Initiativen für den Mädchenfußball: Es muss auch mal getrickst werden

Mädchen mit Migrationshintergrund sind in deutschen Fußballvereinen bisher vollkommen unterrepräsentiert. Das soll sich ändern.

Bei Türkiyemspor bereits Alltag: Mädchen am Ball Bild: Stefan Schmidt

FRANKFURT taz | Es musste erst eine Frauen-WM ins Land kommen, damit der Berliner Fußballverband sich beim Türkischen Bund Berlin-Brandenburg traf, um gemeinsam zu überlegen, wie die zahlreichen Mädchen mit Migrationshintergrund zum Fußballspielen bewegt werden könnten. Um den Zulauf migrantischer Jungen muss man sich keine Sorgen machen. Mädchen mit Migrationshintergrund hingegen sind in deutschen Fußballvereinen völlig unterrepräsentiert.

Gerd Liesegang, Vizepräsident des Berliner Fußballverbands (BFV), erzählt, dass bereits im Herbst ein Integrationsprojekt für Mädchen mit Migrationshintergrund beantragt worden sei. Auch in Nordrhein-Westfalen und Niedersachen wurden Projekte derselben Zielrichtung gestartet. Mit dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge fand der BFV schnell einen Hauptgeldgeber (85 Prozent des Etats) für drei Jahre.

Das Treffen beim Türkischen Bund moderierte Breschkai Ferhad. Die aus Afghanistan stammende 47-Jährige ist in Berlin geboren, mit den sozialen Netzwerken der Stadt als langjährige Mitarbeiterin des „Bündnisses für Demokratie und Toleranz“ bestens vertraut und somit für den BFV prädestiniert, das Integrationsprojekt hauptamtlich zu leiten. Ferhad rät im Projektmanagersprech: „Zuerst einmal muss die Integrations-Community erkennen: Der BFV ist ein Player, mit dem wir etwas machen können.“

Im vergangenen Dezember hat Ferhad ihre Arbeit aufgenommen und dabei erfahren, gegen welch extremen Vorbehalte der Mädchenfußball teilweise kämpfen muss. Sie nennt ein Beispiel: Ein Mädchen mit türkischen Eltern, das bislang heimlich bei einem Verein spielte, wollte zu einem besseren Klub wechseln, der aber eine Unterschrift ihrer Eltern verlangte. Von ihrem größeren Bruder erhielt sie dann die Drohung: „Wenn du das machst, spiele ich mit deinem Kopf Fußball.“

Fortschrittliche Bio-Deutsche?

Ferhad will nun über die Autorität der Schule auf die Familie des Mädchens einwirken. Eine Sportlehrerin soll bei den Eltern vorsprechen. Die Vorgehensweise der Projektmanagerin ist pragmatisch: Wenn Überzeugungsstrategien im Einzelfall auf zu harte Mauern treffen, muss eben auch mal getrickst werden.

Doch liegt Ferhad viel daran, ein gängiges Klischee zu demontieren: „Man sollte nicht glauben, es gäbe die hinterwäldlerischen Migranten und die fortschrittlichen Biodeutschen. Die gleichen Vorstellungen über Frauenfußball gibt es auch in der Mehrheitsgesellschaft.“

Deutsche Fußballvereine müssten sich öffnen und Angebote machen. Das sei auch für deren Existenz wichtig. Denn aufgrund der demografischen Entwicklung müsse man sich Sorgen um den Mitgliederschwund machen. „Wir müssen mehr an die Mädchen mit Migrationshintergrund herankommen. Sie sollen merken, dass es keine Schande ist, für uns zu spielen“, meint Liesegang.

Das Bemühen der Verbände, möglichst viele Mädchen zu erreichen, ist zum einen eine ökonomische Notwendigkeit, zum anderen steigt aufgrund des sozialen Engagements das Ansehen. Und ganz nebenbei wird zudem die Zukunftsfähigkeit des deutschen Frauennationalteams gestärkt.

Während bei den männlichen DFB-Jugendmannschaften, die das Nationalteam in den vergangenen Jahren verlässlich mit Qualitätsspielern speisen, oft die Hälfte einen Migrationshintergrund haben, sind Spielerinnen mit Migrationshintergrund nach wie vor eine verschwindend kleine Minderheit.

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