich, dass das so bleibt.
Derweil greift Israel weiterhin im Südlibanon und auch im Süden der Hauptstadt Beirut an. Mindestens 176 Menschen wurden so getötet, zählt die libanesische Zeitung L’Orient-Le Jour. Lokalen Medien zufolge kann Aoun auf indirekte Zusagen der Hisbollah zählen, das Waffenstillstandsabkommen einzuhalten. Der Hisbollah-Abgeordnete Ali Fadlallah betonte am Samstag, der Iran wisse schon selbst, „sich zu verteidigen“. Ein Parteifunktionär erklärte L’Orient-Le Jour, die Hisbollah stimme ihre Aktionen mit der Armee und dem Präsidenten ab. Hisbollah-Chef Naim Kassem hat die israelischen Angriffe bisher nur verurteilt.
Machtunterschiede in der Kriegsführung
Darüber hinaus: Israels Militär hat die Führungsriege der Hisbollah getötet, allen voran ihren ehemaligen Chef Hassan Nasrallah im vergangenen September. Es hat viele Waffenlager zerstört, durch Angriffe auf die Finanzorganisation Qard-al Hassan die monetäre Infrastruktur der Organisation geschwächt und durch völkerrechtswidrige Explosionen von Pagern und Walkie-Talkies die interne Kommunikation gestört. Der jüngste Krieg hat die fragile interne Sicherheitsstruktur der Hisbollah offengelegt – auch Infiltration innerhalb der eigenen Reihen. Und mit dem Sturz des Assad-Regimes in Syrien ist der Landweg für Waffenlieferungen aus dem Iran an die Hisbollah gekappt.
Der jüngste Krieg hat außerdem die Machtunterschiede in der Kriegsführung zwischen Israel und der „Achse des Widerstands“ deutlich gemacht: Israel ist mit moderner Technik hochgerüstet, dem gegenüber stehen die nichtstaatlichen Milizen mit Guerilla-Methoden und Raketen, die ungenau treffen. Das ist auch der Hisbollah wohl bewusst.
Sie könnte es dem Iran auch übel nehmen, dass er ihr nicht stärker zur Seite gesprungen ist, als Israel im vergangenen Herbst gegen sie vorging. Und das Bild, dass die Mitglieder der „Achse des Widerstands“ vom Iran kontrollierte Stellvertreter seien, sei schon immer falsch gewesen, sagt der Militäranalyst Andreas Krieg vom King’s College in London: „Es ist eher ein loses Netzwerk, in dem jeder weitgehend mit seinem eigenen Überleben beschäftigt ist.“
Die Milizen im Irak verfahren ähnlich wie die Hisbollah: Bislang bleiben ihre Stellungnahmen verhalten. Und nach einem massiven Drohnenangriff auf im Irak stationierte US-amerikanische Soldaten im vergangenen Jahr wurden sie durch US-Luftangriffe in Schach gehalten.
Bleiben noch die Huthis. Neben der Hisbollah waren sie das stärkste Glied der „Achse des Widerstands“. Und durch deren Zerfall sind sie nun als wohl stärkster aktiver Proxy des Iran in der Region übrig geblieben – und bislang die einzigen, die Iran beisprangen. Am 15. Juni feuerten sie Hyperschallraketen auf Israel ab. Nach Angaben ihres Militärsprechers wurden mehrere Raketen abgefeuert, die genaue Zahl jedoch nicht bekannt gegeben. Eine Rakete landete laut dem Palästinensischen Roten Halbmond im Westjordanland und verletzte drei palästinensische Kinder. Iran hatte die Huthis in der Vergangenheit massiv unterstützt: etwa mit der Lieferung von Waffen oder ihren Bauteilen.
Nun, da die Islamische Republik mit einer Welle israelischer Angriffe auf hochkarätige Kommandeure der Revolutionsgarden und des Militärs zu kämpfen hat, scheint ein Vakuum in der Führungsriege der Sicherheitsstruktur Teherans geschaffen – und damit auch ihre Fähigkeit geschwächt, regionale Verbündete zu lenken. Die Huthis sind dadurch wohl orientierungsloser und zögerlicher geworden.
Israel sorgt für Verunsicherung
Berichten zufolge versuchte außerdem das israelische Militär am 14. Juni den Stabschef der Huthi-Miliz, Generalmajor Mohammed Abdulkarim al-Ghamari, während einer geheimen Kommandositzung in der Stadt Sanaa zu töten. Obwohl er überlebte, markiert die Operation wohl eine Wende in Israels Strategie gegenüber den Huthis: Nachdem es zuvor Flughäfen, Häfen und zivile Infrastruktur ins Visier genommen hatte, scheint es nun in der Lage zu sein, hochrangige Personen der Miliz gezielt zu treffen. Das verunsichert diese. Die Gruppe reagierte mit einer Einschränkung der Bewegungsfreiheit hochrangiger Persönlichkeiten und einer Überarbeitung der Sicherheitsprotokolle.
Schon zuvor waren die Huthis deutlich geschwächt: Eine von den USA angeführte Luftoffensive von Mitte März bis Anfang Mai fügte ihnen erhebliche Verluste zu. Obwohl Washington von einer Kapitulation der Huthis sprach, verlautete aus dem Oman: Man habe ein Waffenstillstandsabkommen ausgehandelt, wonach die Huthis im Gegenzug zu einem Ende der US-Angriffe ihre Angriffe im Roten Meer einstellen würden. Während der Offensive setzten die US-Streitkräfte B-2-Bomber und bunkerbrechende Munition ein, zerstörten Waffenfabriken und unterirdische Lagerstätten und töteten wichtige Feldkommandeure. Die Huthis, deren Struktur der Hisbollah ähnelt, sind stark von solchen einzelnen Kommandeuren abhängig.
Teheran verfolgt seinerseits eine Strategie der kontrollierten Eskalation. Trotz heftiger Rhetorik liefern sich sowohl der Iran als auch Israel weiterhin gegenseitige Abschreckungsschläge, die jedoch von einem allumfassenden Krieg noch entfernt scheinen. Weitete sich der Krieg auch auf den Jemen und die Huthis aus, könnte das noch kostspieliger – und unvorhersehbarer – für Iran werden.
Die Führung der Huthis im Norden des Jemen steht vor einem strategischen Dilemma: Zwar ist ihre ideologische Verbundenheit mit dem Iran nach wie vor stark, doch könnten die Kosten eines offenen Krieges, insbesondere eines Krieges ohne garantiertes Ergebnis, existenzbedrohend sein. Die Gruppe räumt ihrem Überleben Vorrang ein und vermeidet deshalb eine Konfrontation, die zu ihrem Zusammenbruch führen könnte. Gleichzeitig nehmen einige Analysten an, dass der Iran die Huthis für einen größeren regionalen Konflikt – wahrscheinlich in Erwartung einer direkten Beteiligung der USA an dem Krieg – absichtlich schonen könnte.
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