Indien und Pakistan: Eskalation um Kaschmir
Der schwelende Konflikt zwischen Indien und Pakistan verschärft sich. Die beiden Atommächte liefern sich die schwersten Kämpfe seit 20 Jahren.

Der gezielte militärische Schlag war seit längerem geplant. Die indische Regierung kündigte eine nationale Sicherheitsübung an. Im Vorfeld wurde bekannt, dass Flughäfen in der Nähe der Grenze zu Pakistan bis zum 10. Mai geschlossen werden. Noch in den frühen Morgenstunden schrieb Verteidigungsminister Rajnath Singh auf X: „Lang lebe Mutter Indien“. Zu diesem Zeitpunkt lief bereits die „Operation Sindoor“.
„Wir haben nur diejenigen ins Visier genommen, die unschuldige Zivilisten getötet haben“, erklärte Minister Singh von der hindunationalistischen Regierungspartei BJP. Unter den getroffenen Zielen sei das Hauptquartier der islamistischen Terrororganisation Lashkar-e-Taiba (LeT). Die Regierung in Neu-Delhi macht die LeT für den Anschlag in Pahalgam am 22. April verantwortlich, bei dem 26 Männer starben, die meisten waren Touristen. Auch die Anschlagsserie in Mumbai 2008 soll auf ihr Konto gehen.
Bei den aktuellen indischen Angriffen sollen auch Mitglieder der Terrororganisation Jaish-e-Mohammed getötet worden sein. Pakistan meldete unterdessen den Abschuss von fünf indischen Jets, die den Luftraum verletzt hätten. Pakistans Premierminister Shehbaz Sharif verurteilte die „feigen Angriffe“ und kündigte Vergeltung an.
Pakistan will auf Angriffe reagieren
„Pakistan hat jedes Recht, auf diese Kriegshandlung Indiens mit aller Härte zu reagieren“, sagte Sharif. Am Mittwochnachmittag (Ortszeit) gab die Regierung der Armee grünes Licht für eine „angemessene Antwort“ auf Indiens Aggression. Bislang bestreitet Islamabad jede Beteiligung am Anschlag in Pahalgam. Delhi sieht jedoch den pakistanischen Militärgeheimdienst als Drahtzieher.
Pakistans Informationsminister Ataullah Tara sagte auf Sky News: „Es gibt keine Terroristenlager in Pakistan“, das Land sei selbst Opfer des Terrorismus. Doch auch Indien hat Opfer zu beklagen. Pakistan ging ebenfalls in der Grenzregion vor. Laut Medienberichten starben mindestens acht Personen im mehrheitlich muslimischen Unionsterritorium Jammu und Kashmir, weitere wurden verletzt.
„Eine Mörsergranate schlug um 2 Uhr nachts in unser Haus ein“, berichtete Bhaderuddin Naik aus der Grenzstadt Uri. „Zuerst konnten wir nicht schlafen, da der Beschuss nicht aufhörte. Plötzlich schlug eine Granate ein, die mich, die Frau meines Bruders und mein Kind verletzte“, sagte der 35-jährige Tagelöhner. Die Polizei rettete die Familie, nachdem das Haus in Brand geraten war.
Während Israel Indiens Recht auf Selbstverteidigung unterstützt, bezeichnet US-Präsident Donald Trump die indische Militäroperation als „Enttäuschung“. Die Europäische Union forderte beide Länder auf, „Schritte zur Deeskalation“ zu unternehmen. Ähnlich äußerten sich Japan, die Vereinigten Arabischen Emirate, Russland, China und die Islamische Republik Iran. Kurz zuvor war Irans Außenminister Abbas Araghtschi nach Islamabad gereist, um zwischen den Atommächten zu vermitteln. Nicht nur zahlreiche Staaten zeigen sich besorgt, auch internationale Fluggesellschaften haben begonnen, Pakistan zu umfliegen.
Ungewisser Ausblick
Wie der Konflikt endet, bleibt ungewiss. Südasien-Expert:innen wie Michael Kugelman gingen bisher nicht von einem Krieg aus, warnen aber vor der Bereitschaft beider Seiten, trotz Atomwaffen erhebliche Gewalt einzusetzen. Allerdings hat der jahrzehntelange andauernde Konflikt in der Kaschmir-Region die indische Opposition hinter die Regierung von Narendra Modi gebracht. „Unsere volle Unterstützung gilt den Streitkräften – mit Liebe und Solidarität, im Namen der gesamten Kongresspartei“, erklärte Oppositionsführer Rahul Gandhi. Unterdessen laufen in anderen Teilen des Landes Katastrophensimulationen ab.
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