Iran bei der Münchner Sicherheitskonferenz: Exil-Opposition nicht vergessen

Auf der Münchener Sicherheitskonferenz waren Kri­ti­ke­r*in­nen des Irans vertreten. Zeit für Gespräche hatte die deutsche Regierung nicht. Ein Fehler?

Am Münchner Odeonsplatz demonstrieren Menschen mit der Fahne der iranischen Opposition

Am Münchner Odeonsplatz demonstrieren Menschen mit der Fahne der iranischen Opposition Foto: Felix Hörhager/dpa

BERLIN taz | Es war eine Premiere. Zum ersten Mal haben nicht offizielle Delegierte der Islamischen Republik das Land auf der Münchner Sicherheitskonferenz vertreten, sondern drei prominente Ver­tre­te­r:in­nen der exil-iranischen Oppositionsbewegung.

Masih Alinejad, die seit Jahren gegen Zwangsverschleierung kämpft, die Schauspielerin Nazanin Boniadi und der Autor Reza Pahlavi, Sohn des ehemaligen Herrschers des Iran. Die drei sind Teil einer Gruppe von acht Exil-Oppositionellen, die sich Anfang Februar bei einem Treffen in Washington als Zusammenschluss verschiedener oppositioneller Strömungen präsentierten, darunter auch der Vorsitzende der kurdischen Komala-Partei Abdullah Mohtadi und die Friedensnobelpreisträgerin Shirin Ebadi.

Proteste im Iran spielen eine untergeordnete Rolle in Deutschland

Es ist also durchaus als diplomatisches Statement zu werten, dass inmitten der landesweiten Proteste gegen das iranische Regime nicht Vertreter des Regimes in München zu Gast waren, sondern dessen Gegner*innen. Und doch: Ein großes Thema war die Situation im Iran auf der Sicherheitskonferenz nicht. Es gab nur ein einziges Panel zu Thema und auch keine offiziellen Gespräche zwischen den Oppositionellen und westlichen Regierungsvertreter:innen, auch kein Treffen mit der deutschen Regierung.

Das mag auch daran liegen, dass die Opposition im Iran äußerst heterogen ist. Doch das soll sich ändern. Bis Ende Februar will die Gruppe eine Charta mit Werten und Forderungen der iranischen Zivilgesellschaft veröffentlichen. Das Grundsatzpapier soll außerdem darlegen, wie der Übergang zur Demokratie aussehen soll, wenn das Regime gestürzt ist. Damit will die Gruppe zum einen die Opposition im In- und Ausland vereinen; zum anderen soll der internationalen Gemeinschaft signalisiert werden, dass es einen demokratischen Fahrplan gibt – und Ansprechpartner:innen.

Denn auf der politischen Bühne in Deutschland spielen die Proteste im Iran nur noch eine untergeordnete Rolle. Bei einem Dinner am Freitagabend am Rande der Münchner Sicherheitskonferenz erwähnte Außenministerin Annalena Baerbock, Grüne, den feministischen Protest im Iran in ihrer etwa halbstündigen Rede zur Feministischen Außenpolitik nur in Nebensätzen.

Kooperation nach Regimesturz

Auf der Sicherheitskonferenz selbst nutzten die iranischen Ak­ti­vis­t:in­nen das Panel „Woman, Life, Freedom: Visions for Iran“, um die Bedeutung der Protestbewegung deutlich zu machen – nicht nur für die Menschen im Iran, sondern auch für den Westen. Und sie redeten Deutschland und den westlichen Verbünden ins Gewissen und warnten davor, den Iran zu vergessen.

Masih Alinejad verglich die fehlende Reaktion westlicher Staaten auf die Menschenrechtsverletzungen im Iran mit der verfehlten Russland-Politik: „Die westlichen Staaten sagten, Putin ist in Georgien? Wir sind nicht Georgien. Putin ist in Syrien? Wir sind nicht Syrien. Jetzt ist Putin im Herzen Europas.“ Dasselbe werde mit dem iranischen Regime passieren. Wenn der Westen nicht handle, würden die Revolutionsgarden nicht nur die Region destabilisieren, sondern auch die Bevölkerungen in den USA und in Europa gefährden.

Auch Reza Pahlavi versuchte klarzumachen, wie wichtig ein Iran ohne diktatorisches Regime für die internationale Gemeinschaft wäre. Sobald dieses Regime verschwände, würden sofort auch die gesamten Probleme verschwinden, die die iranischen Machthaber in vier Jahrzehnten verursacht hätten: die nukleare Gefahr, der Terrorismus des iranischen Staats und die Unterstützung des Regimes für Russland im Krieg gegen die Ukraine.

In den vergangenen Monaten wurden auch in Deutschland Stimmen laut, die kritisch nach Alternativen zur Islamischen Republik fragten. Die Grüne Europapolitiker Hannah Neumann etwa plädiert dafür, die Kri­ti­ke­r:in­nen des Regimes stärker in den Blick zu nehmen. „Wenn man sagt, dass das iranische Regime die eigenen Leute terrorisiert und ein Problem in der Region ist, dass es Russland Drohnen liefert, um gegen die Ukraine zu kämpfen – dann muss man sich mit der Frage auseinandersetzen, was denn die Alternativen zu diesem Regime sind,“ so Neumann gegenüber der taz. Sie plädiert dafür, sich zumindest anzuhören, „welche Vorstellungen die verschiedenen Ak­teu­r*in­nen in der Opposition – im Land und in der Diaspora – für die Zukunft des Landes haben.“

„Wir müssen sicherstellen, dass wir die Zivilgesellschaft im Iran unterstützen und ermächtigen und das Regime schwächen,“ forderte auch die Menschenrechtsaktivistin Nazanin Boniadi auf der Münchner Sicherheitskonferenz.

Trotzdem scheint das Interesse am Austausch mit jenen Personen, die genau diese Alternativen aufzeigen wollen, nicht allzu groß zu sein. Am Rande der Sicherheitskonferenz in München kam es laut Ned Price, Sprecher des US-amerikanischen Außenministers Antony Blinken, zu einem Treffen der Au­ßen­mi­nis­te­r*in­nen der USA, Frankreichs, Großbritanniens und Deutschlands zur Situation im Iran. Man habe über die nuklearen Bestrebungen und die Beteiligung des iranischen Regimes am russischen Angriffskrieg gesprochen, so Price. Außerdem hätten die Au­ßen­mi­nis­te­r*in­nen ihre „Solidarität mit den Menschen im Iran angesichts der anhaltenden ungeheuerlichen Menschenrechtsverletzungen im Iran“ bekräftigt. Von einem Austausch mit ei­nem*r der in München anwesenden Oppositionsfiguren war allerdings nicht die Rede.

Die sich neu gebildete oppositionelle Vertretung scheint für politische Überlegungen der deutschen und europäischen Iran-Strategie keine Rolle zu spielen. Auf eine Anfrage der taz, ob die Bundesregierung Gespräche mit den genannten Ver­tre­te­r*in­nen plant, gab es von Seiten des Auswärtigen Amtes bis Redaktionsschluss keine Antwort. Der Fokus scheint in den Beziehungen zum Iran wie in den Jahren zuvor auf der nuklearen Frage zu liegen.

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