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Indiens Wanderarbeiter zu CoronazeitenLanger Marsch der Gestrandeten

In Indien dürfen Wanderarbeiter zu ihren Familien zurückkehren. Doch wer nach Hause will, braucht einen Gesundheitsnachweis.

Auf dem Weg nach Hause: Wanderarbeiter im indischen Uttar Pradesh Foto: Rajesh Kumar Singh/ap

MUMBAI taz | Sie stehen dicht an dicht gedrängt vor der Polizeistation in Mumbais Slumviertel Dharavi, um sich für die Rückfahrt nach Hause zu registrieren. Es sind vor allem junge Männer, die sich in die Schlange pressen. Im größten Slum der Stadt leben laut Stadtverwaltung 200.000 Wanderarbeiter, die keinen festen Wohnsitz haben, darunter der Rikschafahrer Hemraj.

Ihre Kontaktdaten abzugeben ist nur ein Schritt für Tausende indische Binnenmigranten, die sich nach über 40 Tagen Lockdown nichts sehnlicher wünschen, als ihre Familien wieder zu sehen.

Wer nach Hause fahren möchte, braucht aber das durch die Abstandsregelung erhöhte Fahrtgeld plus Gesundheitsnachweis. So kommt es auch vor den Arztpraxen in der Nähe des Slum zu großen Menschenansammlungen.

Ende April forderte Indiens Regierung die Bundesstaaten auf, gestrandeten Wanderarbeitern ihre Heimreise zu organisieren. Doch haben viele Unternehmen kein Interesse, günstige Arbeitskräfte ziehen zu lassen.

Mehr Abstand, weniger Passagiere

Erst gab es als Transportmittel nur Busse, die aber nach den neuen Coronaregelungen nur maximal 20 Personen transportieren sollten. Nach Verhandlungen war schließlich auch die staatliche Eisenbahn zum Transport bereit. Innerhalb der ersten fünf Tage brachten 70 Sonderzüge 80.000 gestrandete Wanderarbeiter nach Hause.

Die Zugtickets sind rar, weil seit Wochen ohnehin kein regulärer Zug mehr rollt und auch jetzt nur wenige Passagiere befördert werden dürfen. Die Tickets kosten jetzt zum Teil mehrere Tageslöhne.

In den Zügen sollen mitfahrende Polizisten die Abstandsregeln durchsetzen. Manche Verzweifelte waren schon zu Fuß losgelaufen. Über 300 Todesfälle hatte es dabei allein durch Erschöpfung und Herzinfarkte gegeben, sagt Nikhil Dey von der Arbeiter- und Bauernorganisation MKSS.

„Ich hätte nie gedacht, dass ich einmal so hilflos sein würde“, sagt der 29-jährige Hemraj verzweifelt und hofft, dass er Mumbai endlich verlassen kann. Denn seit Beginn der landesweiten Ausgangssperre am 25. März ist er ohne Arbeit.

Kritik am plöztlichen Lockdown

Die Wirtschaftsprofressorin Jayati Ghosh von der Jawaharlal Nehru Universität in Neu-Delhi kritisiert, dass der plötzliche Lockdown den Menschen keine mehr Zeit ließ, um nach Hause zu kommen.

„Indien hat sich für einen harten Weg entschieden“, sagt sie zur taz. Man könne den Menschen nicht sagen, dass sie nicht arbeiten dürften, und sie dann nicht finanziell unterstützen. Ghosh bemängelt, dass Tagelöhner, die kaum genug zum Überleben haben, ihre Tickets selbst zahlen müssen.

Auch aus dem Ausland ist der Andrang groß. Ab diesem Donnerstag treffen die ersten von ca. 15.000 in zwölf Ländern gestrandeten InderInnen mit Flugzeugen ein. Sie erwartet zwei Wochen Quarantäne. In den Flugzeugen selbst soll es freie Sitzreihen für Passagiere mit Coronasymptomen geben.

200.000 Rückkehrwillige InderInnen warten in den Emiraten

Und am Wochenende sollen bis zu 1.000 InderInnen mit vier Kriegsschiffen von den Malediven und aus den Vereinigten Arabischen Emiraten geholt werden. Schon vor dem Lockdown wurden Tausende indischer Gastarbeiter aus den Golfstaaten eingeflogen. Doch noch warten viel mehr. Allein in den Emiraten meldeten sich 200.000 Ausreisewillige bei der Botschaft.

In Indien wurde die Ausgangsbeschränkung gerade bis Mitte Mai verlängert. Laut dem Centre for Monitoring Indian Economy (CMIE) verloren im März und April 114 Millionen Inderinnen ihre Jobs. Die oppositionelle Kongress-Partei hat jetzt versprochen, den in ihre Dörfer zurückkehrenden Wanderarbeitern Zugtickets zu zahlen. Für Hemraj ist erst mal nur wichtig, seine Eltern wiederzusehen.

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