piwik no script img

Imagepflege durch KulturförderungVonovia kauft sich ins Museum ein

Der umstrittene Wohnungskonzern Vonovia lobt seit 2017 einen Fotopreis aus. Nun zeigt mit dem Sprengel-Museum erstmals ein großes Haus die Arbeiten.

Zu Hause im eigenen Körper – oder eher unheimelig? Arbeit aus der prämierten Reihe „Supernature“ Foto: Karina-Sirkku Kurz / Vonovia

„Deutsche Wohnen“ und „Vonovia“: Beide sind Wohnungskonzerne, beide sind im Deutschen Aktienindex DAX, sie zählen also zu den 30 wichtigsten und liquidesten Kapitalgesellschaften hierzulande. Beide entstanden nach 1990, als unter neoliberalen Vorzeichen kommunale und gemeinnützige Wohnungsgesellschaften ihre Bestände veräußerten.

Vonovia verfügt nach eigenen Angaben allein in Deutschland über 500.000 Wohnungen an 400 Standorten, Deutsche Wohnen über 140.600 Wohnungen. Während in Berlin ein Volksentscheid unter dem griffigen Slogan „Deutsche Wohnen enteignen“ dem lokalen „Mietenwahnsinn“ ein Ende bereiten möchte, steht Vonovia weniger im Fokus des politischen Aktivismus.

Liegt es vielleicht mit daran, dass der Konzern nicht nur Sponsor in der Fußballbundesliga ist, sondern sehr geschickt auch auf dem Klavier der Kunstförderung zu spielen vermag – und somit Fronten aus dieser Richtung im Zaume zu halten versteht? Zu diesem Geschäftsfeld zählt der seit 2017 jährlich ausgelobte „Award für Fotografie“. Dieser richtet sich an professionelle Fotograf:innen, die neben einem einschlägigen Abschluss den Nachweis erbringen müssen, mindestens die Hälfte ihres Lebensunterhalts durch die Fotografie bestreiten zu können.

Aber auch Nachwuchs-Fotograf:innen, nicht älter als 26, in Berufsausbildung, im Studium oder in ihren ersten beiden Berufsjahren steht der Preis in einer eigenen Kategorie offen. Vergeben werden drei Preise für die beste Foto­serie und eine Auszeichnung für den Nachwuchs.

Die Ausstellung

„Vonovia Award. Zuhause No. 5“: Hannover, Sprengel-Museum, bis 30. 10., ab 29. 9. auch mit den Arbeiten der Preisträgerinnen des Jahres 2022. Preisverleihung: 29. 9., 18.30 Uhr

Über die Zahl der Einreichungen schweigt der Auslober, die Statuten sehen jedoch vor, dass 25 Fi­na­lis­t:in­nen für die Serie und acht für die Nachwuchsarbeit nominiert werden, was offensichtlich nie Probleme bereitet. Das Thema ist, dem Auslober geschuldet, seit Anbeginn „Zuhause“ – aber genauso offensichtlich: mit weiten Möglichkeiten der Auslegung.

Neu ist, dass mit dem Sprengel-Museum in Hannover erstmals ein renommiertes Haus die ausgezeichneten Werke zeigt. Derzeit sind es die Preisträgerarbeiten sowie Auszüge der finalen Wahl der fünften Auslobung 2021, ab Ende September kommen dann die Preis­trä­ge­r:in­nen der sechsten von 2022 hinzu.

Neu war 2021 auch, dass erstmals alle vier Auszeichnungen an Fotografinnen gingen. Mit der in Berlin lebenden Julia Autz hat eine im Norden nicht Unbekannte den Preis für die beste Serie erhalten. Auszüge ihrer ab 2017 verfassten Arbeit „While I was waiting“ waren bereits Anfang des Jahres im Braunschweiger Museum für Photographie zu sehen, im Rahmen einer Ausstellung jüngerer Fo­to­gra­f:in­nen zu Protestkulturen und digitalen Welten.

Ihre laut Jury „eminent politische Arbeit“ dokumentiert divergente Jugendkulturen in Belarus, ihr Verharren zwischen Aufbegehren und repressiven Unterdrückungsmechanismen der staatlichen Obrigkeit. Autz findet dafür eine verhaltene Bildsprache, die ihren Prot­ago­nis­t:in­nen einen weiten ästhetischen Raum für ihre Gefühlswelten eröffnet, „ein hoffnungsvolles Warten auf Veränderung“, so die Fotografin.

Die Zweitprämierte, Karina-Sirkku Kurz, geht in ihrer Serie „Supernature“ der Frage nach, wie weit wir unseren Körper als Zuhause akzeptieren oder ihn doch lieber durch plastisch-chirurgische Eingriffe zur optimalen Behausung umformen. Dazu hat sie leicht surreale Stillleben verfasst.

Die Drittplazierte, Jana Sophie Nolle, inszenierte in den Wohnzimmern wohlbehauster Menschen in San Francisco wie Berlin temporäre Obdachlosenunterkünfte aus Materialien von der Straße. Nachwuchstalent Sarah Grete begleitete ihre Mutter an deren Orte der Kindheit, rund um einen Bauernhof in Süddeutschland.

Das kommt alles dann doch recht getragen daher. Aber man muss sich nur unter den Fi­na­lis­t:in­nen umschauen, um auch Humorvolleres und Ironisches zu entdecken. Maria Mavropoulou etwa sieht leuchte Bildschirme in dunklen Räumen stellvertretend für unsere entseelte Kommunikationskultur. Matthias Jung porträtiert für „Inges Fragmente“ eine offensichtlich manische Sammlerin, umgeben von Tausenden ihrer Küchen­utensilien. Und Wolfgang Fröhling dokumentiert das zeitlose und wie stets ergiebige Thema, was passiert, wenn Besitzer von Doppelhaushälften der gestalterische Selbstverwirklichungstrieb befällt: „Meine Hälfte“, klar doch!

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!