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■ Interview mit Birgit Strack, Koordinatorin der Juso-Bundesfrauenkommission und Mitglied der SPD in Düren„Ich bin inzwischen ziemlich frustresistent“

taz: Nicht einmal fünfzehn Prozent der SPD-Mitglieder sind unter 35 Jahre alt. Geht der SPD die Jugend flöten?

Birgit Strack: Die Anzahl der jungen Mitglieder ist in den letzten Jahren gesunken. Eine effektive Arbeit ist deshalb in Kleinstädten und auf dem Land kaum mehr zu organisieren. Politik findet auf Kreis- und Bundesebene oder bei den Jusos statt. Die wenigen jungen Leute sind aber in der Regel besonders engagiert. Doch je weniger junge Mitglieder, desto geringer sind auch ihre Chancen, sich durchzusetzen.

Wie sieht es momentan bei den Jusos aus. Wie aktiv sind die jungen Frauen?

Etwa ein Drittel der aktiven Mitglieder in den Städten sind Frauen. Auf dem Land ist der Anteil geringer. Bei den Jusos gibt es eine sehr strenge Quotierung, so daß wir auf Bundesebene einen Frauenanteil von fünfzig Prozent haben. Zwar sind relativ wenige junge Frauen Mitglieder der SPD, doch das ist kein neues Problem. Es haben sich schon immer weniger Frauen als Männer in der SPD engagiert. Sprunghaft angestiegen ist der Anteil der Frauen Mitte der Achtziger nach der Einführung der Geschlechterquote. An den absoluten Zahlen hat sich aber wohl nichts geändert.

Wer hat die Macht in der Partei?

Die hat die Schröder-Generation, die Achtundsechziger. Die waren 25 oder dreißig, als sie die Partei übernommen haben. Wenn wir uns jetzt beschweren, daß unsere Belange ungenügend berücksichtigt werden, dann müssen wir uns oft anhören: „Na, macht das doch wie wir – wir sind einfach mit dreißig Leuten zur Parteiversammlung hin und hatten damit die Mehrheit.“ Es ist für die Jusos oft einfacher, mit den GenossInnen von der AG sechzig plus zu reden, als mit den Vierzig-, Fünfzigjährigen, die sich für jung gebliebenen halten und für alle Fälle gute Tips parat haben.

Was sind Ihrer Ansicht nach Motive für junge Frauen, in der SPD mitzuarbeiten?

Die Unzufriedenheit mit den derzeitigen politischen Zuständen und das Verlangen, etwas zu bewegen, ist wichtiger als das SPD-Parteiprogramm. Und die wenigsten wollen ausschließlich Frauenpolitik machen. Ganz im Gegensatz zu früher, als viele über die Frauenbewegung zur SPD gekommen sind.

Viele kommen heute erst gar nicht auf die Idee, in Parteien einzutreten.

Ja, das Interesse nimmt allgemein ab. Frust und Ernüchterung spielen auch innerhalb der Partei eine große Rolle. Viele, die mit achtzehn eintreten und stark engagiert sind, schmeißen mit Ende Zwanzig das Handtuch. Familiengründung ist ein Motiv. Aber die Hälfte resigniert, weil sich so wenig bewegen läßt.

Wie kommt es zu dieser Frustration?

Beispielsweise bin ich oft auf Sitzungen, bei denen erst stundenlang über Formalien diskutiert oder Wahlen durchgeführt werden. Es wird nichts Konkretes beraten. Besonders auf kommunaler Ebene werden kaum Entscheidungen getroffen. Die finden meist in den Fraktionen oder Räten statt. Bis man da aber reinkommt, muß man einen langen Atem haben. Ich mache das jetzt seit elf Jahren und bin inzwischen ziemlich frustresistent. Aber man muß die Politik schon sehr wichtig nehmen, um durchzuhalten. Man muß irrsinnig viel Zeit reinstecken. Zwanzig Stunden die Woche und auch Wochenendarbeit sind normal. Es gibt unzählige Veranstaltungen, an denen man nur teilnimmt, um mitzukriegen, wann die wirklich wichtigen Gespräche stattfinden oder Entscheidungen getroffen werden. Das gerät dann zur 24-Stunden-Bereitschaft. Nachts um halb eins rufen manchmal noch Leute an, um irgendeine banale Sache zu klären. Es bleibt also kaum Freizeit, und man kann schlecht sagen, jetzt aber bitte keine Politik.

Sehen das Männer anders?

Für viele Männer ist Vollzeitpolitik Lebensinhalt und erwarten, daß das bei allen anderen auch so ist. Die kommen gar nicht auf die Idee, daß noch etwas außer Politik eine Rolle spielen kann. Vor allem wenn es um Macht und Ämter geht. An dem Stil wie Politik gemacht wird, hat sich seit zwanzig Jahren nichts geändert. Aus der Frauenperspektive sind diese Standards inhuman.

In den Papieren zum Juso-Bundeskongreß wird der Begriff „Doppelter Lebensentwurf“ diskutiert. Was ist das?

Unser Frauennetzwerk fordert, daß Berufs- und Privatleben gleichberechtigt nebeneinander stehen. Also neben dem Engagement für die Partei sollte auch für Familie und Freunde Zeit bleiben.

Wie wirkt sich dieser Anspruch aus?

Als erster Schritt muß die Parteiarbeit professioneller und effektiver werden. Es soll in themenorientierten Workshops oder projektbezogen gearbeitet werden. Im Bezirk Niederrhein etwa wurden Parteimitglieder zum Moderationstraining geschickt. Diese ModeratorInnen werden dann an andere Bezirke ausgeliehen. Es gibt mittlerweile spezielle Seminare für Frauen – etwa Politikmanagement, Organisationsmanagement oder Rhetorik. Den Frauen soll Mut gemacht werden, aktiv zu werden.

Welche Probleme haben SPD-Einsteigerinnen?

Das Interesse der Neuen ist meist weit gefächert. Sie treten selbstbewußt auf, scheitern aber oft an einem irrsinnigen Selbstanspruch. Sie hinterfragen viel kritischer ihre Qualifikationen und Ziele, als Männer es tun. Im direkten Vergleich bei Kandidaturen stehen die Frauen oft besser da. Problematisch ist auch die Frage der Öffentlichkeit. Parteiversammlungen finden oft an Orten statt, wo Frauen sich nicht aufhalten, etwa sonntagvormittags in der Kneipe. Außerdem wird man als Frau von Männern gar nicht als potentielles Mitglied gesehen, sondern viel eher werben Männer andere Männer an. Ich hoffe also, daß in Zukunft Frauen Frauen öfter ansprechen. Allein darauf zu warten, daß die Männer sich ändern, ist hoffnungslos. Interview: Antje Heinrich

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