Ingo Arzt über Sigmar Gabriels runden Tisch zur Kohle: Immerhin ein kleines Wunder
Im Dezember haben sich 195 Staaten auf ein globales Klimaschutzabkommen geeinigt – und ganz kurz keimte die Hoffnung auf: Deutschland schickt ein starkes politisches Signal hinterher, indem das Energiewendeland verbindlich erklärt, wie es von der Kohle loskommt. Daraus wird vorerst nichts, dank Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel.
Der SPD-Vizekanzler bewegt sich langsam wie eine Galápagos-Riesenschildkröte in Richtung von Selbstverständlichkeiten: Er verkündet jetzt auf einer Tagung des Handelsblattes, einen runden Tisch in Sachen Kohle einzuberufen. Kohle, das ist jener Energieträger, der 43 Prozent unseres Strombedarfs deckt. Er muss weg, was auch sonst. Schließlich will Deutschland bis Mitte des Jahrhunderts seinen CO2-Ausstoß um bis zu 95 Prozent senken.
Trotzdem meidet Gabriel das Wort Kohleausstieg. Erst müsse man den betroffenen Regionen wie der Lausitz eine Alternative bieten. Ein bemerkenswerter Vorgang: Seit zwei Jahren ist Gabriel Energieminister. Es wäre seine Aufgabe gewesen, Vorschläge für ebenjene Alternativen zu entwickeln, die er jetzt als Diskussionsgrundlage einfordert. Hat er aber nicht. Stattdessen verteilte er 1,6 Milliarden Euro Subventionen, damit Energiekonzerne trotz Stromüberproduktion alte Braunkohlekraftwerke „in Reserve halten“.
Nun gut, gegessen. Dass der Wirtschaftsminister jetzt immerhin beginnt über den nötigen Strukturwandel nachzudenken: ein kleines Wunder. Und in einer Sache hat er ja Recht. Erneuerbare Energien sind keine Welpen mehr. Darüber nachzudenken, wie ihre Alimentierung beendet werden kann, wie Gabriel fordert, ist grundsätzlich sinnvoll. Der Minister will mehr Markt. Allerdings hat ein Wettbewerb zwischen fossilen und erneuerbaren Energien noch nie funktioniert. Vorschlag: Ausstieg aus der Förderung erneuerbarer Energien plus Kohleausstieg – so wäre die Sache glaubwürdig.
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