Interview zur Fastenzeit: „Wir sind keine Kurklinik“
Am Mittwoch beginnt die christliche Fastenzeit. Dabei gehe es nicht um Hungern, sondern um das Nachdenken über Wesentliches, erklärt die evangelische Theologin Eva Harasta.
taz: Frau Harasta, worauf werden Sie in der Fastenzeit verzichten?
Eva Harasta: Ich muss zugeben, dass ich keine Fastende bin, die auf bestimmte Speisen oder Getränke verzichtet. Die Passionszeit, wie man sie im Evangelischen auch nennt, ist eine Art Vorbereitungszeit auf Ostern, auf das Leiden Jesu Christi, und da geht es mehr um das Überprüfen der eigenen Haltungen, um Aufmerksamkeit dafür, was eigentlich wichtig ist.
Über welche Themen reflektieren Sie denn während dieser Zeit, über die Sie sonst nicht nachdenken?
Schauen Sie, man lebt so dahin. Und dabei stellen sich im alltäglichen Leben oft Fragen, die man, also ich meist übergehe, weil ich ganz andere Dinge abarbeiten muss und keine Zeit habe, mich damit zu befassen. Etwa das ganz grundlegende Thema der christlichen Nächstenliebe, also das Nachdenken darüber, welche Haltung ich anderen Menschen gegenüber einnehme. Im religiösen Sinn geht es natürlich auch noch mal um etwas Tieferes, weil die Beziehungen zu anderen Menschen auch widerspiegeln, wie man in der Beziehung zu Gott lebt.
Welchen Ursprung hat das Fasten im Christentum?
Fasten im christlichen Sinn ist eine Bußübung. Es gibt auch biblische Bezüge, etwa die Erzählung von Jesus in der Wüste, in der es heißt, dass er 40 Tage fastete. Der zweite Grund war der Karfreitag als besonderer Gedenktag an das Sterben Jesu, wo man als Trauer und Buße auf Fleisch und anderes verzichtet hat.
Wie funktioniert denn das Fasten in der evangelischen Kirche?
Es gibt die Aktion „7 Wochen Ohne“ und das diesjährige Motto lautet „7 Wochen ohne Kneifen“. Da denkt man vielleicht zuerst ans Zwicken, aber darum geht es nicht, sondern um Zeit für Mut. Also darum, nicht vor einer Entscheidung oder einem offenen Wort zu kneifen. Da liegt das Gewicht wieder auf der Haltung, darauf, darüber nachzudenken, in welchen Situationen man vielleicht ein bisschen mehr Mut haben könnte. Es kann sich aber auch auf alltägliche Gewohnheiten niederschlagen, also etwa auf einen bewussten Umgang mit Essen, mit Konsum. Aber das ist individuell verschieden und da bin ich für die evangelische Freiheit. Es geht jedenfalls nicht darum, dass alle möglichst deckungsgleich auf Schokolade verzichten müssen.
Fasten Am 14. Februar ist in diesem Jahr nicht nur der mittlerweile weithin bekannte Valentinstag, sondern auch Aschermittwoch. Der „Tag der Asche“ markiert nicht nur das Ende von Fasching oder Karneval, sondern auch den Beginn der christlichen Fastenzeit, die vierzig Tage lang bis zum Abend des Gründonnerstags andauert. Darauf folgt dann noch das sogenannte Trauerfasten am Karfreitag, an dem Christen der Kreuzigung Jesu gedenken, und am Karsamstag.
Essen ist in dieser Fastenzeit jedoch keineswegs verboten: Man solle aber „nur eine volle Mahlzeit am Tag und je zwei kleinere Stärkungen zu sich nehmen“, wie die Katholiken empfehlen. Die evangelische Kirche rät in diesem Jahr in ihrer jährlichen Aktion „7 Wochen Ohne“, in der Fastenzeit nicht zu „kneifen“ im Sinne von: sich vor Unangenehmem zu drücken. (taz)
Wird die ursprüngliche Idee des Fastens mit Aktionen wie dieser nicht verwässert?
Es ist eine sehr auf sich bezogene Haltung, die Selbstprüfung des Einzelnen. Aber es gibt in der katholischen Fastenzeit immer den Gedanken „Verzicht und Geben“: also beispielsweise auf den Sonntagsbraten zu verzichten und dann das Geld, das man so spart, für einen wichtigen Zweck zu spenden. Bei „7 Wochen ohne Kneifen“ kommt es darauf an, was, die, die das Motto für sich annehmen, konkret daraus machen. Es ist damit natürlich weniger eine Vorgabe.
Laut einer Online-Umfrage will mindestens jeder zehnte Erwachsene in Deutschland in der Fastenzeit auf etwas verzichten, weitere neun Prozent spielen mit dem Gedanken.
Doch so viele. Das ist ein Fünftel der Leute. Das hätte ich nicht gedacht.
Warum spielt das Fasten bei den Christen hierzulande scheinbar eine geringere Rolle als etwa bei Muslimen das Fasten im Ramadan?
In meiner Arbeit habe ich eher mit stark religiös identifizierten Menschen zu tun, auf beiden Seiten, evangelisch und muslimisch. Und da stimmt dieser Eindruck. Im Islam gibt es eine starke Bindung an die genauen Formen, also daran, im Ramadan tatsächlich nicht zu essen oder zu trinken. Soweit ich das als Evangelische sagen darf, geht es beim islamischen Fastenmonat anders als beim Bußaspekt des christlichen Fastens eher um den Koran, der der Überlieferung gemäß ja während des Ramadan offenbart wurde. Zudem ist der Ramadan als Fastenzeit im Islam besonders wichtig, denn er ist eine der Säulen des Islams.
Eva Harasta
1977 in Wien geboren, studierte evangelische Theologie in Wien, Jerusalem und Heidelberg. Sie arbeitet als Studienleiterin für Theologie und interreligiösen Dialog an der Evangelischen Akademie zu Berlin.
Ist Fasten auch ein Lifestyle-Thema geworden?
Ich würde sagen, dass das Fasten als Lifestyle etwas anderes ist als das Fasten aus religiöser Motivation, weil es da um den Selbstzweck geht. Ich finde das durchaus gut und es ist auch gesund, aber es ist etwas anderes als das religiös motivierte Nachdenken, das sich immer auch auf die Gottesbeziehung bezieht. Aber ich will das nicht verurteilen.
Spielt dieser Lifestyle-Aspekt der Kirche ein wenig in die Hände?
Es könnte sein, dass wir da mit einer christlichen Tradition, die schon drei viertel vergessen ist, noch nachwirken. Und das Echo, das man als Kirche auch wieder aufnehmen kann, warum nicht? Ich finde das gut, solange man mit offenen Karten spielt: Wir sind keine Kurklinik, sondern religiöse Player. Für uns ist mit dem Fasten ein Gedanke an Gott verbunden.
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