Immobilienmarkt in Berlin: Von wegen „kleine Leute“
Viele Berliner Immobilien gehören Finanzmarktprofis. Wer das Grundrecht auf Wohnen will, muss die Eigentumsverhältnisse kennen.
Der Immobilienmarkt ist außer Rand und Band. Das weiß sogar Uroma Erna in ihrer Wohnung ohne Internetanschluss in Villingen-Schwenningen. Menschen, die in den letzten Jahren in einer Großstadt eine Mietwohnung gesucht haben, wissen es erst recht.
In Berlin soll der von Rot-Rot-Grün implementierte Mietendeckel dem entfesselten Markt Einhalt gebieten. Vor allem CDU- und FDP-Politiker*innen haben sich bislang daran aufgerieben, als würde man ihnen ihre Eigentumswohnung am Savignyplatz wegnehmen wollen. Solche Maßnahmen brächten die den Berliner Wohnungsmarkt dominierenden Kleinvermieter*innen um ihre Rente, lautet ihr Mantra. Diesen Mythos widerlegt nun eine Studie der Linke-nahen Rosa-Luxemburg-Stiftung.
Berlin gehört laut der Studie fast zur Hälfte Finanzmarktprofis. Allein börsennotierten Unternehmen wie der Deutsche Wohnen, Investmentfonds und Banken gehören laut der Studie 16,5 Prozent der Immobilien in Berlin. Dazu kommen private Großgrundbesitzer, die zum Teil mehrere Tausend Wohnungen besitzen und dafür bekannt sind, Miet- in Eigentumswohnungen umzuwandeln oder die Mieten nach Sanierung auf ein Vielfaches zu erhöhen.
Außerdem mischen Private-Equity-Unternehmen wie die US-amerikanische Firma Blackstone ordentlich mit. Blackstone verschleiert erst gar nicht, was sein oberstes Ziel ist: möglichst viel Kohle machen. In Berlin haben solche Firmen in den letzten Jahren teilweise mehr als 20 Prozent Rendite eingefahren.
Vormieterin Waltraud kann ja ins Altersheim ziehen
Was ist schon dabei, könnte man denken: Manche Menschen verdienen ihr Brot damit, unter Einsatz ihrer Gesundheit komatöse Covid-19-Patient*innen zu waschen oder Lebensmittel über die Autobahn zu karren. Andere finanzieren ihre Austern damit, ein Haus in Berlin-Mitte zu kaufen, und das lichtdurchflutete Apartment im Vorderhaus für ein paar Milliönchen an Uli aus München zu verscherbeln. Vormieterin Waltraud kann ja ins Altersheim ziehen.
Die Studie ändert nichts daran. Aber sie liefert Argumente dafür, den Immobilienmarkt zu regulieren und Eigentümer*innenverhältnisse transparent zu machen – nicht nur in der Hauptstadt. Dann wüssten Mieter*innen zumindest, für wessen Villa an der Côte d’Azur sie bei der Wohnungssuche ihren Arbeitsvertrag offenlegen, sich mit 500 anderen Verzweifelten durch die Besichtigung quälen oder die Niere ihrer Schwester verkaufen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
BSW in Koalitionen
Bald an der Macht – aber mit Risiko
Dieter Bohlen als CDU-Berater
Cheri, Cheri Friedrich
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Selbstzerstörung der FDP
Die Luft wird jetzt auch für Lindner dünn
Stellenabbau bei Thyssenkrupp
Kommen jetzt die stahlharten Zeiten?