Interne EU-Bilanz zu Vorratsdaten: Wenig Nutzen für die Sicherheit
Ein internes EU-Papier bemängelt schwerwiegende Schwächen der Vorratsdatenspeicherung. Es gebe nur wenig Belege aus den Ländern für die Nützlichkeit der Daten.
BERLIN taz | Innerhalb der EU gibt es offenbar erhebliche Zweifel an der Nützlichkeit der Vorratsdatenspeicherung. Das geht aus einem internen Papier hervor, das seit mehreren Tagen auf der Website der Datenschutzinitiative Quintessenz abrufbar ist. Demnach haben nur 11 der 27 Mitgliedsländer Daten geliefert, die den Nutzen von Vorratsdaten in konkreten Fällen belegen können.
Das vertrauliche Papier ist von der Abteilung für Justizkooperationen des Rats-Sekretariats erstellt worden und fasst die Ergebnisse der Beratungen der EU-Kommission mit Regierungen und Behörden in den Mitgliedsländern zusammen. In weiteren Punkten kritisieren die Autoren, dass die Umsetzung der Vorratsdatenspeicherung in vielen Ländern Telekomfirmen, Datenschützer wie Bürger verwirre. Auch sei die Anwendung nicht mehr nur auf Terrorismus und schwere Kriminalität beschränkt.
"Klarer als in diesem Dokument lässt sich das faktische Scheitern der Vorratsdatenspeicherung nicht belegen", sagt Michael Ebeling von Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung (AK Vorrat). "Diese Maßnahme ist in ihrer technischen und bürokratischen Umsetzung misslungen." Der Arbeitskreis kritisiert die Vorratsdatenspeicherung grundsätzlich, da dabei auch die Daten von unverdächtigen Bürgern aufgezeichnet werden. "Es gibt gute Gründe dafür, dass unbescholtene Menschen nicht ins Visier der Ermittler geraten", sagte Ebeling taz.de.
Irreführende und nicht verwertbare Belege
In deutlichen Worten kritisiert das Papier des EU-Ministerrats die Meldungen aus den EU-Ländern. Es gebe wenige Hinweise "für den Wert der Vorratsdatenspeicherung in Bezug auf die öffentliche Sicherheit und Strafjustiz". Die Belege der EU-Mitgliedsstaaten bestünden zumeist aus Aussagen, dass die Daten wichtig sein, seltener werde diese Wichtigkeit auch demonstriert. An späterer Stelle berichten die Autoren, dass in mindestens drei Staaten, die gemeldeten Daten nicht verwertbar oder irreführend gewesen seien.
Die EU-Richtlinie über die Vorratsdatenspeicherung wurde 2006 eingeführt und sollte die Speicherung von Verbindungsdaten in der Union vereinheitlichen. Sie verpflichtete die EU-Länder dazu, die Daten mindestens sechs Monate und höchstens zwei Jahre auf Vorrat zu speichern. Ob ein Verdacht gegen die Nutzer, dessen Daten gespeichert werden sollen, vorliegt, ist nicht relevant. Die Daten dürfen laut Richtlinie nur zur Verfolgung von Terrorismus und schweren Straftaten eingesetzt werden – allerdings gibt es keine EU-weite Definition von schweren Straftaten.
Nicht nur Terrorismus
Auf dieses Problem weisen auch die Autoren des EU-Papieres hin. Es sei bedenklich, dass Vorratsdaten in mehreren Ländern nicht zweckgebunden erhoben und deshalb nicht nur für Terrorismus oder schwere Verbrechen genutzt würden. Zudem gebe es häufig keinen Standard für die Abfrage der Daten, so dass viele Firmen nicht wüssten, welche Behörden berechtigt seien, Daten abzufragen. Ebenso wüssten in vielen Fällen Datenschutzbeauftragte und auch Bürger nicht, wessen Daten zu welchen Zweck abgerufen werden.
Unklar bleiben die Schlüsse, die aus diesen Feststellungen gezogen werden. Während einerseits zwei Studien in Auftrag gegeben wurden, die auch alternative Formen der Datenspeicherung betrachten sollen, schlägt das EU-Ratssekretariat in seinem Papier mehrere Fragen vor, die nun diskutiert werden sollten. Darunter auch die Frage, "wie die Vorzüge der Vorratsdatenspeicherung allgemein und der EU-Richtlinie im Speziellen effektiv demonstriert werden" könnten. Das provoziert beim AK Vorrat Spott. Offenbar falle es selbst der EU schwer, sagt Ebeling, sechs Jahre nach Einführung des Gesetzes, dessen Sinn zu begründen.
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