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In Mexiko verschwundene StudentenEx-Staatsanwalt verhaftet

Im Fall der 43 verschwundenen Studenten von Ayotzinapa gibt es jetzt Haftbefehle. Sie ergehen gegen Militärs, Polizisten und andere Staatsbedienstete.

Lange Suche nach der Wahrheit: Demonstration für die verschwundenen 43 Studenten im Oktober 2014 Foto: reuters

Oaxaca taz | Die Vorwürfe gegen Jesús Murillo Karam haben es in sich: Verschwindenlassen von Menschen, Folter, Delikte gegen die Justizverwaltung, sprich Behinderung der Strafverfolgung. Mit diesen Beschuldigungen sitzt der ehemalige mexikanische Generalbundesanwalt nun im Hochsicherheitsgefängnis in Haft. Nur einen Tag, nachdem die Wahrheitskommission im Fall des Verschwindens von 43 Studenten ihren ersten Bericht veröffentlicht hatte, wurde der Jurist am Freitag verhaftet. Seit Samstag muss er sich den Aussagen geschützter Zeugen stellen.

Zugleich erließ die mexikanische Justiz Haftbefehl gegen 20 hochrangige Armeeangehörige, 44 Polizisten, fünf bundesstaatliche Amtsträger sowie 14 Mitglieder der kriminellen Organisation „Guerreros Unidos“. Sie alle sollen mitverantwortlich sein für den Angriff, bei dem die jungen Männer in der Nacht auf den 27. September 2014 in der Stadt Iguala von Polizisten und Kriminellen verschleppt und sechs weitere Menschen ermordet wurden. Von den meisten der Studenten fehlt jede Spur, nur die sterblichen Überreste von dreien konnten zugeordnet werden.

Als oberster Strafverfolger war Murillo Karam an zentraler Stelle verantwortlich für die Aufklärung des Falles. Er unterstand direkt dem damaligen Präsidenten Enrique Peña Nieto. Bereits vier Monate nach dem Verbrechen wollte der Jurist die Ermittlungen beenden. Der Fall sei gelöst, die jungen Männer seien ermordet und dann auf einer Müllhalde in der nahegelegenen Stadt Cocula verbrannt worden. Dafür seien lokale Polizisten und die Guerreros Unidos verantwortlich. Das sei die „historische Wahrheit“.

Die vom amtierenden Staatschef Andrés Manuel López Obrador eingesetzte Wahrheitskommission kam jedoch wie zuvor schon eine internationale Expertengruppe zu dem Schluss, dass für diese Behauptung keine Beweise existierten. Die „historische Wahrheit“ sei eine Konstruktion gewesen, um zu verhindern, dass die wahren Hintergründe des Verbrechens aufgedeckt werden. Um sie zu untermauern, seien der vermeintliche Tatort manipuliert und Gefangene gefoltert worden. Videoaufnahmen zeigen, dass Marinesoldaten und Murillo Karam auf der Müllhalde waren, bevor diese zum Tatort erklärt wurde. Beamte transportierten Behälter und entzündeten ein Feuer.

Der Ex-Bundesanwalt wollte den Fall von Anfang an vertuschen

Die jetzigen Strafverfolger machen den Ex-Generalstaatsanwalt auch direkt verantwortlich für das Foltern von sechs mutmaßlichen Tatverdächtigen. Dieselben Vorwürfe richten sie auch gegen Tomás Zerón, der damals zuständige oberste Polizeichef des Landes. Zerón lebt derzeit in Israel. Die mexikanischen Behörden haben einen Auslieferungsantrag gestellt, dem deren israelische Kol­le­g*in­nen jedoch nicht nachkommen.

Der Wahrheitskommission zufolge waren in das Verschwindenlassen lokale, bundesstaatliche und föderale Polizisten, Behörden sowie das Militär eingebunden. Der Leiter des Gremiums, der Staatssekretär Alejandro Encinas, bezeichnete den Angriff deshalb als „Staatsverbrechen“.

Der Bericht des Gremiums nimmt jede der Behauptungen auseinander, mit denen Murillo Karam den Fall ad acta legen wollte. So seien die Studenten beispielsweise nicht alle zusammen, sondern in mindestens drei Gruppen an verschiedene Orte verschleppt worden.

Der Ex-Generalbundesanwalt ließ von Anfang keine Zweifel daran, dass er den Fall so schnell wie möglich abschließen wollte. Bereits im November 2014 antwortete er auf kritische Fragen von Jour­na­lis­t*in­nen mit den Worten: „Es langweilt mich schon.“

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