In der Kühlkammer: Von brunftelnden Rotwildbullen
Spontan bestellt unser Autor 200 Kilogramm Hirschfleisch und die kulinarische Herausforderung beginnt.
H ätten Sie Interesse an einem Hirsch?“, fragte der Jäger am Telefon und fiel gleich mit der Beute in die Küche. „Ein ganzer Hirsch“, sagte ich, „das ist zu viel, aber einen halben würde ich nehmen.“ Als ich auflegte, fragte ich mich, was das gerade für eine kapitale Dummheit gewesen war. 14 Jahre alt sei das Tier, hatte der Jäger noch gesagt, von Rangkämpfen gemurmelt, das Tier müsse aus dem Bestand „entnommen“ werden.
Nach einer Google-Recherche war mir klar: Ich würde etwa 200 Kilogramm Hirschfleisch bekommen. Dafür zahlte ich etwa so viel wie für mein letztes Smartphone und wusste nicht, ob das Fleisch „brunftelt“. Bei so einem Rotwildbullen ist das wahrscheinlich. Im Spätsommer beginnt die Brunft, und der hohe Testosteronspiegel sorgt für den strengen Geschmack, den männliches Wild manchmal hat.
Den versuchten Generationen von KöchInnen mit Marinaden aus Buttermilch, Bier oder Rotwein zu überdecken. Ganz unter uns gesagt stets erfolglos. Ich hatte nicht die Katze, sondern den Hirsch im Sack gekauft, und war selbst schuld.
Vorder- und Hinterlauf sind zuerst in den Kühlraum eingezogen, zudem die Hälfte eines sehr langen Rückens, die dazugehörigen Bauchlappen, Leber, Herz und Zunge auf große Fleischerhaken gespießt. Der Hinterlauf hätte mich beim Aufhängen fast erschlagen.
Wie alte Kuh
Mit dem Ausbeinmesser bin ich ungeübt, die Knochen aus den Muskeln zu schälen und das Fleisch zu zerteilen – dafür brauchte ich allein beim Vorderlauf einige Stunden. Ich handelte mir einen seltsamen Muskelkater auf dem Handrücken und im Ballen direkt unter dem kleinen Finger ein. Der aber ignoriert wurde, weil der größere Hinterlauf nicht warten konnte.
Dieser Text stammt aus der wochentaz. Unserer Wochenzeitung von links! In der wochentaz geht es jede Woche um die Welt, wie sie ist – und wie sie sein könnte. Eine linke Wochenzeitung mit Stimme, Haltung und dem besonderen taz-Blick auf die Welt. Jeden Samstag neu am Kiosk und natürlich im Abo.
Für die Geschmacksprobe auf dem Teller: ein kleines Rippenstück, leicht gesalzen, auf jeder Seite zwei Minuten kurz gegrillt, innen roh und dunkelrot, medium rare.
Es war sensationell faserig mit angenehm metallischem Geschmack vom Blutfarbstoff Hämoglobin. Wenn Sie schon einmal Fleisch von einer alten Kuh gegessen haben, wissen Sie, was ich meine. Aber das Wichtigste: Das Fleisch brunftelte null. Der Hirsch war aus dem Sack.
Viel mehr als nur Braten
Tja, und was macht man nun damit? Die meisten Kochbücher beschränken sich auf Braten, Gulasch oder Ragout. Je mehr ich mich mit Wildfleisch beschäftige, frage ich mich, warum. Ich habe daraus schon Tatar geschnitten, Kebab aufgespießt, Burgerpattys gepresst oder Saltimbocca Carpaccio gemacht.
Von den Wildschwein-Salsicce habe ich schon erzählt. Mit dem Hirsch bin ich weiter in die Charcuterie eingestiegen. Brust und der Nacken hängen inzwischen gepökelt im Kühlraum und müssen nun ein paar Wochen trocknen. Sie werden zu Schinken.
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