Initiative Maria 2.0: Scheitern auf christliche Weise
Die Maria 2.0-Aktivistinnen wollen mehr Rechte in der katholischen Kirche. Sie werden scheitern – und das auf ganz christliche Art und Weise.
S cheitern ist kein Problem im Christentum, zumindest kein größeres. Zur Erinnerung für den religiös unmusikalischen Teil der taz-Leserschaft: Jesus von Nazareth, auf den sich das Christentum bekanntlich beruft, endete als verschmähter Aufrührer im römischen Palästina der Zeitenwende am Kreuz, öffentlich zu Tode gefoltert – auf den ersten Blick nicht unbedingt der Messias und König, auf den das jüdische Volk so sehnlichst wartete.
Nun, die wenigen Anhängerinnen und Anhänger des so offensichtlich gescheiterten Wanderrabbis betonten, dass er nach drei Tagen auferstanden und ihnen noch leibhaftig, samt Kreuzesnarben, begegnet sei – das Ganze also kein wirkliches Scheitern war. Aber das überzeugte halt nur sie. Immerhin ist die Anhängerschaft Jesu seitdem beachtlich gestiegen: Weltweit sind es rund 2,2 Milliarden Menschen, allein in Deutschland über 40 Millionen.
Diese Definition von Scheitern sollte man im Kopf haben, wenn man sich die Initiative Maria 2.0 anschaut. Sie vereint in den deutschsprachigen Ländern Hunderte, wenn nicht Tausende Katholikinnen. Ihre Forderung: Zugang von Frauen zu allen Weiheämtern, wie das im katholischen Duktus heißt, also: das Frauenpriestertum. Dazu eine wirkliche Aufarbeitung des Mega-Skandals der sexualisierten Gewalt im Raum der katholischen Kirche. Schließlich das Ende des Pflichtzölibats, also der Ehelosigkeit katholischer Priester.
Die Mittel der „Maria 2.0“-Aktivistinnen (nur fürs Protokoll: Es sind auch ein paar Männer dabei): Sie verweigern ihren Dienst in der Kirche, also zum Beispiel das ehrenamtliche Schmücken des Altars, das Putzen der Kirche oder die Kinderbetreuung in den Gemeinderäumen. Auf Deutsch gesagt: Sie haben keinen Bock mehr, die Drecksarbeit zu machen, während nur Männer alle Macht behalten und in der Öffentlichkeit glänzen können, ja allein berechtigt sind, das Zentrum der katholischen Frömmigkeit, die Eucharistie, zu feiern.
Jetzt die Steile These: Maria 2.0 wird scheitern – aber auf christliche, genauer: katholische Art und Weise. Das bedeutet: am Ende eigentlich nicht.
Engagement für später
Es ist nicht zu erwarten, dass die katholischen Bischöfe in Deutschland, der Papst in Rom oder gar ein weltweites Konzil zu Lebzeiten der „Maria 2.0“-Aktivistinnen das Frauenpriestertum einführen. Die deutschen Katholiken dürften das gar nicht allein, aber vor allem sind dafür die Beharrungskräfte in der Weltkirche noch viel zu stark, und das nicht unbedingt nur im Vatikan. Man frage zum Beispiel einmal polnische oder afrikanische Bischöfe, was sie vom Frauenpriestertum (und von der Homo-Ehe) halten.
Aber eines Tages wird es das Frauenpriestertum auch in der katholischen Kirche geben, vielleicht zu der Zeit, wenn wir auch den Mars besiedelt haben. Ob dann aber die katholische Kirche noch eine Rolle spielt, ist nicht ausgemacht. Die Mehrheit der Frauen wird sie bis dahin wahrscheinlich verloren haben.
Die meisten Frauen, die sich bei Maria 2.0 engagieren, dürften ähnlich denken – aber ihr Handeln ist dennoch aller Ehren wert, ja dringend nötig. Denn sie halten das Thema, genauer: den Skandal der offensichtlichen Diskriminierung der Hälfte der katholischen Christenheit in der Öffentlichkeit. Sie benennen es als das, was es ist, nämlich eine weder biblisch, noch historisch, noch theologisch zu begründende Idiotie, Schweinerei und Herzlosigkeit.
Dieser Text stammt aus der taz am wochenende. Immer Samstag am Kiosk, im eKiosk, im praktischen Wochenendabo und rund um die Uhr bei Facebook und Twitter.
Jesus hat sich nie, auch nicht mit einer Silbe oder einer irgendwie so zu interpretierenden Aussage, gegen das Frauenpriestertum ausgesprochen. Im Gegenteil war sein Umgang mit Frauen seiner Zeit weit voraus. In den ersten Jahrzehnten des Christentums gab es Apostelinnen, unter anderem Maria Magdalena, und Gemeindevorsteher*innen – und aus diesem Kreis entstand später das Priestertum der christlichen Kirche. Auch theologisch ist die Argumentation, die das Priestertum nur Männern zubilligt, im besten Fall abenteuerlich, in der Regel aber schlicht absurd. (Eine solch irrwitzige „Argumentation“ lieferte jüngst etwa der emeritierte katholische Dogmatik-Professor Karl-Heinz Menke aus Bonn.)
Warum der Kampf?
Warum kämpfen die Frauen von Maria 2.0 dennoch ihren Kampf, dessen glückliches Ende sie aller Voraussicht nach nicht mehr erleben werden? Dafür lohnt ein Blick auf die Namensgeberin der Initiative, Maria von Nazareth, die Mutter Jesu, die Mutter Gottes. Viel erzählt die Bibel nicht von ihr. Aber sie scheint eine Respektsperson gewesen zu sein, nachzulesen etwa in der Geschichte der Hochzeit zu Kana.
Ihr Verhältnis zu ihrem Sohn war nicht immer ganz konfliktfrei – „Was willst du von mir, Frau?“, schnauzt sie Jesus im Johannesevangelium an. Aber sie war eine von zwei, drei mutigen Menschen, die sich bei der Kreuzigung Jesu als Aufrührer nicht verdrückt haben, anders als der Feigling Petrus übrigens, der nach katholischer Definition dann ja der erste Papst war. Und sie spielte in der Jerusalemer Urgemeinde nach dem Tod Jesu eine herausragende Rolle, wie die Geschichtswissenschaft herausgefunden und etwa die Apostelgeschichte festgehalten hat.
Maria war eben nie nur die reine, gehorsame Magd, eine Rolle, auf die vor allem die katholische und die orthodoxe Kirche sie über Jahrhunderte beschränken wollten, um mit Verweis auf sie die Rolle der Frau in der Kirche klein zu halten. Nein, sie war ganz offensichtlich eine selbstbewusste, wichtige und kluge Frau, die früher und besser als die meisten Männer verstanden hat, was ihr Sohn eigentlich war, trotz allen irdischen Scheiterns.
Das Christentum hat keine Angst vor dem vorübergehenden Scheitern hier auf Erden. Es sieht Stärke in der Schwachheit. Das Handeln der Aktivistinnen von Maria 2.0 ist deshalb prophetisch im besten Sinne des Wortes. Auch die Prophetinnen des Alten Testaments wie Debora und Hulda sind, wie ihre männlichen Pendants, häufig verlacht und verfolgt worden – und heute berufen sich das Judentum und das Christentum auf sie.
Im Lukasevangelium lobt Maria Gott: „Er zerstreut, die im Herzen voll Hochmut sind; / er stürzt die Mächtigen vom Thron / und erhöht die Niedrigen.“ Die Aktivistinnen von Maria 2.0 hätten sich keinen besseren Namen für ihre Initiative wählen können.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Umweltfolgen des Kriegs in Gaza
Eine Toilettenspülung Wasser pro Tag und Person
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja
Stromversorgung im Krieg
Ukraine will Atomkraft um das Dreifache ausbauen