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Inhaftierter KremlgegnerNawalny tritt in Hungerstreik

Weil ihm ärztliche Hilfe verwehrt werde, ist der inhaftierte Kremlgegner Alexej Nawalny in einen Hungerstreik getreten. Er leide an schweren Rückenschmerzen.

Aus Protest im Hungerstreik: der inhaftierte Kremlgegner Alexej Nawalny Foto: Maxim Shemetov/reuters

Pokrow dpa | Aus Protest gegen fehlende ärztliche Hilfe ist der im Straflager inhaftierte Kremlgegner Alexej Nawalny in einen Hungerstreik getreten. „Ich habe den Hungerstreik erklärt mit der Forderung, das Gesetz einzuhalten und den eingeladenen Arzt zu mir zu lassen“, hieß es in einer bei Instagram veröffentlichten Mitteilung des 44-Jährigen. Nawalny leidet nach eigener Darstellung an schweren Rückenschmerzen, die in sein rechtes Bein ausstrahlen und dort zu Lähmungserscheinungen führen. Ärzte und seine Anwälte befürchten, dass er das Bein verlieren könnte. Nawalny ist in Pokrow rund 100 Kilometer östlich von Moskau im Gebiet Wladimir inhaftiert.

Die russische Allianz der Ärzte – eine unabhängige Gewerkschaft – hatte einen offenen Brief an den Strafvollzug geschrieben mit dem Appell, Nawalny rasch medizinische Hilfe zukommen zu lassen. Der Strafvollzug sieht sich Vorwürfen ausgesetzt, der prominente Gegner von Kremlchef Wladimir Putin werde gefoltert – durch die Verweigerung einer Behandlung und zusätzlich durch Schlafentzug.

„Ich liege nun hungrig, aber noch mit beiden Beinen“, sagte Nawalny. Er habe das Recht auf einen Arzt und auf Medikamente, doch erhalte weder das eine noch das andere. Der Hungerstreik sei das einzige Mittel des Kampfes für ihn. Auch im linken Bein habe er bereits stellenweise das Gefühl verloren. „Statt medizinischer Hilfe erhalte ich Folter durch Schlafentzug (sie wecken mich acht Mal pro Nacht) …“ Mitgefangene hätten ihn wissen lassen, dass das Leben eines Häftlings in dem Lager weniger wert sei als eine „Schachtel Zigaretten“.

Ein russisches Gericht hatte Nawalny, Russlands bekanntesten Oppositionspolitiker, im Februar zur Haft im Straflager verurteilt. Der Grund: Er soll während seines Aufenthalts in Deutschland, wo er sich von einem Mordanschlag mit dem Nervengift Nowitschok erholte, gegen Meldeauflagen bei russischen Behörden in einem früheren Strafverfahren verstoßen haben. Die EU und die USA kritisieren das Vorgehen als politisch motiviert. Sie fordern Nawalnys Freilassung und haben gegen Russland unter anderem wegen des Attentats auf den Politiker Sanktionen verhängt.

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5 Kommentare

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  • Ihr zynischer Kommentar lässt mich ratlos zurück. In der DDR würde man Sie dafür gelobt haben, dass Sie den den richtigen Klassenstandpunkt vertreten und gegen die inneren Feinde des sozialistischen Bruderstaates entschlossen auftreten. Doch wie sagt man heute dazu?

  • Meines Wissens begründet N. den Hungerstreik mit der Forderung, von einem Arzt seiner Wahl untersucht zu werden. Im Umkehrschluss bedeutet das für mich, dass ihm ärztliche Hilfe nicht grundsätzlich verweigert wird.



    Der Hungerstreik bringt ihn wieder in die Schlagzeilen. Ansonsten teilte er das Schicksal von Ai Wei Wei , der nach anfangs medialem Hype in die Bedeutungslosigkeit entschwand.

    • @Trabantus:

      Die Ärzte welche die russische Verwaltung stellt, können Sie in der Pfeife rauchen. Sein Ansinnen ist verständlich.

  • Wahrscheinlich wird er bald wieder nach Deutschland ausgeflogen um in der Charité behandelt zu werden. War ja damals bei der Timoshenka auch die einzige Möglichkeit, um ihre Rückenschmerzen adäquat zu behandeln.



    Die Krawallgang Pussy Riot, die meinten, ihren Anti-Putin-Protest ausgerechnet auf dem Altar einer Kirche zu performen, wurden auch nach kurzer Zeit von Putin begnadigt.



    Das alles weiß Nawalny, dessen Medienpräsenz gerade abzusacken drohte. Mit dem Hungerstreik bringt er sich wieder international ins Gespräch. Schade um die unzähligen Häftlinge in russischen Knästen und Lagern, denen es wirklich dreckig geht und um die sich niemand, auch kein Nawalny, kümmert.

    Trotz alledem: Der Stalin-Vergleich ist hier genau so deplaziert wie andernorts Nazi-Vergleiche.

  • Russland ist seit langem ein veritabler Folterstaat, und Putin versucht nun ein zweites Mal, Nawalny zu ermorden. Diesmal im sogenannten Straflager, die nichts sind anderes als zeitgenössische Gulags, in denen die stalinistischen Strukturen weiter wirken mit allem, was dazugehört: Folter, Mord, Vergewaltigung. Auch das ist Russlands Realität nach mehr als 20 Jahren Herrschaft des lupenreinen Demokraten.