Imam-Ausbildung in Deutschland: Beruf ohne Aussicht
Nach dem Aus der Weiterbildung für Imame an der Uni Osnabrück will die Politik mit den muslimischen Verbänden sprechen. Die eigentliche Frage ist die nach ihrer Bezahlung.
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Der zuständige Projektkoordinator, Roman Singendonk, hatte gegenüber der Neuen Osnabrücker Zeitung gesagt, man schlage jetzt Alarm. „Alleine schaffen wir es nicht.“ Die Vizepräsidentin der Uni, Martina Blasberg-Kuhnke, hatte erklärt, dass man die Ausbildung weiterführen würde, wenn es erneut Mittel für das Projekt gäbe.
Das hatte sich bislang vor allem über Drittmittel finanziert, vom Land Niedersachsen kam laut Wissenschaftsministerium ein „sehr geringer“ Betrag, seit 2014 sei es eine Summe von 150.000 Euro gewesen. Weiter ist aus dem Haus zu hören, dass man das Projekt für „sehr erfolgreich“ halte – die Teilnehmerzahlen seien aber deutlich zurückgegangen. Statt rund 80 TeilnehmerInnen wie zu Beginn seien es inzwischen nur noch etwa 20. Man sei im Gespräch mit der Universität, so sagt es eine Sprecherin des Ministeriums. „Unsere Haltung ist, dass die Uni den Bedarf prüfen soll.“
Gleichzeitig soll aber auch die Möglichkeiten einer Imamausbildung im Gespräch mit den muslimischen Verbänden geprüft werden. In der Vergangenheit war die Kommunikation allerdings auf Eis gelegt worden. Nach Spionagevorwürfen gegen Imame in Deutschland, die im Auftrag der Ditib, der Türkisch Islamischen Union, mutmaßliche Gülen-Anhänger bespitzelt haben sollen, hatten mehrere Bundesländer, darunter Niedersachsen, die Gespräche über Staatsverträge mit den muslimischen Gemeinden ausgesetzt.
Rauf Ceylan, Professor für gegenwarts-bezogene Islamforschung
Von Seiten des niedersächsischen Ditib-Landesverbandes hieß es, man sei offen für Gespräche. „Wir stehen einer Imam-Ausbildung in Deutschland nicht skeptisch gegenüber“, sagte die Ditib Landesgeschäftsführerin Emine Oguz der Neuen Osnabrücker Zeitung. Die islamischen Gemeinschaften müssten dabei jedoch federführend mitwirken, weil sonst das Vertrauen der Community nicht gewährleistet sei.
Laut Rauf Ceylan, Professor für gegenwartsbezogene Islamforschung, ist die Organisation einer dem kirchlichen Vikariat entsprechenden Ausbildung der Imame nur eine der zu lösenden Fragen. Die zweite ist für ihn die der Bezahlung. Denn die muslimischen Gemeinden erhalten anders als die christlichen Kirchen keine Steuern – daher sind die Gehälter, die sie ihren Imamen zahlen, deutlich geringer. „Für einen in Deutschland ausgebildeten islamischen Theologen ist das nicht attraktiv“, sagt Ceylan.
Von daher sei es zwar ein großer Erfolg, dass man inzwischen an mehreren deutschen Universitäten islamische Theologen ausbildet und dies nicht länger der Türkei, Saudi-Arabien, Ägypten oder Syrien überlässt, doch nun gelte es, Arbeitsplätze für die Absolventen zu finden.
Großer Bedarf in der Seelsorge
Laut Ceylan gibt es großen Bedarf, etwa in der Seelsorge. Aber Justizvollzugsanstalten und Wohlfahrtsverbände müssten tatsächlich auch muslimische TheologInnen anstellen. Ideen, wie die, dass muslimische ReligionspädagogInnen, die in Schulen angestellt sind, halbtags in Moscheen tätig sein können, müssten noch ausgebaut werden.
Derzeit, so schildert es Ceylan, sei die Situation in den Gemeinden wie auch die Ausbildung der dort tätigen Imame sehr unterschiedlich. Der Verband islamischer Kulturzentren bildet seine Imame selbst aus. Diese erhalten eine Einweisung in Rituale, Gebete und Gemeindeführung, aber keine akademische theologische Ausbildung.
Die Ditib-Gemeinden verfügen über mehr finanzielle Mittel und stellen neben den Imamen aus der Türkei zusätzlich auch in Deutschland ausgebildete Theologen ein. Andere Gemeinden – die überwiegende Mehrheit der MuslimInnen ist nicht in Verbänden organisiert – beschäftigen etwa verrentete Imame aus der Türkei.
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