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Internationale Presse zu Berliner AnschlagDie Belagerung der alten Welt

Die weltweite Berichterstattung zum Attentat auf dem Breitscheidplatz reicht von Anteilnahme über Hysterie bis zu besonnener Übersichtlichkeit. Ein Überblick.

Von überall her kommen Bekundungen der Anteilnahme Foto: dpa

Die internationale Presse reagiert betroffen auf den Anschlag in Berlin. Noch ist der Täter nicht gefunden und die Motivation für den Anschlag unklar, doch es herrscht der Tenor vor, Dschihadisten hätten ihre Kriegsfront in den Westen verlagert. Viele Zeitungen bewerten Angela Merkels Position als geschwächt, sie sehen sie bei der Bundestagswahl mit ernsthaften Problemen konfrontiert. Die Vereinnahmung des Anschlags durch AfD und Rechtspopulisten sei nur eines dieser Probleme.

Sensationsheischend bezeichnet die rumänische Tageszeitung Evenimentul Zilei die Tat als „blutigen Stempel auf einem katastrophalen Jahr“. In der Beschreibung der Terroristen vergreift sie sich völlig im Ton: Sie sind für sie die „Spitzbuben aus dem Orient“.

Doch es gibt auch besonnene Stimmen wie die britische Financial Times, die davor warnt, den Ausnahmezustand auszurufen und sich dafür stark macht, Integrationsbemühungen zu verstärken. Die slowakische Pravda merkt an, dass Anschläge in Bagdad und anderen Städten vieler Länder alltäglich seien, gemeinsam sei ihnen das Sterben ahnungsloser Unschuldiger.

New York Times: „Die populistische Rechte hat keine Zeit darauf verschwendet, Fakten über die Identität des Attentäters von Berlin oder ein Motiv abzuwarten, um Kanzlerin Angela Merkel für ihre menschliche Asylpolitik scharf zu kritisieren und die eigene fremdenfeindliche Agenda zu pushen. Diese gefährliche – wenn auch vorhersehbare – Reaktion spielt direkt in die Hände des Islamischen Staats, der nichts mehr will, als einen Krieg zwischen Christen und Muslimen in Europa zu beginnen. (…) Mit jedem neuen Anschlag, ob auf einen Weihnachtsmarkt oder eine Moschee, wird die Herausforderung für Europa schwieriger, Toleranz, Inklusion, Gleichheit und Vernunft zu verteidigen.“

Der Standard (Österreich): „Viel schwieriger wird für Merkel die Frage sein, ob sie ihre eigenen Truppen angesichts des schrecklichen Ereignisses bei der Stange halten kann. Seit langem schon gärt es auch in der Union, die Konservativen ballen die Faust in der Hosentasche. So mancher wird jetzt eine Gelegenheit sehen, sich nicht so sehr gegen die AfD zu stellen, sondern lieber ein paar ihrer Forderungen zu übernehmen.“

Corriere della Sera (Italien): „Zur Diskussion steht die Stabilität Deutschlands. Vielleicht noch mehr die von Europa. Der Terrorangriff von Montagabend auf dem Weihnachtsmarkt im Zentrum von Westberlin zielt darauf ab, den Sieg Angela Merkels bei den Wahlen kommenden Herbst weniger sicher zu machen, die deutsche Politik in gewisser Hinsicht ins Wanken zu bringen. (…) Merkel ist heute verwundbarer. (…) Auch in Europa ist die Position von Frau Merkel geschwächt.

Financial Times (Großbritannien): „Es wäre unklug, wenn die deutsche Regierung nun auf jeden Anschlag mit der Ausrufung des Kriegs- oder Ausnahmezustands reagieren würde, wie das in Frankreich geschah. Damit wäre das Risiko verbunden, die Erwartung eines definitiven Sieges (über den Terrorismus) zu wecken, den es niemals geben wird. Ebenso unklug sind symbolische Beschränkungen der Freiheit – etwa ein Burkaverbot –, die das Image eines scheinheiligen illiberalen Westens verfestigen, der den Islam attackiert statt den islamischen Terrorismus zu bekämpfen. Deutschland muss seine Bemühungen um Integration fortsetzen.

Moskowski Komsomolez (Russland): „Eine Tragödie nach der anderen bricht über die Welt herein, und man kommt nicht damit nach, sie zu verstehen und zu verarbeiten.“

Evenimentul Zilei (Rumänien): „Die terroristischen Angriffe in Ankara und Berlin fassen das Jahr 2016 perfekt zusammen: ein blutiger Stempel auf einem weiteren, für die westliche Zivilisation, so wie wir sie kennen, katastrophalen Jahr. (…) Ist der Westen unübertroffen in der Produktion von ideologischem Unsinn, so ist er geradezu kaputt, wenn es um Verteidigung geht. Die Terroristen, die Spitzbuben aus dem Orient, haben die arrogante Dummheit der (westlichen) Behörden schnell begriffen und machen sich diese ungestört zunutze.“

La Vanguardia (Spanien): „Die fanatischen Dschihadisten haben die Kriegsfront zum Teil in die Alte Welt verlagert. Das Null-Risiko existiert nicht. Und man kann nicht behaupten, dass es keine Anschläge mehr geben wird, wenn man die Flüchtlinge in die Heimat zurückschickt. Der Islamische Staat kann sein Gift unter den jüngst eingetroffenen Flüchtlingen, aber auch unter in Deutschland oder in anderen Ländern Europas geborenen Menschen verbreiten.“

Magyar Idök (Ungarn): „Seit Jahren läutet in Europa der Wecker ohne Unterlass. Aufwachen, alter Kontinent, alte Bevölkerung! Der grüne und reiche Traumstaat der (ideell) Ausgebrannten, der an nichts Glaubenden, der Kinderlosen wird nicht ewig so bleiben können. Da draußen ist eine ganz andere Welt und gewiss, sie wird hierherkommen!

Pravda (Slowakei): „Die ersten Opfer der islamistischen Gewalt sind tatsächlich die Bewohner von Ländern mit mehrheitlich muslimischer Bevölkerung. Was am Montag die Weihnachtsmarkt-Besucher in Berlin erlebten, erleben die Besucher ganz gewöhnlicher Märkte in Bagdad und anderen Städten vieler Länder alltäglich.

Neatkariga Rita Avize (Lettland): „Terrorakte können nur verringert werden, indem man zeigt, dass sie keinen Sinn ergeben, dass es dadurch nicht möglich ist, Europas Politik und das öffentliche Verhalten zu verändern. Deshalb ist die vernünftigste Antwort auf den Terroranschlag in Berlin, eben Berlin nicht zu meiden. Lasst die zuständigen Behörden ihre Arbeit machen, aber keiner von uns sollte seine Pläne und Absichten ändern. Auf Europas Straßen sind 2015 mehr als 26.000 Menschen bei Verkehrsunfällen ums Leben gekommen, bei Terrorakten in der EU sind 2016 (bis zum 20. Dezember) 142 Menschen getötet worden. Für einen Europäer, der durch die EU reist, ist damit das Risiko, durch einen Verkehrsunfall getötet zu werden im Durchschnitt 184-mal größer als durch einen Terroranschlag.“

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