Initiative „Land schafft Verbindung“: Großagrarier führt Bauernprotest an
Dirk Andresen ist an einem überdurchschnittlich großen Agrarunternehmen beteiligt. Dennoch glaubt er, für alle Bauern sprechen zu können.
Auch die landwirtschaftliche Fläche ist groß: Die Andresen Siedenbollentin GmbH & Co. KG erhielt laut Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung im Jahr 2018 Direktzahlungen von der EU für 1.325 Hektar. Der Durchschnittsbetrieb in Deutschland hat nur rund 60 Hektar.
Andresen wollte der taz nicht mitteilen, wie groß die Anlage in Mecklenburg-Vorpommern ist. „Das ist der Betrieb meines Vaters“, begründete Andresen das. Deshalb wisse er nicht, zum Beispiel wie viele Sauen dort gehalten werden. Es seien „auf jeden Fall nicht 1.800 Sauen, eher 1.500“. Damit bestätigte er zumindest, dass die Anlage bei weitem überdurchschnittlich groß ist. Auf erneute Nachfrage räumte er ein, dass er an dem Betrieb beteiligt ist, was auch auf der Internetseite von „Land schafft Verbindung“ steht.
Auf die Frage, ob Andresen überhaupt für den durchschnittlichen Landwirt sprechen kann, antwortete er, dass in Ostdeutschland die Betriebe aus historischen Gründen größer seien: „Die Probleme der neuen Bundesländer sollen sich natürlich auch in ‚Land schafft Verbindung‘ wiederfinden.“ Sein Ko-Sprecher, der Bayer Sebastian Dickow, ergänzte: „Wir stehen ja für die Landwirtschaft als Ganzes und da gehören auch größere Betriebe dazu.“
Überdüngung: Forscher widersprechen Bauernführern
„Mit der Betriebsgröße ist eine bestimmte Interessenlage verbunden“, sagte dagegen Ulrich Jasper, Bundesgeschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft, zur taz. Wenn mehr Bauern wüssten, wie groß Andresens Betrieb ist, würden sich viele nicht von ihm vertreten lassen, meint er.
Tausende Landwirte der Bewegung wollen am Freitag erneut gegen Umweltvorschriften für ihre Branche demonstrieren. Veranstaltungen mit Traktoren würden zum Beispiel am Rande der Agrarmesse „Grüne Woche“ in Berlin sowie in Bayern, Niedersachsen, Bremen und Hessen stattfinden, kündigten die Organisatoren an.
Sie wenden sich vor allem gegen einen Entwurf des Bundesagrarministeriums für eine Reform der Düngeverordnung. Er soll besonders die Düngung mit Stickstoff einschränken. Denn die potenziell gesundheitsschädliche Stickstoffverbindung Nitrat belastet das Grundwasser, aus dem das meiste Trinkwasser gewonnen wird. In der Umwelt trägt zu viel Dünger zum Aussterben von Pflanzen- und Tierarten sowie zum Klimawandel bei.
Der durchschnittliche Bauer würde aber gar nicht überdüngen, sagte Sebastian Dickow, Sprecher der Bewegung, der taz. In den jüngsten Stickstoffflächenbilanzen für Deutschland hatte die Universität Gießen jedoch festgestellt, dass die Landwirtschaft ihren Feldern von 2008 bis 2017 pro Hektar im Schnitt 77 Kilogramm mehr Stickstoffdünger zugeführt hat, als die Pflanzen aufgenommen haben, Tendenz: steigend.
„Die haben nicht den Rückgang der Tierhaltung berücksichtigt“, argumentierte Dickow. Der Überschuss sei deshalb geringer. „Das ist völliger Quatsch“, antwortete der Agrarwissenschaftler Martin Bach, Ko-Autor der Gießener Studie. „Das steckt natürlich da drin.“ Für die Bilanzen würden Daten vom Statistischen Bundesamt zu Flächennutzung, Erträgen, Mineraldüngung und Viehhaltung genutzt. „Die Methodik ist langjährig eingeführt und erprobt“, so Bach.
Bauernsprecher Dickow ergänzte, der Überschuss in den Gießener Bilanzen enthalte zudem Stickstoff, der gar nicht ins Grundwasser ausgewaschen werden könne. „Was nicht auswaschungsgefährdet ist, geht in die Luft“, schrieb dazu der Kieler Agrarprofessor Friedhelm Taube der taz. Dort belasten Stickstoff-Verbindungen das Klima, über den Niederschlag gelangen sie wieder in den Boden. 30 bis 40 Prozent der Flächenbilanzüberschüsse landeten kurzfristig im Sickerwasser oder mittelfristig im Grundwasser, so Taube. „Ein Teil geht in die Luft“, sagte auch Bach. „Längerfristig bauen sich in unseren Acker- oder Grünlandböden keine Stickstoffreservoirs auf.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israel, Nan Goldin und die Linke
Politische Spiritualität?
Matheleistungen an Grundschulen
Ein Viertel kann nicht richtig rechnen
Innenminister zur Migrationspolitik
Härter, immer härter
Nikotinbeutel Snus
Wie ein Pflaster – aber mit Style
Prozess gegen Letzte Generation
Wie die Hoffnung auf Klimaschutz stirbt
Israels Brüche der Waffenruhe
Die USA sind kein neutraler Partner