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Initiative für neue ARD-SendungKlima zur Primetime

Eine Gruppe von Aktivisten kritisiert die Klimaberichte der ARD – und will es besser machen. Dafür haben sie 20.000 Euro gesammelt.

Waldbrände in Fresno, Kalifornien Foto: Eric Paul Zamora/ap

Wer regelmäßig die ARD-„Tagesschau“ guckt und ein paar Minuten zu früh einschaltet, der kennt ihr Gesicht: Anja Kohl, die Börsenexpertin, erklärt in „Bör­se vor acht“, wie es dem Deutschen Aktienindex geht. „Der DAX klettert oder fällt, die Anleger sind begeistert“ – Anja Kohl ordnet für den Kleinanleger in seinem Reihenhäuschen die Finanznachrichten des Tages ein.

Eine Gruppe von KlimaaktivistInnen macht Anja Kohl nun ihren Sendeplatz streitig. Zumindest symbolisch. Sie wollen „Klima vor acht“ statt „Börse vor acht“ – eine bessere, verständlichere Klimaberichterstattung in den Öffentlich-Rechtlichen.

Damit es nicht bei der reinen Forderung bleibt, hat die Gruppe in der vergangenen Woche ein Crowdfunding gestartet: Bis Ende September wollten sie 20.000 Euro sammeln, um selbst ein entsprechendes Fernsehformat zu entwickeln. Nach weniger als vier Stunden war das Geld am Donnerstagabend bereits zusammen.

Damit hatte Norman Schumann, Mathematiker aus Bochum und Mitinitiator des Projekts, nicht gerechnet. „Das zeigt ja, dass sich offenbar viele Menschen mehr Klimaberichterstattung wünschen.“ Schumann und seine MitstreiterInnen finden, dass die Klimakrise in den Öffentlich-Rechtlichen zu wenig vorkommt. „Es gibt dort durchaus gute Dokumentationen, aber die werden im Spätprogramm versteckt.

Die Sendung soll wissenschaftlich aufklären und Lösungen aufzeigen, nicht moralisieren

Es fehlt an einfachen, verständlichen Formaten zur Prime­time, die deutlich machen, dass die Klimakrise die alles dominierende ist.“ Es gehe ihm nicht darum, Anja Kohl aus dem Programm zu drängen. „Aber nur jeder sechste Deutsche besitzt Aktien – die Klimakrise geht uns alle an. Wieso hat ein Format, was sich an so wenige richtet, einen so prominenten Sendeplatz und das Klima kommt nur am Rande vor?“

Die Gruppe um „Klima vor acht“ will mit dem gesammelten Geld sechs Folgen einer eigenen Sendung produzieren, die bei Youtube zu sehen sein wird: drei bis fünf Minuten mit Hintergründen und Analysen zu aktuellen Klimathemen, im Stil von „Börse vor acht“. Die Sendung soll wissenschaftlich aufklären und Lösungen aufzeigen, ohne dabei zu moralisieren. Niemand solle zum veganen Fahrradfahrer erzogen werden, sagt Schumann.

Produziert wird die Sendung in einem professionellen Fernsehstudio, entwickelt werden die Themen von den „Klima vor acht“-Mitgliedern. Sie sind Menschen zwischen 20 und 50 Jahren aus Wissenschaft, Medien und Kultur, die in der Klimabewegung aktiv sind.

Eine Frage der Haltung

Die ARD-Redaktion reagierte zunächst abweisend. Über den offiziellen Twitter-Account der ARD hieß es Anfang September, ein Format wie „Klima vor acht“ sei derzeit nicht geplant. Auf taz-Nachfrage sagt eine Sprecherin, das Thema Klimaschutz komme in vielen Formaten bereits vor, auch in „Börse vor acht“ wenn es zum Beispiel um die Zusammenhänge zwischen Ökonomie und Ökologie gehe, oder in der Sendung „Wissen vor acht“. „Wir sind überzeugt, dass wir durch Behandlung der Thematik in diesen etablierten Formaten direkt vor der,Tagesschau' eine größtmögliche Zahl an Menschen erreichen“, so Agnes Toel­lner aus der Programmdirektion des Ersten.

Norman Schumann reicht das nicht. Gute Klimaberichterstattung, sagt er, sei nicht nur eine Sache des Sendeplatzes, sondern auch der generellen Haltung zum Thema. Er verweist auf den britischen Guar­dian. Der hat seine Klima­be­richt­erstattung stark ausgebaut und dabei unter anderem auch das eigene Framing geändert. Statt von Klimawandel schrei­ben die Guardian-JournalistInnen jetzt von Klimanotstand oder -krise, statt von globaler Erwärmung von globaler Erhitzung. In Berichten über Lebewesen soll sprachlich mehr das Lebendige betont werden, so heißt es im Guardian jetzt häufiger „Wildlife“ statt Biodiversität.

Daran wollen sich auch die „Klima vor acht“-Leute orientieren. Im Herbst sollen ihre ersten Videos online gehen.

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3 Kommentare

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  • Das Börsengefasel fand ich schon immer überflüssig. Und das könnte ja auch nachts vor den Tagesthemen laufen. Und wem das zu spät ist, der hat ja noch Videotext.

    Ich finde die Idee absolut genial und richtig. Vor allen könnte man so auch sinnvolle lösungsorientierte Ideen für die Lebenswelt der Menschen zugänglich machen. Und das zur Primetime.

  • Bitte ein bisschen mehr Vision.



    Das ganze Fernsehsystem gehört umgebaut in ein reines Bezahlfernsehen. Bei dem ich auch nur das bezahlen muss was ich auch anschaue. Das alles ohne Werbung, die gehört verboten.

    A: Dann muss ich nicht bezahlen, worüber ich mich maßlos ärgere. Die "Kostenlos-Mentalität" hört endlich auf, jeder wird Verantwortung für sein Tun übernehmen.

    B: Werbung, die doch nur den Konsumrausch am Laufen halten soll, kommt dahin wo sie hingehört. Auf den Müll.

  • ein so deutliches Framing treibt bestimmt sehr viele Menschen auf die Palme, dann geht die Diskussion erstmal wieder um solch nichtige Dinge wie die Wortwahl, mit der Unterstellung der Bevölkerungserziehung etc. das wäre absolut nicht zielführend.

    Das Thema gehört ins Programm, keine Frage. Aber die Wortwahl ist nun das Unwichtigste dabei und gleichzeitig das heikelste Thema daran.



    Mir ist auch nicht ganz klar, was es jeden Tag Neues zu berichten gäbe, aktuelle Veränderungen, wie bei den Aktien gibt es ja nicht zu berichten.

    Was wichtig wäre, sind Zusammenhänge und Erklärungen. Nüchtern und nicht belehrend. Das gehört definitiv öfters ins Programm.

    Will man den nächsten Shitstorm und sei er auch nur von einer Minderheit, dafür aber medial gut inszeniert ist ein solches Vorgehen bestimmt erfolgreich.