In russischer Geiselhaft: Freiheit für Evan Gershkovich!
US-Reporter Evan Gershkovich sitzt im Moskauer Lefortowo-Gefängnis. Ihm droht eine lange Haftstrafe. Doch Journalismus ist kein Verbrechen.
E inst verließen die Eltern von Evan Gershkovich, jüdische Emigranten, die Sowjetunion in der Hoffnung auf ein besseres Leben Richtung Amerika. Sie nannten ihren heute 31-jährigen Sohn Evan. Das klang wie Iwan, aber sah nicht russisch aus.
Vor über zwei Wochen nun wurde der Journalist Evan Gershkovich in Jekaterinburg im Ural unter dem Vorwurf der Spionage vom russischen Inlandsgeheimdienst FSB festgenommen. Der FSB wirft ihm vor, versucht zu haben, „geheime Informationen zu beschaffen“. Gershkovich soll zur Söldnertruppe Wagner, der russischen Privatarmee, recherchiert haben. Jetzt sitzt der Reporter in Untersuchungshaft im berüchtigten Moskauer Lefortowo-Gefängnis. Ihm drohen bis zu 20 Jahre Haft.
Mit Mitte 20 beschloss Gershkovich nach Russland zu ziehen, um künftig über das Heimatland seiner Eltern zu berichten. Er arbeitete zunächst für die englischsprachige Moscow Times, anschließend für die französische Nachrichtenagentur AFP und im vergangenen Jahr für das Wall Street Journal.
Gershkovich berichtete während der Coronapandemie über die Zustände in Krankenhäusern, sprach mit russischen Medizinstudenten, die versuchten die Flut an Covid-Patient:innen zu behandeln. In seinem letzten Text, den er zusammen mit einem Kollegen schrieb und der kurz vor seiner Festnahme erschien, berichtete der Reporter über den Niedergang der russischen Wirtschaft.
Hervorragender Reporter
Freunde beschreiben Gershkovich als witzigen, gutherzigen Menschen – und hervorragenden Reporter. Als einen, der es als seine berufliche Pflicht ansah, auch nach dem 24. Februar 2022 weiter aus Russland zu berichten; einen, der sich privilegiert fühlte, dies tun zu können, während russische Kolleg:innen es nicht mehr konnten. Für sie war es unmöglich geworden, in ihrer Heimat zu arbeiten. Die meisten flohen ins Exil.
Es war nur eine Frage der Zeit, bis auch ausländische Journalist:innen die Repressionen des russischen Regimes zu spüren bekommen würden. Klar, wenn kaum noch einheimische Journalist:innen da sind, die man drangsalieren kann, sucht man sich neue Opfer.
Gershkovichs Verhaftung ist eine klare Botschaft des russischen Regimes an westliche Medien und Journalist:innen: Seid euch gewiss, ihr könntet die nächsten sein! Wir können euch willkürlich verhaften! So wird Angst gesät, die Korrespondent:innen mundtot machen soll. Schritt für Schritt wird Russland zu einer Blackbox, in der die russische Führung frei drehen kann, ohne dass es jemand mitbekommt.
Dass Gershkovich unschuldig ist, ja die Vorwürfe gegen ihn mehr als dubios sind, ist irrelevant. Womöglich wird das russische Regime den Journalisten als Verhandlungsmasse benutzen und einen möglichen Gefangenenaustausch anstreben, wie schon im Falle der US-Basketballerin Brittney Griner. Entscheidend sein wird also nicht, Gershkovichs Unschuld zu beweisen, sondern, wen man im Tausch anbieten kann. Verlangen könnte Russland erneut Wadim Krassikow, der wegen des „Tiergartenmordes“ in Deutschland in lebenslanger Haft sitzt. Ihn auszuliefern, hatte Deutschland damals jedoch abgelehnt.
Journalismus ist kein Verbrechen!
Dass ein unschuldiger Mensch seiner Freiheit beraubt wird, um die eigenen niederträchtigen Ziele zu erreichen, beweist einmal mehr, zu welchem menschenverachtenden Regime sich Russland entwickelt hat.
Anfang kommender Woche wird dieses Regime vorgeben, ein Rechtsstaat mit einer funktionierenden Justiz zu sein. Da wird sich nämlich ein Gericht mit dem Einspruch befassen, den Gershkovich durch seinen Anwalt eingelegt hat.
Evan Gershkovich hätte niemals verhaftet werden dürfen. Er muss unverzüglich freigelassen werden. Journalismus ist kein Verbrechen! Freiheit für Evan Gershkovich!
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