Ingo Arzt über abgezockte Energiepreise: Gas vom Feinkosthändler
Es gibt sehr teure Marmelade. Würde sich jemand darüber beschweren, wie ihn Hersteller von Feinkostmarmelade mit überzogenen Preisen abzocken, wäre das wohl kaum einen Aufschrei wert: Dann eben zum Discounter, da sind die Gläser nicht so hübsch, aber billiger.
Bei den Kosten für Gas und Strom verhält sich die Sache anders. Alle Jahre wieder ist die Empörung groß, wenn Versorger gesunkene Preise im Großhandel nicht an die Verbraucher weitergeben. Berechtigt ist die Aufregung nicht. Weil es heute keine Monopolisten mehr gibt, die Preise diktieren. Niemand ist gezwungen, Feinkosterdgas beim Premiumlieferanten zu kaufen. Anbieter tauschen ist eine Sache von ein paar Mausklicks. Wer nicht wechselt, wenn sein Lieferant lieber Gewinne einfährt, statt die Preise für die Kunden zu senken, der ist schlicht selbst schuld.
Beim Erdgas nach mehr staatlicher Regulierung zu rufen ist so sinnvoll wie Marmeladenpreise deckeln. Das, was Sorge bereiten muss, liegt ohnehin jenseits nationalstaatlicher Regulierung: Die Märkte für Kohle, Öl und Gas werden immer unberechenbarer. Momentan befindet sich die Europäische Union auf der Gewinnerseite der weltweiten Energieversorgung. Bei fossilen Energien herrscht allerorten Überproduktion. Bemühungen um Effizienz und damit geringeren Verbrauch zeitigen allmählich Erfolge. Die Folge: Bei uns wird Energie billiger, nachdem fast zwei Dekaden die Kosten nur nach oben gingen.
Die Gefahr, dass nun wieder mehr Energie verschwendet wird, ist groß. Dabei könnte die Phase billigen Heizens auch bald wieder vorbei sein. Die Faktoren für Öl- und Gaspreise sind immer unberechenbar; neben den üblichen geopolitischen Wirren kommen verstärkte Klimaschutzmaßnahmen hinzu und: Bleiben die Preise für Öl und Gas im Keller, dann sinken die Investitionen, was in einigen Jahren zu Förderengpässen führen könnte. Also besser einfach weiter Energie sparen, tut ja auch nicht weh.
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