Indien versucht das Unmögliche: Die größte Ausgangssperre der Welt
Premierminister Modi verhängt zur Eindämmung des Coronavirus eine Ausgangssperre in ganz Indien. Betroffen sind über 1,3 Milliarden Menschen.
Nach der Ansprache des indischen Premiers Narendra Modi am Dienstagabend, in der er die vorerst bis zum 14. April gültigen massiven Einschränkungen verkündete, eilten vielerorts die Menschen aus den Häusern, um noch schnell das Nötigste zu besorgen. Dabei waren allerdings in vielen Landesteilen schon Ausgangsbeschränkungen verhängt worden. Die erlaubten, sich mit Lebensmitteln oder Medikamenten zu versorgen, was auch weiterhin der Fall ist.
Modi sprach eindringlich aus, was ohnehin bereits gefordert und teilweise schon umgesetzt wurde. Dass möglichst viele Menschen ihre Unterkünfte nicht verlassen und räumliche Distanz wahren: „Wenn wir diese 21 Tage nicht gut bewältigen, dann wird das Land um 21 Jahre zurückgeworfen. Viele Familien werden für immer zerstört“, warnte er.
Doch ergreift die Regierung nun weitere drastische Maßnahmen zur Eindämmung der Coronapandemie, nachdem sie den internationalen Flugverkehr bereits ausgesetzt und Exportbeschränkunen für Medikamente erlassen hatte. Bisher waren Coronainfizierte in Indien vor allem TouristInnen, reisende InderInnen und deren Kontaktpersonen. In den letzten Tagen waren die Infektionen stetig angestiegen und haben inzwischen die 500er Marke überschritten.
Kritikern kommt der sogenannte Lockdown zu spät
Jetzt scheinen die Warnungen, dass Indien sich zu einem neuen Coronabrennpunkt mit Millionen Infizierten entwickeln könnte, gewirkt zu haben. Doch gibt es auch Kritik, dass der sogenannte Lockdown zu spät komme. Anderseits blieb so zumindest einigen der WanderarbeiterInnen etwas Zeit, noch ihre Familien zu erreichen. Denn für viele ist das Leben in Megacities wie Mumbai ohne Einkommen zu teuer.
Schon seit Samstagabend stehen die meisten Eisenbahnzüge still, auch der Inlandsflugverkehr. Nicht alle konnten so noch ihr Ziel erreichen. Neben Bildern von kaschmirischen Studierenden, deren Flug im südindischen Bangalore gestrichen wurde, zeigten Onlinemedien viele Gestrandete an Bahnhöfen.
Eine halbe Million Menschen hat zuletzt allein Mumbai verlassen. Darunter sind Bau- und Hilfsarbeiter, Personal aus der Gastronomie oder FahrerInnen. Geblieben sind die meisten der mindestens 8 Millionen BewohnerInnen der Slums. Für sie wird das Wasser knapp. Auch räumliche Distanz einzuhalten dürfte hier kaum funktionieren.
Einige Frauen, die als Hausangestelle arbeiten, bekommen ihren Lohn teilweise weitergezahlt. Arbeiten können jetzt nur noch wenige, wie der 60-jährige Gemüsehändler Naresh, der nach wie vor am Straßenrand sitzt, solange er Nachschub bekommt.
Lokalregierungen versprechen mehr Lebensmittelhilfe
Der Ruf nach einer Grundsicherung wird lauter. Einige Lokalregierungen haben versprochen, die staatlichen Lebensmittelzuteilungen für arme Menschen zu erhöhen. Die Opposition kritisiert, es gäbe gar nicht genügend Vorräte.
Noch Sonntagabend hatten Menschen das Ende einer nur eintägigen Ausgangssperre gefeiert. Doch statt wie von Modi gefordert vom Balkon aus zu feiern, den viele InderInnen gar nicht haben, gab es Straßenumzüge.
Auf WhatsApp kursierte die Falschmeldung, dass Glockenläuten und Klatschen sowohl Viren und Bakterien als auch bösen Mächten die Kraft nehmen würden. Bereits früher haben Falschnachrichten in Indien eine tödliche Dynamik entfaltet und sich schneller verbreitet als jetzt das Virus. Auch gegen Fake News könnte die Ausgangssperre helfen.
Schon ab Mitte März war das öffentliche Leben in der 20-Millionen-Einwohner-Metropole Mumbai schrittweise eingeschränkt worden. Milliardenschwere Industrien wie Bollywood mussten ihre Arbeit einstellen, nur Börsen und Bankgeschäfte durften weiterlaufen.
Auch in anderen Landesteilen waren Schulen, Einkaufszentren oder Kinos geschlossen worden. Hilfsorganisationen, die die Ärmsten versorgen, versuchen weiterzuarbeiten. Aber Vivek Pai, Leiter eines Lepraprojekts, sagt, dass Mitarbeiter wie Betroffene in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt seien. „Unsere Aktivitäten haben sich verringert“, sagt der Hautspezialist.
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