Immobilienkrise bei Signa: Vom Wunderwuzzi und seinem Absturz
Der österreichische Geschäftsmann René Benko hat sich verzockt. Das könnte schwerwiegende Auswirkungen über sein Imperium hinaus haben.
E rst Milliardär, nun bankrott: Der Tiroler Immobilienunternehmer René Benko hat ein Leben geführt, für das die Österreicher den lustigen Begriff Wunderwuzzi geprägt haben. Doch so atemberaubend Benkos Finanzmanöver waren, so verfehlt wäre es, den 46-Jährigen zu einer seltsamen Ausnahmeerscheinung zu erklären.
Benko hat nur ins Extrem getrieben, was in der gesamten Immobilienbranche üblich ist: Man finanziert auf Kredit und spekuliert auf steigende Gebäudepreise. Die Frage ist also, ob auf den Konkurs vom Wunderwuzzi noch weitere große Pleiten folgen könnten – und ob eine echte Finanzkrise droht.
René Benko ist in eine typische Falle geraten: Er hat darauf vertraut, dass die Kreditzinsen auf Dauer ganz niedrig sein werden und es keinerlei Risiko darstellt, immer neue Darlehen aufzunehmen. Doch dann kam die Zinswende der Europäischen Zentralbank, mit der die Kredite deutlich teurer wurden, um die Inflation zu bekämpfen. Diese steigende Zinslast konnte Benko nicht tragen.
Er hätte also frisches Geld gebraucht, um die Lücken in seiner Bilanz zu stopfen. Doch nun schnappte die zweite Falle zu: Es gab niemanden mehr, der noch in sein Imperium investieren wollte – weil die Immobilienpreise fallen, statt zu steigen. Benko hatte den Fehler gemacht, zu glauben, dass Betongold ganz sicher sei.
Immobilienkrisen sind gefährlicher als Aktienkrisen
Dieser Text stammt aus der wochentaz. Unserer Wochenzeitung von links! In der wochentaz geht es jede Woche um die Welt, wie sie ist – und wie sie sein könnte. Eine linke Wochenzeitung mit Stimme, Haltung und dem besonderen taz-Blick auf die Welt. Jeden Samstag neu am Kiosk und natürlich im Abo.
Benko ist besonders bedenkenlos ins Risiko gegangen, aber das Doppelproblem von steigenden Zinsen und fallenden Immobilienpreisen dürfte auch anderen Banken, Versicherungen und Fonds zu schaffen machen. Ein paar Zahlen zeigen das Ausmaß der Misere: Die Preise für Gewerbeimmobilien sind im vergangenen Jahr um 10,3 Prozent gesunken. Zudem ist der Markt wie eingefroren. Es ist sehr schwer, überhaupt noch Gebäude loszuwerden: Die Immobilientransaktionen im Euroraum sind im ersten Halbjahr 2023 um 47 Prozent im Vergleich zum Vorjahr zurückgegangen.
Die Immobilienbranche tröstet sich zwar jetzt, dass die Inflationsraten wieder fallen, sodass die Zentralbank auch die Zinsen senken könnte. Aber unschön bleibt, dass viele Gewerbeimmobilien gar nicht mehr gebraucht werden: Das Büro wird oft durchs Homeoffice ersetzt; und gekauft wird weniger in Läden und häufiger im Onlineshop. Die Preise für Gewerbeimmobilien dürften sich nicht so bald erholen.
Immobilienkrisen sind immer gefährlich, viel gefährlicher als Aktiencrashs, weil ein großer Teil des Volksvermögens in Gebäuden angelegt ist. Allein die Darlehen für Gewerbeimmobilien machen zehn Prozent aller Bankkredite aus. Und dann gibt es noch die Versicherungen und Fonds, die ebenfalls in Büros und Einkaufszentren investieren. Wie groß das Risiko eines Crashs ist – das kann niemand sagen.
Auch bei Benko wabert noch der Finanznebel. Zwar ist klar, dass seine Dachgesellschaft Signa Holding insolvent ist und auf etwa 5 Milliarden Euro Schulden sitzt. Aber unbekannt ist, wie viele Kredite die bis zu 1.000 Unterfirmen aufgenommen haben könnten. Die US-Bank JPMorgan schätzt, dass allein die beiden größten Immobilientöchter weitere 13 Milliarden Euro Schulden haben.
Diese Kredite sind wahrscheinlich nicht komplett verloren, denn normalerweise werden Darlehen besichert – durch genau jene Immobilien, die damit gebaut oder erworben wurden. Aber Geld kommt nur rein, wenn sich die Gebäude verkaufen lassen – was gerade schwierig ist. Benko dürfte der Anfang einer Immobilienkrise sein, nicht das Ende.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Juso-Chef über Bundestagswahlkampf
„Das ist unsere Bedingung“
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestellerautor will in den Bundestag
Nukleare Drohungen
Angst ist ein lautes Gefühl
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Eine ganz normale Woche in Deutschland