Initiative für neue ARD-Sendung: Klima zur Primetime
Eine Gruppe von Aktivisten kritisiert die Klimaberichte der ARD – und will es besser machen. Dafür haben sie 20.000 Euro gesammelt.
Wer regelmäßig die ARD-„Tagesschau“ guckt und ein paar Minuten zu früh einschaltet, der kennt ihr Gesicht: Anja Kohl, die Börsenexpertin, erklärt in „Börse vor acht“, wie es dem Deutschen Aktienindex geht. „Der DAX klettert oder fällt, die Anleger sind begeistert“ – Anja Kohl ordnet für den Kleinanleger in seinem Reihenhäuschen die Finanznachrichten des Tages ein.
Eine Gruppe von KlimaaktivistInnen macht Anja Kohl nun ihren Sendeplatz streitig. Zumindest symbolisch. Sie wollen „Klima vor acht“ statt „Börse vor acht“ – eine bessere, verständlichere Klimaberichterstattung in den Öffentlich-Rechtlichen.
Damit es nicht bei der reinen Forderung bleibt, hat die Gruppe in der vergangenen Woche ein Crowdfunding gestartet: Bis Ende September wollten sie 20.000 Euro sammeln, um selbst ein entsprechendes Fernsehformat zu entwickeln. Nach weniger als vier Stunden war das Geld am Donnerstagabend bereits zusammen.
Damit hatte Norman Schumann, Mathematiker aus Bochum und Mitinitiator des Projekts, nicht gerechnet. „Das zeigt ja, dass sich offenbar viele Menschen mehr Klimaberichterstattung wünschen.“ Schumann und seine MitstreiterInnen finden, dass die Klimakrise in den Öffentlich-Rechtlichen zu wenig vorkommt. „Es gibt dort durchaus gute Dokumentationen, aber die werden im Spätprogramm versteckt.
Es fehlt an einfachen, verständlichen Formaten zur Primetime, die deutlich machen, dass die Klimakrise die alles dominierende ist.“ Es gehe ihm nicht darum, Anja Kohl aus dem Programm zu drängen. „Aber nur jeder sechste Deutsche besitzt Aktien – die Klimakrise geht uns alle an. Wieso hat ein Format, was sich an so wenige richtet, einen so prominenten Sendeplatz und das Klima kommt nur am Rande vor?“
Die Gruppe um „Klima vor acht“ will mit dem gesammelten Geld sechs Folgen einer eigenen Sendung produzieren, die bei Youtube zu sehen sein wird: drei bis fünf Minuten mit Hintergründen und Analysen zu aktuellen Klimathemen, im Stil von „Börse vor acht“. Die Sendung soll wissenschaftlich aufklären und Lösungen aufzeigen, ohne dabei zu moralisieren. Niemand solle zum veganen Fahrradfahrer erzogen werden, sagt Schumann.
Produziert wird die Sendung in einem professionellen Fernsehstudio, entwickelt werden die Themen von den „Klima vor acht“-Mitgliedern. Sie sind Menschen zwischen 20 und 50 Jahren aus Wissenschaft, Medien und Kultur, die in der Klimabewegung aktiv sind.
Eine Frage der Haltung
Die ARD-Redaktion reagierte zunächst abweisend. Über den offiziellen Twitter-Account der ARD hieß es Anfang September, ein Format wie „Klima vor acht“ sei derzeit nicht geplant. Auf taz-Nachfrage sagt eine Sprecherin, das Thema Klimaschutz komme in vielen Formaten bereits vor, auch in „Börse vor acht“ wenn es zum Beispiel um die Zusammenhänge zwischen Ökonomie und Ökologie gehe, oder in der Sendung „Wissen vor acht“. „Wir sind überzeugt, dass wir durch Behandlung der Thematik in diesen etablierten Formaten direkt vor der,Tagesschau' eine größtmögliche Zahl an Menschen erreichen“, so Agnes Toellner aus der Programmdirektion des Ersten.
Norman Schumann reicht das nicht. Gute Klimaberichterstattung, sagt er, sei nicht nur eine Sache des Sendeplatzes, sondern auch der generellen Haltung zum Thema. Er verweist auf den britischen Guardian. Der hat seine Klimaberichterstattung stark ausgebaut und dabei unter anderem auch das eigene Framing geändert. Statt von Klimawandel schreiben die Guardian-JournalistInnen jetzt von Klimanotstand oder -krise, statt von globaler Erwärmung von globaler Erhitzung. In Berichten über Lebewesen soll sprachlich mehr das Lebendige betont werden, so heißt es im Guardian jetzt häufiger „Wildlife“ statt Biodiversität.
Daran wollen sich auch die „Klima vor acht“-Leute orientieren. Im Herbst sollen ihre ersten Videos online gehen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Wahlprogramm von CDU und CSU
Der Zeitgeist als Wählerklient
Anschlag auf Magdeburger Weihnachtsmarkt
Vieles deutet auf radikal-islamfeindlichen Hintergrund hin
Keine Konsequenzen für Rechtsbruch
Vor dem Gesetz sind Vermieter gleicher
Anschlag in Magdeburg
Auto rast in eine Menschenmenge auf dem Weihnachtsmarkt
Russische Männer auf TikTok
Bloß nicht zum Vorbild nehmen