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Indien und PakistanDie Spannungen sind zurück

Sven Hansen
Kommentar von Sven Hansen

Nach dem Terroranschlag in Kaschmir kündigt Indien ein Wasserabkommen mit Pakistan auf. Droht die Lage weiter zu eskalieren?

Protest gegen die Aussetzung des Indus-Wasser-Vertrags durch Indien in Karatschi, Pakistan, 24. April 2025 Foto: Akhtar Soomro/reuters

U S-Präsident Bill Clinton nannte die zwischen Indien und Pakistan umstrittene Grenze in Kaschmir 1998 „die gefährlichste Region der Welt“. Zuletzt war es dort ruhiger. Doch mit dem Terroranschlag auf Touristen am Dienstag sind die Spannungen zurück. Reflexartig und ohne Beweise vorzulegen, beschuldigt Indien den Nachbarn Pakistan, hinter dem Massaker mit 26 Toten zu stecken. Das mag sein, auch wenn Pakistan dementiert, schließlich entspräche dies der früheren Taktik seines Militärs einer kontrollierten Eskalation mittels eingeschleuster Kämpfer. Islamabads Generäle haben aus innenpolitischem Gründen nichts gegen außenpolitische Spannungen. Delhi muss reagieren, macht es sich aber zu leicht, zudem stehen seine Politiker unter dem Druck ihrer eigenen scharfen Rhetorik. Dabei sind ihre Optionen sehr begrenzt, sonst könnte ein Atomkrieg drohen.

2019 hatte Indien nach einem Pakistan zugeschriebenen Terroranschlag sogar Kampfjets über die Kaschmir-Grenze geschickt und ein angebliches Terrorausbildungslager bombardiert. Beobachter werteten das als Schlag ins Nirgendwo, umgekehrt gelang es Pakistan, einen indischen Jet abzuschießen, dessen Pilot bald freikam. Beide Seiten hatten gesichtswahrend ihren Punkt gemacht, aber nicht mehr weiter eskaliert.

Auch Indiens jetzige Ausweisung pakistanischer Diplomaten und Staatsbürger, die Islamabad ähnlich beantwortete, sowie Delhis Suspendierung des Indus-Wasservertrags mit Islamabad sind erst einmal symbolisch. Der Wasservertrag, der 1960 nach neunjährigen Verhandlungen zustande kam und seitdem alle Kriege gegeneinander überdauert hat, ist der wichtigste bilaterale Vertrag. Ohne ihn könnte Delhi theoretisch Pakistan das Wasser abstellen – ein Spiel mit dem Feuer. Aber das geht nicht von heute auf morgen, dazu braucht Indien Dämme zur Umleitung oder Aufstauung.

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Die Suspendierung, die schon nach früheren Pakistan zugeschriebenen Anschlägen diskutiert, aber nie umgesetzt worden war, ist eine Eskalation. Zum Glück nicht militärisch und erst einmal nur ein Fingerzeig, den Pakistan bei Umsetzung „Kriegsakt“ nennt. Doch passt dies für Delhi zu einem Streit um zwei im Bau befindliche Wasserkraftwerke an Nebenflüssen in Indien, bei denen Pakistan vertraglich ein Mitspracherecht hat und bereits protestierte. Bisher konnten sich beide nicht einigen, was Indien jetzt umgehen kann. Doch darauf dürfte wiederum Pakistan reagieren, schließlich wird es nach Islamabads Lesart zu Unrecht bestraft. Die Gefahr einer Eskalation bei dieser sorgsam gepflegten Feindschaft bleibt.

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Sven Hansen
Auslandsredakteur (Asien)
Asienredakteur seit 1997, studierte Politologie in Berlin und Communication for Development in Malmö. Organisiert taz-Reisen in die Zivilgesellschaft, Workshops mit JournalistInnen aus Südostasien und Han Sens ASIENTALK. Herausgeber der Editionen Le Monde diplomatique zu Südostasien (2023), China (2018, 2007), Afghanistan (2015) und Indien (2010). Schreibt manchmal auch über Segeln. www.fb.com/HanSensAsientalk @SHansenBerlin
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