Indien entzieht Devisenlizenz: Arme Schwestern Mutter Teresas
Indiens Regierung ordnet an, dass der karitative Orden der Friedensnobelpreisträgerin keine ausländischen Gelder mehr annehmen darf.
„Verführung junger Mädchen zum Christentum“, so lautet einer der Vorwürfe, mit denen sich die Schwestern im Dezember konfrontiert sahen. Die Konversion von Hindus war ihnen bereits zuvor vorgeworfen worden, was sie vehement bestreiten. Doch nun folgte der Lizenzentzug.
In einer Regierungserklärung wurden nicht näher genannte „negative Informationen“ genannt, die bei einer Buchprüfung aufgetaucht seien. Die Vorwürfe von Hindu-Hardlinern von Zwangsbekehrungen unter dem Deckmantel der Wohltätigkeit wurden darin allerdings nicht erwähnt.
Mamata Banerjee, die zur Regierung in Delhi in Opposition stehende Ministerpräsidentin Westbengalens, mahnt, dass jetzt mehr als 22.000 Mitarbeitende der Ordensgemeinschaft und die von ihnen betreuten Patienten betroffen seien.
„Grausames Weihnachtsgeschenk“
Pater Dominic Gomes von der Erzdiözese Kolkata, der Hauptstadt Westbengalens, sprach von einem „grausamen Weihnachtsgeschenk“.
1950 waren die Missionarinnen der Nächstenliebe von der albanisch-stämmigen Nonne Mutter Teresa gegründet worden. Sie wurde 1979 für ihre humanitäre Arbeit mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet. Sie starb 1997 in Kolkata und wurde 2016 von Papst Franziskus heilig gesprochen.
Ihre Ordensgemeinschaft umfasst weltweit mehr als 3.000 Schwestern, die Hospize, Gemeinschaftsküchen, Schulen, Lepra-Einrichtungen und Heime betreiben. Der Tageszeitung The Hindu zufolge erhielten sie im Haushaltsjahr 2020/21 umgerechnet 662 Millionen Euro aus dem Ausland.
Hebel zur Schwächung kritischer Organisationen
Nichtregierungsorganisationen brauchen in Indien eine Genehmigung zum Empfang von Geldern aus dem Ausland. 2020 wurde das Verfahren von der hindunationalistischen Regierung verschärft, um mit diesem Hebel kritische Organisationen zu schwächen. So wurden auch schon Greenpeace und Amnesty International massiv ausgebremst.
Das Vorgehen gegen die Ordensschwestern fällt jetzt zusammen mit vermehrten Angriffen gegen die christliche Minderheit, die zwei Prozent der Bevölkerung ausmacht. Zu Weihnachten sorgten eine zerstörte Jesus-Statue in Nordindien sowie Störungen durch Hindunationalisten bei einer Schul-Weihnachtsfeier in Südindien für Schlagzeilen. Auch wurden der christlichen New Hope Foundation in Tamil Nadu und den Holy Spirit Ministries die Lizenz entzogen.
Zehn Organisationen aus den Bereichen Klimawandel, Umwelt und Kinderrechte, die aus westlichen Ländern unterstützt werden, sind laut der Zeitung The Hindu derzeit auf einer Beobachtungsliste.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
Spiegel-Kolumnist über Zukunft
„Langfristig ist doch alles super“
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Slowakischer Regierungschef bei Putin im Kreml
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Krieg in der Ukraine
„Weihnachtsgrüße“ aus Moskau