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Infektionsrisiko im VerkehrBallermann, Bus oder Bimmelbahn?

Wie hoch ist die Ansteckungsgefahr, wenn ich mit dem Zug zur Arbeit fahre oder in den Urlaub fliege? Die taz nimmt die Verkehrsmittel unter die Lupe.

Wenn nicht gerade eine Sardinenbüchsensituation herrscht, steckt man sich in Öffis nicht so leicht an Foto: Jochen Eckel/imago

Die Buslinie 194 fährt vom Neuköllner Hermannplatz einmal quer durch den Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg bis nach Lichtenberg. Damit durchfährt sie zwei besonders betroffene Berliner Corona-Hotspots. Ein Foto auf Twitter zeigt, wie vollgestopft der Bus jeden Tag ist. Mitten in der Pandemie fahren tägliche übervolle Busse und Züge durch Deutschland. Doch wie hoch ist das Ansteckungsrisiko im Verkehr überhaupt?

Laut Robert-Koch-Institut ist der Hauptübertragungsweg für den SARS-CoV-2-Erreger „die respiratorische Aufnahme virushaltiger Partikel, die beim Atmen, Husten, Sprechen und Niesen entstehen“. Dann also, wenn ich Tröpfchen oder Tröpfchenkerne (Aerosole) einer infizierten Person einatme. Die Gefahr erhöht sich, je länger ich die Atemluft dieser Person teile und je näher sie mir ist. Besonders wichtig sei daher Frischluftzufuhr und Abstandhalten.

Die sogenannte Schmierinfektion, also Ansteckung über Oberflächen, werde dagegen „eher zu ernst genommen“, so Prof. Dr. Helmut Fickenscher, Virologe an der Universität Kiel. Zwar hatte erst jüngst eine Studie herausgefunden, dass Coronaviren unter speziellen Bedingungen auf Oberflächen bis zu 28 Tage überleben könnten. Belege für Ansteckungen über Oberflächen gebe es laut Bundesinstitut für Risikobewertung bislang aber nicht. Kürzlich hatte auch Klaus Reinhardt, Chef der Bundesärztekammer, die Desinfektion von Oberflächen für „unsinnig und obsolet“ erklärt. Da eine Schmierinfektion aber nicht ausgeschlossen werden könne, empfiehlt auch Fickenscher weiterhin das Niesen in Armbeuge oder Taschentuch.

Wie sehen nun die Infektionszahlen im Verkehr aus? Das RKI hatte Mitte September ein Viertel der bis Anfang August übermittelten gut 200.000 Infektionsfälle in Deutschland unter anderem auf den Infektionsort hin untersucht. Ergebnis: Lediglich 0,2 Prozent der 55.000 Infektionsfälle infizierten sich nachweislich in öffentlichen Verkehrsmitteln. Während sich die Mehrheit im Busverkehr ansteckte, gab es im Zug bisher keinen bestätigten Fall. Das liege dem RKI zufolge aber auch daran, dass Infektionen in Bus und Bahn nur schwer nachzuweisen seien.

Sardinenbüchsensituation im Bus

Konfrontiert mit den laut RKI etwas höheren Infektionszahlen im Busverkehr, entgegnet Christian Wahl vom Bundesverband Deutscher Omnibusutnernehmer, dass hierzulande die meisten Menschen Bus fahren. Allein 2019 waren es in Deutschland 5,6 Milliarden Fahrten. Dennoch weist Virologe Fickenscher auf die gelegentliche „Sardinenbüchsensituation“ in Nahverkehrs- und Reisebussen hin, „da funktioniert die Übertragung natürlich prima“. Zumindest wenn weder Masken- noch Hygieneregeln eingehalten würden.

Sebastian Meyer von FlixBus betont daher die Pflicht zur Händedesinfektion bei Zustieg sowie den guten Luftaustausch in Reisebussen, die laut einer Studie der Deutschen Bahn tatsächlich noch vor Zug und Flugzeug liegt. Eine Limitierung der Sitzplätze, um einen größeren Sicherheitsabstand zu gewährleisten, komme aus wirtschaftlichen Gründen aber nicht infrage.

Auch im Nahverkehr gibt es Maßnahmen. Laut Homepage etwa der Berliner Verkehrsbetriebe, gebe es mobile Teams, die an Knotenpunkten und Endhaltestellen Kontaktflächen wie Haltestangen und Türtaster reinigen. Zudem werden dort seit Juli Bußgelder gegen Maskenverweiger*innen verhängt.

Auch die Deutsche Bahn betont ihre zahlreichen Maßnahmen. So werde etwa auf nachfragestarken Städteverbindungen die Zuglänge verdoppelt, die Reservierungen würden begrenzt sowie das Unterwegsreinigungspersonal vergrößert, das zum Beispiel verstärkt Kontaktflächen säubere. Allein zwischen Mitte September und Mitte Oktober hat die Bundespolizei zudem über 70.000 Reisende zur Einhaltung der Maskenpflicht ermahnt. Bei über 1.000 Personen wurden Bußgelder verhängt, bei 200 Reisenden sogar ein Beförderungsverbot oder Bahnhofsverweis ausgesprochen.

Bahn vergleichsweise sicher

„Man kann sich weitestgehend in der Bahn sicher fühlen“, stellt Karl-Peter Naumann, Ehrenvorsitzender des Fahrgastverbands Pro Bahn fest. Auch der Bonner Infektiologe und Vorstandssprecher der Deutschen Gesellschaft für Krankenhaushygiene e.V. Dr. Peter Walger hält die Belüftung der Züge für ausreichend.

Was den Flugverkehr angeht, verweisen Airlines allgemein auf die strenge Maskenpflicht sowie leistungsstarke Belüftungssysteme, die alle drei Minuten für einen gefilterten Luftaustausch sorgen würden. Durch den vertikalen Luftaustausch sei das Ansteckunsrisiko für Sitznachbar*innen minimal. „Ein Risiko entsteht nur beim Husten, Sprechen und Niesen und das ist mit der Maskenplicht nahezu komplett eliminiert“, so Walger.

Übrigens: Größtmögliche Sicherheit ist, wie so oft, eine Frage des Geldbeutels. So sind die Sitzabstände in der Ersten Klasse der Deutschen Bahn größer, in einigen Airlines können Fluggäste vergünstigt einen freien Mittelsitz buchen und in Großbritannien sind Pläne für ein Abstandskonzept in Bussen in Diskussion, bei denen die Sitzplätze der Ersten Klasse weitaus mehr Abstand aufweisen.

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6 Kommentare

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  • Ich wußte es schon lange:

    Das Auto ist und bleibt das beste Verkehrsmittel !

  • 4G
    4813 (Profil gelöscht)

    Habe während Corona, Bus, Bahn und Flugzeug genutzt.

    Die Bahn scheint mir, mit stundenlangen sitzen müssen und essenden, trinkenden sowie plappernden Reisenden sehr prädestiniert für ein Infektion zu sein. Auch sind die Züge wieder voll belegt.

  • "... Das liege dem RKI zufolge aber auch daran, dass Infektionen in Bus und Bahn nur schwer nachzuweisen seien."

    Liegt da vielleicht der Hase dieser Statistik im Pfeffer?

    Was als Infektionsquelle angesehen wird, basiert doch zuallererst auf den Aussagen des Infizierten. Wenn er sagt: "in der Familie", oder "im Büro", findet man dort u.U. weitere Infizierte, und verwechselt dann vielleicht Ursache und Wirkung.

    Wer kann schon (außer per App) benennen, mit wem er in Bus oder Bahn zusammen saß, so dass man dies als Infektionsquelle identifizieren kann?

    Da die RKI-Untersuchung aber nur erkannte Ausbrüche betrifft, also Situationen, wo bekannt ist, dass sich mehrere Leute im selben Umfeld infiziert haben, ist sie möglicherweise auf dem Auge "Verkehr" weitgehend blind. Schließlich sind überhaupt nur 27% der Infektionen einem Ausbruch zugeordnet.

    Das sagt nicht, dass Öffis gefährlich sind, aber das Gegenteil scheint es nach meiner Interpretation genau so wenig zu zeigen.

    • @Stephan Herrmann:

      So ist es. Außer man nimmt die Daten aller umstehenden Personen auf, sonst wird sich daran nichts ändern.



      Fahre nur noch Auto oder Rad, oder gehe zu Fuß. ÖPNV zuletzt ca. 3.3..

      • @sachmah:

        Ich müsste es raussuchen, aber Washington DC hat einigermaßen belastbare Daten erhoben, und nach denen sind Kurzstreckenflüge überraschenderweise viel riskanter als Bahnfahren - das Infektionsrisiko zwischen Gate und Sitz dürfte erheblich unterschätzt werden, da gibt es keine Luftfilter oder so, sondern die Leute hängen ne halbe Stunde in einer ungefilterten Aerosolwolke -, aber das generelle Infektionsrisiko beim Reisen ist eher gering. (Wo das Risiko in Ubahn/Straßenbahn/Bus liegt, weiß ich nicht mehr; vermutlich zwischen Flugzeug und Eisenbahn)

        Insgesamt muss ich sagen, dass es mehr solche Artikel geben sollte wie diesen hier, allerdings sollte man noch eine Palette an harten Daten hinzufügen - vielleicht am besten als Extremwerte "von - bis" -, und die Meinung irgendwelcher Laien eher hintenanstellen:

        Journalismus ist in Deutschland zusehends zu einer Art speakers' corner verkommen und hechelt irgendwie den Sozialmedien hinterher. Das ist ein Wettrennen um die niedrigste Qualität, das die konventionellen Medien nur verlieren können, denn ichre Reichweite ist tendenziell niedriger und baut sich vor allem viel langsamer auf (durch den redaktionellen Prozess). Das Alleinstellungsmerkmal des Journalismus bzw der konventionellen Medien ist, FAKTISCHE Informationen allgemeinverständlich weiterzugeben; da können Facebook und Twitter niemals mithalten. Und in der aktuellen Situation ist das immens wichtig.

  • Die Infektionsgefahr in der Öffentlichkeit dürfte insgesamt nicht der Treiber sein, zumindest dort, wo Masken getragen werden und man sich nicht ständig seine Aerosole gegenseitig ins Gesicht sprüht. Die meisten Infektionen gibt es in der Freizeit und auf der Arbeit. Da gilt es vorsichtig zu sein, aber das ist schwer zu kontrollieren, da hilft nur Einsicht. Einsicht gibt es aber nicht, solange die Bevölkerung den Eindruck hat, dass die Politik wieder nur redet, aber nichts tut, denn dann wirkt das so, als sei das ja gar nicht weiter schlimm.

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