piwik no script img

Im Vorfeld der PräsidentschaftswahlenKameruns Opposition ausgetrickst

Der 92-jährige Langzeitpräsident Paul Biya tritt bei den Wahlen im Oktober wieder an, der beliebteste Oppositionspolitiker darf nicht kandidieren.

Der nicht zur Wahl nicht zu­gelassene aussichtsreichste Oppositionspolitiker Maurice Kamto im Jahr 2018 Foto: Zohra Bensemra/Reuters

Yaoundé/Douala taz | Fabrice Lena zückt einen Kugelschreiber und fängt an, Prozentzahlen und Namen in verschiedenen Konstellationen auf ein Blatt Papier zu schreiben. „Die Mathematik des Gewinnens“, nennt er seine Auflistung und schreibt dick eine große Sieben auf das Blatt. Mehrfach umkreist der Politiker der Popular Action Party die Zahl und sagt: „Wir brauchen mindestens sieben Parteien aus dem Opposi­tionslager, um bei der Wahl eine echte Chance zu haben.“

Am 12. Oktober wird in Kamerun ein Präsident gewählt. Ob dieser tatsächlich neu sein wird, ist fraglich. Denn es spricht wenig dafür, dass Präsident Paul Biya nach 43 Jahren an der Macht vorhat, diese abzugeben. Elf weitere Kandidaten wollen es aber dennoch mit dem 92-jährigen Langzeitregenten aufnehmen.

Ein 13. Kandidat, Maurice Kamto von der Partei Manidem, war am 5. August endgültig von den Wahlen ausgeschlossen worden. Die Sperrung des bekanntesten und vielversprechendsten Oppositionskandidaten bedeutet für Fabrice Lena und dessen Mitstreiter eine umso höhere Hürde, um Einigkeit in das Oppositionslager zu bringen. Die Popular Action Party, der der 31-Jährige angehört, hat es nicht geschafft, sich für die Präsidentschaftswahlen zu qualifizieren. Ihr fehlten die notwendigen Sitze im Parlament oder in Kommunalvertretungen.

„Ansonsten würde ich der nächste Präsident Kameruns werden“, sagt Lena überzeugt. Seine Energie nutzt der Nachwuchspolitiker nun, um bei der Koalitionsbildung zu unterstützen. Doch der Mann, auf den sich die meisten einigen konnten, ist vom Rennen ausgeschlossen. Ein alternativer einender Kandidat als Ersatz für Maurice Kamto konnte immer noch nicht präsentiert werden, um es mit der Übermacht der Regierungspartei aufnehmen zu können.

Die Opposition hat eigenen Probleme

Die Opposition tut sich schwer mit sich selbst. Statt politischer Nähe spielen interne Rivalitäten, persönliche Eitelkeiten, Fragen nach Geld und dem größten Netzwerk entscheidende Rollen bei dem Versuch, eine Front gegen Biya aufzubauen.

Dass dafür nicht mehr viel Zeit bleibt, spielt Biya in die Hände. Denn während dessen Partei in aller Ruhe das Land auf eine achte Amtszeit des alternden Präsidenten vorbereitet, ist die Opposition mit internen Verhandlungen beschäftigt.

Der Ausschluss von Maurice Kamto und seiner Manidem Partei sorgt bis heute für Diskussionen. Laut der Wahlbehörde Elecam hatte die Partei gegen das Verbot von Mehrfachbewerbungen verstoßen. Doch hier beginnen die Ungereimtheiten.

„Der angebliche zweite Kandidat, der plötzlich unter Manidems Namen registriert war, ist von niemandem aus der Parteiführung abgesegnet worden und seit 2018 auch kein Mitglied von Manidem mehr“, erklärt Charles Ngah Nforgang, Mitglied der Parteiführung.

Ausgehebelter Kandidatur

In einer Nacht-und-Nebel-Aktion war plötzlich ein zweiter Kandidat aus dem Hut gezaubert worden. Ein Politiker in Rente, der laut Nforgang vor Jahren aus Manidem ausgeschlossen worden war, wegen „parteifeindlichen Verhaltens“, erklärt der 49-Jährige. Ob seine Kandidatur für Manidem überhaupt rechtens ist und wie die eigentlich notwendigen Unterschriften der Parteispitze auf dessen Dossier kamen, sind ungeklärt.

Laut Charles Ngah Nforgang habe er für sich selbst unterschrieben. Doch für Manidem ist das Rennen gelaufen. Seit der umstrittenen Entscheidung der Wahlbehörde sind auch noch Polizisten vor der Zentrale der Partei in Douala stationiert worden. Die Wirtschaftsmetropole im Westen des Landes gilt als Hochburg der Opposition.

Es herrscht längst der Glaube, dass die Mächtigen ohnehin machen, was sie wollen

Doch trotz Kamtos Sperrung und der Ankündigung des 92-jährigen Biya, erneut zu kandidieren, blieb es auch in Douala relativ ruhig. Keine nennenswerten Proteste, keine größeren Reaktionen. Beschwichtigend wirkte vielleicht auch der Aufruf von Manidem, friedlich zu bleiben. Gewalt solle vermieden werden, sagt Charles Ngah Nforgang – auch später am Wahltag.

Ein Journalist, der namentlich nicht genannt werden möchte, hat eine zusätzliche Erklärung: Generationen autokratischer Herrschaft hätten den Glauben an demokratische Mitwirkung schwinden lassen. Statt Empörung dominiert Desillusionierung. Politik gilt als Feld, in dem ohnehin gemacht wird, was die Mächtigen wollen. Ein weiterer Beweis, dass der Ausgang längst vorbestimmt scheint.

Geringe Wahlbeteiligung

Kamerun zählt rund 30 Millio­nen Einwohner, davon ist etwa die Hälfte im Wahlalter. Doch von den rund 15 Millionen Stimmberechtigten sind nur 8 Millionen registriert und im Besitz einer Wahlkarte. Wie viele davon am Wahltag tatsächlich den Weg zur Urne finden, ist offen.

Philippe Nanga von der Organisation Un Monde Avenir versucht dennoch, vor allem junge Menschen für die Wahl zu mobilisieren. Denn schon 2018 lag die Beteiligung so niedrig, dass die Wahlergebnisse effektiv nur auf einem Bruchteil der Bevölkerung basierten. „Es ist ein Problem“, sagt Nanga – eines, das die Legitimität des gesamten Prozesses infrage stellt.

Denn allein der Einschreibeprozess für die Wahlen gestaltete sich schwierig. „Es gab einfach nicht genügend Möglichkeiten, eine Wahlkarte überhaupt zu beantragen“, kritisiert Nanga.

„Je mehr wählen, desto schwieriger ist Wahlbetrug“

Nach den bereits abgeschlossenen Wahlregistrierungen versucht die Organisation vor allem unter der Jugend ein Bewusstsein zu schaffen, dass eine Teilnahme trotzdem wichtig ist. „Je mehr Leute wählen, und je mehr Leute am Wahltag die Auszählung beobachten, desto schwieriger wird es, zu betrügen“, sagt er. Seitens der internationalen Gemeinschaft sei es dieses Jahr noch schwieriger gewesen als sonst, Gelder für Wahlbeobachtungen aufzutreiben.

Wie erfolgreich die Mobilisierungsversuche sein werden, hängt nun vermutlich auch davon ab, wie schnell die Opposition einen Kandidaten präsentieren kann, hinter dem sich alle vereinen. Mit Kamtos Ausschluss wirkt es momentan so, als ob der Opposition bereits die Dynamik genommen wurde, noch bevor sie richtig Fahrt aufnehmen konnte. Und damit auch die Chance, die registrierten Wählerinnen und Wähler tatsächlich an die Urnen zu bringen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare