Inhaftierte katalanische Politiker: Madrid plant Begnadigungen
Spaniens Regierungschef plant, mehrere inhaftierte Unabhängigkeitspolitiker und -aktivisten aus Katalonien freizulassen. Dagegen regt sich Protest.
Was für Sánchez einen Weg zur „Aussöhnung mit Katalonien“ einleiten soll, ist für die Rechte „Verrat“. Unter den Demonstranten befanden sich auch Vertreter der Regionalregierung Madrids sowie der Schriftsteller Mario Vargas Llosa.
Trotz gegenteiliger Empfehlung des Gerichts, das die Betroffenen wegen „Aufstands“ zu bis zu 13 Jahren Haft verurteilt hat, will Sánchez einen Teil der Strafe erlassen, so dass die Betroffenen auf freien Fuß kommen. „Tauschen wir Drohungen gegen Vorschläge, egal woher sie kommen. Das neue ‚Wir‘ wird erfolgreich sein“, sagte Sánchez vergangene Woche in der katalanischen Hauptstadt Barcelona.
Die Begnadigungen sollen einen Dialog mit der Autonomieregierung erleichtern. Dieser steht mit Pere Aragonès erstmals seit Einführung der Autonomie Ende der 1970er Jahre ein Politiker der Republikanischen Linken (ERC) vor. Die liberal-konservative Junts per Catalunya (JxCat) rund um den im Brüsseler Exil lebenden ehemaligen katalanischen Präsidenten Carles Puigdemont ist seit einer Wahl im Februar nur noch Juniorpartner in der Regierung.
Der Parteichef und einstige Vizeregierungschef unter Puigdemont, Oriol Junqueras, begrüßte die geplante Begnadigung in einem Brief aus der Haftanstalt. Er schrieb von „Gesten, die den Schmerz der Repression und das Leiden lindern können“.
„Schottischer Weg“
Junqueras verzichtete erstmals auf eine einseitige Umsetzung der Unabhängigkeit, die bisher immer Teil der Debatte in Katalonien war. Die ERC will nun einen „schottischen Weg“. In den kommenden zwei Jahren soll ein Referendum im beiderseitigen Einvernehmen ausgehandelt werden. Doch Sánchez will davon nichts wissen. Ihm schwebt eine stärkere Autonomie für Katalonien vor, um die Lage zu beruhigen und die Einheit Spaniens zu wahren.
Mehrere sozialistische Landesfürsten sprechen von einem „Fehler der Demokratie“. Der historische Parteichef Felipe González unterstützt sie dabei. Sie befürchten negative Reaktionen ihrer Wähler, deren Spanienbild sich zumindest außerhalb Kataloniens und des Baskenlands meist nur unwesentlich von dem der rechten Wählerschaft unterscheidet.
2019 hatten die gleichen drei Parteien zu einer Kundgebung gegen einen Dialog mit Katalonien gerufen. Damals kamen weit mehr Menschen als am Sonntag.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Abschiebung erstmal verhindert
Pflegeheim muss doch nicht schließen
US-Interessen in Grönland
Trump mal wieder auf Einkaufstour
Negativity Bias im Journalismus
Ist es wirklich so schlimm?
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
Künstler Mike Spike Froidl über Punk
„Das Ziellose, das ist doch Punk“
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen