piwik no script img

Innenministerium zu linken FahrgästenKeiner will diskriminieren

Das Innenministerium kennt kein Hilfegesuch der Bundespolizei an Bahnen, linke Fahrgäste zu melden. Das widerspricht Angaben der Bundespolizei.

Laut interner Nordwestbahn-Liste ein Merkmal für Linkssein: Dreadlocks​ Foto: David Young/dpa

Berlin taz | Im Zusammenhang mit dem Antifa-Ost-Verfahren um Lina E. sorgt ein Hilfegesuch der Bundespolizei an Bahnunternehmen für Debatten. Die Bundespolizei hatte am Mittwoch gebeten, ihr linke Fahrgäste zu melden. Die Nordwestbahn in Bremen schickte daraufhin intern eine Liste mit Merkmalen an ihr Zugpersonal, an denen „linke Personen“ „laut Bundespolizei“ zu erkennen seien, wie „Dreadlocks“ oder „Öko-Szene“ oder „Grünen-Szene“.

Am Dienstag erklärte nun das Bundesinnenministerium (BMI): „Unterstützungsersuchen der Bundespolizei an Eisenbahnverkehrsunternehmen wie in den Medien berichtet sind uns nicht bekannt. Solche entsprächen weder den normierten polizeilichen Verfahrensweisen noch der polizeilichen Praxis.“

Das Ministerium widerspricht damit der Bundespolizei, die das Hilfegesuch auf Nachfrage der taz grundsätzlich bestätigt hatte. Nur für die konkrete Formulierung der Erkennungsmerkmale will auch die Bundespolizei nicht verantwortlich sein. Die Nordwestbahn kann deren Herkunft nicht eindeutig belegen. Sie entschuldigte sich und distanzierte sich von Diskriminierung. Sie hat den Mitarbeiter freigestellt, der die Formulierungen verschickte.

Innenministerium bestreitet „Unterstützungsersuchen“

Das BMI erklärte nun, wegen des Urteils gegen Lina E. habe die Bundespolizei „bundesweit lageangepasst Aufklärungs-, Fahndungs-, Überwachungs- und Kontrollmaßnahmen an relevanten Landgrenzen, in grenzüberschreitenden Reisezügen und auf den deutschen Verkehrsflughäfen durchgeführt.“ Das BMI sprach dabei von einer „Sensibilisierung“, die bundesweit gegenüber den Eisenbahnunternehmen stattgefunden habe. Allerdings: „Die Weitergabe von Merkmalsbeschreibungen und darauf aufbauender Unterstützungsersuchen wie in den Medien berichtet sind nicht Bestandteil solcher Sensibilisierungen durch die Bundespolizei.“

Die zuständige Bundespolizeidirektion hatte der taz schriftlich bestätigt, dass sie nicht nur „sensibilisiert“ sondern eben auch informiert werden wollte. In der Antwort heißt es: „Die Bundespolizei hat die Bitte ausgesprochen, das eigene Personal sowie das Zugpersonal verschiedener Eisenbahnverkehrsunternehmen über mögliche Anreisen von Demonstrationsteilnehmenden zu sensibilisieren und mögliche Feststellungen in diesem Bereich der Bundespolizei mitzuteilen.“ In diesem Zusammenhang habe die Nordwestbahn die Bundespolizeiinspektion Bremen kontaktiert.

Nach taz-Informationen kam es daraufhin zu einem Telefongespräch von mindestens einer Minute. Über dessen Inhalt kann nur spekuliert werden, es wurde anscheinend nicht aufgezeichnet. Dass es dabei um die Formulierung der vermeintlichen Erkennungsmerkmale ging, und ob diese von der Bundespolizei stammen, wird sich für den Mitarbeiter, der nun die Konsequenzen tragen muss, schwer belegen lassen.

Bundesweit war es zunächst am Mittwochabend vergangener Woche zu Demonstrationen der linken Szene gekommen, nachdem gegen die AntifaschistInnen Lina E. sowie drei Mitangeklagte durch das Oberlandesgericht Dresden zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt worden waren. In Bremen war es bei Protesten zu Würfen mit Steinen und Glasflaschen auf PolizistInnen gekommen, laut Polizei seien acht Einsatzkräfte leicht verletzt worden. 70 Menschen seien festgenommen worden, mittlerweile aber wieder frei.

Am Samstag hatte die Linke Szene in Leipzig protestiert. Die Stadt verhängte ein Demonstrationsverbot. 50 Beamte wurden verletzt, die Polizei hatte 1.000 Menschen eingekesselt und 11 Stunden lang festgehalten.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

4 Kommentare

 / 
Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Falls in diesem Telefongespräch tatsächlich die dann in der Nachricht wiedergegeben Erkennungsmerkmale genannt wurden, frage ich mich, ob der so diensteifrige Herr, der diese dann weitergegeben hat, jetzt noch so gut auf die Polizei zu sprechen ist, wo er anscheinend als Sündenbock herhalten muss...

  • Warum fallen mir bezüglich der bundesdeutschen Exekutive sogleich nachfolgende Zitate ein: "Daran kann ich mich nicht erinnern", "Ich habe daran keine Erinnerungen", "Ich kann mich nicht erinnern",...Nix wissen, nix hören, nix sagen und nie von irgend etwas gewußt zu haben scheint hierzulande Hochkonjunktur zu haben.

  • Ja wie?

    “Was soll er denn einmal werden?



    Nämlich Ihr Sohn. Ja, wie ist er denn? Von leichter Trägheit? mehr schlau als klug? mehr Sitzfleisch als Charakter? etwas Intrigant?







    Aber was sagen Sie da? Es gibt nur eine Sache auf der Welt, die er scheut? Erzählen Sie bitte.

    Ihr Junge ist der Mensch, der seit seiner frühesten Kindheit ›nichts dafür kann‹? Der ständig, immer und unter allen Umständen, ablehnt, die Folgerungen aus seinem Verhalten zu ziehen? der die Vase nicht zerbrochen hat, die ihm hingefallen ist? der die Tinte nicht umgegossen hat, die er umgegossen hat? der immer, immer Ausreden sucht, findet, erfindet … kurz, der eine gewaltige Scheu vor der Verantwortung hat? Ja, dann gibt es nur eines.

    Lassen Sie ihn Beamten werden. Da trägt er die Verantwortung, aber da hat er keine.







    Überall also, liebe Frau, wird Ihr Junge, wenns hart auf hart geht, für das einstehen müssen, was er angerichtet hat. Das ist schon so im Leben.

    Nur an einer Stelle nicht. Nur in einer Klasse Menschen nicht. Nur in einer einzigen Position nicht. Als Beamter.

    Wie das gemacht wird? Und obs auch keiner merkt? In welchem Erdteil leben Sie? Auf dem Mond?







    Und da wird er dann Aufsichtsrat, wegen seiner guten Beziehungen zu den Behörden, und weil er beamtisch sprechen kann; und intrigiert ein bißchen in den politischen Parteien…







    Eher, liebe Frau, bricht sich einer, der auf einen Stuhl steigt, ein Bein, als dass einem deutschen Minister etwas passiert, und wenn er noch so viel Böses angerichtet hat. Es ist das gefahrloseste und das verantwortungsloseste Metier von der Welt.

    Liebe Frau, lassen Sie Ihren Sohn Beamten werden.

    Ignaz Wrobel



    Die Weltbühne, 10.07.1928, Nr. 28, S. 60,



    wieder in: Mona Lisa.

    unterm——servíce —-



    www.textlog.de/tuc...denn-einmal-werden

    kurz - Na Mahlzeit & Dank geht an Tucho - wa.



    Warum mir ditte hier gerade wieder einfällt?



    Koa Ahnung nich & Weiß uns blinde Hessin Nancy Faency erst recht nich!



    Normal.

    • @Lowandorder:

      Alternativ geht natürlich auch Richter.