piwik no script img

Immobilienanzeige für den SchillerkiezWillkommen, Gentrifizierer!

Ein Anbieter wirbt mit dreisten Phrasen um neue Mieter für eine Wohnung im Neuköllner Schillerkiez – und bildet damit die Wirklichkeit ab.

Mit der Öffnung des Tempelhofer Feldes begann die Aufwertung des Schillerkiezes Foto: dpa

Wenn es für die Hipness des Neuköllner Schillerkiezes noch eines Beweises bedurfte, dann ist er jetzt erbracht. Mit „Gentrification wellcome“ (ja, das schreibt man eigentlich anders) wird auf Immoscout eine Ein-Zimmer-Wohnung an der Schillerpromenade beworben. Sie sei „umgeben von Szenekneipen, Galerien, Künstlern und Boheme“. Und ist laut Anbieter „ganz nahe am Nerv der Zeit. Sehr viele Flüchtlinge fanden im Flughafengebäude eine neue Heimat“.

Das kommt so dreist daher, dass man es nicht glauben mag. Ist die Anzeige echt? Die als Anbieter firmierende Hausverwaltung gibt es; sie wollte sich bis Freitagnachmittag aber nicht zu dem Inserat äußern.

In der stadtpolitischen Debatte ist der Begriff Gentrifizierung ein Schimpfwort. Man denkt dabei sofort an den Siegeszug des Latte macchiato über den Filterkaffee und die Verdrängung all derer, die sich die steigenden Mieten nicht leisten können. Mit Gentrifizierung offensiv zu werben ist schlicht krass.

Andererseits bildet es die Wirklichkeit ab. Denn natürlich gibt es unter denen, die italienische Kaffeesorten bestellen und 10 Euro pro Quadratmeter kalt bezahlen, Leute, die gerne unter sich bleiben. Sie würden es vielleicht nicht laut sagen. Aber manch einer hat sicher nichts dagegen, wenn die Armen aus dem Viertel nach und nach verschwinden.

Die Flüchtlinge wiederum werden in der Wohnungsanzeige reduziert auf die Funktion als Lifestyle-Accessoires. Das ist einerseits geschmacklos. Andererseits kann ihnen nichts Besseres passieren: Wie schön wäre es, wenn die Präsenz der Flüchtlinge überall als großstädtisch, attraktiv und werbewirksam angesehen würde.

Der Hausverwaltung – so sie denn hinter der Anzeige steht – muss indes irgendwann aufgefallen sein, dass ihre Ortsbeschreibung für Irritationen sorgt. Die Flüchtlinge und die Gentrification waren am Freitag jedenfalls aus dem Inserat verschwunden. Dafür wird die Wohnung jetzt angepriesen mit: „Fehlt nur noch der eigene Hubschrauberlandeplatz. Einfach mal beim Berliner Senat nachfragen.“ Auf so eine verschraubte Idee muss man erst mal kommen.

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

2 Kommentare

 / 
  • 1G
    12294 (Profil gelöscht)

    Nene, so schwarz-weiß ist das Thema nicht. Klar, ich wäre auch dagegen, wenn meine Miete steigt. Aber wenn man gegen Leute mit Geld und einer Vorliebe für Espresso hetzt, dann ist das eben auch nur Hetze. Ob ich jetzt in meinem Viertel keine Flüchtlinge oder keine Schwaben haben will, ist Latte. Macchiato!

  • Eigentlich ganz lustig wenn es nicht so herabwertent wäre gegenüber vielen, vielen Menschen!