: Im Schatten der globalen Rechten
Die Entwicklungen in Afrika und die Politik der extremen Rechten scheinen wenig miteinander zu tun zu haben. Und doch sind sie tief verflochten
Von Stefan Ouma
US-Präsident Donald Trump machte Schlagzeilen, als er die südafrikanische Regierung auf Truth Social beschuldigte, „Land zu konfiszieren und bestimmte Bevölkerungsgruppen sehr schlecht zu behandeln“. Hintergrund ist ein Anfang 2024 verabschiedetes neues Landenteignungsgesetz, das Trump als Vorlage diente, um politisches Kapital daraus zu schlagen. Es ist nicht das erste Mal, dass Trump ein Auge auf Südafrika wirft. Bereits 2018 twitterte er, er habe „Außenminister @SecPompeo gebeten, die Land- und Farmbeschlagnahmungen und Enteignungen in Südafrika sowie die massenhafte Tötung von Farmern genau zu untersuchen“. Elon Musk bediente auf X das gleiche Framing, indem er das rechtsextreme Narrativ eines angeblichen „weißen Völkermords“ mobilisierte. Dessen vermeintliche Hauptopfer? Afrikaners – burische Farmer.
Natürlich ging es Trump in beiden Fällen nicht wirklich um die Afrikaners. Vielmehr bewies er Geschick für das Aufspüren von Ängsten und nutzte sie für seine eigenen Zwecke. Die Strategie: Der Gedanke an Verlust von Privilegien und Eigentum, der durch eine Schwarze Mehrheitsherrschaft herbeigeführt würde, könnte einen Nerv bei seiner Basis weltweit treffen. Für die südafrikanische Organisation AfriForum, Sprachrohr für die Idee der „weißen Vorherrschaft“, dürfte damit ein Plan aufgegangen sein. Trumps Anerkennung ihrer Notlage ist das Ergebnis jahrelanger Arbeit, die die Afrikaners in Post-Apartheid-Südafrika als Opfer von anti-weißem Rassismus, Landenteignung und genozidaler Gewalt inszeniert hat. Doch diese rechtsextreme Ideologie betrifft längst nicht nur Südafrika und die USA. Rechtsextreme Gruppen auf der ganzen Welt, darunter auch die AfD, haben begonnen, sich dieses Framing zu eigen zu machen. Es lohnt sich ein genauerer Blick auf die Verflechtungen zwischen der Politik der extremen Rechten und den Geschehnissen in Afrika, auch wenn die beiden Phänomene politisch und geografisch wenig gemein zu haben scheinen. Afrika und Elemente des rechtsextremen Denkens schließen sich keinesfalls gegenseitig aus. Sowohl als politischer Raum als auch als Kategorie ist der Kontinent für die globale extreme Rechte alles andere als irrelevant.
Die Verstrickung zwischen Afrika und der extremen Rechten ist ideologischer Natur. Natürlich gilt zu beachten, dass das globale rechtsextreme Milieu kein homogener Block ist. Dennoch haben bestimmte Bestandteile des rechtsextremen Ideologieapparats eine transversale Kraft entwickelt. Beispiele gibt es viele: das Misstrauen der Rechtsextremen gegenüber der Globalisierung und dem liberalen Universalismus, ihre offen patriarchalisch-autoritäre Ausrichtung und ihre Unterstützung für andere Arten starrer sozialer Hierarchien/Ungleichheiten, ihre reaktionäre Haltung zu sexuellen Rechten und LGBTQ-Themen, ihre Ablehnung demokratischer Institutionen und unabhängiger Bürokratien sowie das ideologische Streben bestimmter rechtsextremer Gruppen nach einer Welt relativ homogener Nationalstaaten, die um eine dominante Kultur herum organisiert sind.
Bemerkenswerterweise finden diese Ideen nun selbst bei solchen gesellschaftlichen Gruppen Unterstützung, die historisch gesehen oft Opfer von weißer Vorherrschaft waren, so auch bei politischen Akteur*innen und Bevölkerungen in Afrika und an anderen Orten im Globalen Süden. Ähnlich verhält es sich mit militanten und revanchistischen Anti-LGBTQ-Haltungen, die Politiker*innen und Aktivist*innen in Brasilien, Uganda, Kenia und Ghana mit der rechtsextremen Politik in den USA verbinden. Die missionarischen Aktivitäten evangelikaler Kirchen sind zweifellos das Bindeglied zwischen diesen weit entfernten Regionen. Darüber hinaus könnte die libertäre Strömung, die die rechtsextreme Politik in den USA und anderswo mit überformte, auch unter Jugendlichen und Unternehmer*innen des Kontinents Anklang finden. Schließlich wurden sie in einer Welt sozialisiert, die „afrikanischen Kapitalismus“, Start-ups und Unternehmer als Schöpfer von Wohlstand normalisierte.
Der zweite Aspekt der Verstrickung zwischen Afrika und der extremen Rechten sind nostalgisch-utopische Wünsche. Bereits während Trumps erster Amtszeit wurde „Rhodesien“ zum neuen Walhalla einiger weißer Rassisten, für die die Kämpfe im MAGA-Amerika und im heutigen Simbabwe miteinander verbunden sind („Make Zimbabwe Rhodesia Again“). Als Vorstellung eines Apartheidsstaats, der auf der Herrschaft „vernünftiger“, heterosexueller, weißer Männer beruht, scheint „Rhodesien“ die Fantasie Rechtsextremer als eine anzustrebende Utopie der Vergangenheit beflügelt zu haben.
Man kann nur spekulieren, warum das Apartheid-Rhodesien das Apartheid-Südafrika in der nostalgischen utopischen Vorstellung bestimmter rechtsextremer Gruppen übertrumpft. Ein Grund könnte sein, dass sich Rhodesien aufgrund seiner 1965 durch Ian Smith verkündeten Abspaltung vom britischen Empire und seines „Buschkrieges“ mit feindlich gesinnten Nachbarstaaten und Gruppierungen in ein „Last Man Standing“-Narrativ einfügt. Gerade in rechtsextremen Kreisen mit Prepper-Ausrichtung findet dies Anklang: ein kleiner, autarker Staat, der für seine (rassistischen) Prinzipien heroisch bis zum bitteren Ende kämpft und sich dabei sogar gegen das „woke“ gewordene Mutterland wendet. (Großbritannien entließ in den 1960er Jahren viele Kolonien in die Unabhängigkeit – ein Akt, den Rechte aus heutiger Sicht als „weiße Schwäche“ deuten).
Stefan Oumaist seit März 2019 Inhaber des Lehrstuhls für Wirtschaftsgeographie am Geographischen Institut der Universität Bayreuth.
Ein weiterer Aspekt der Verstrickung zwischen Afrika und der extremen Rechten kann als Syndrom der falschen Freunde bezeichnet werden – eine Variante des Sprichworts: Der Feind meines Feindes ist mein Freund. Hier spielt Russland eine zentrale Rolle. Als es in den Sahel-Staaten Mali und Burkina Faso zu Militärputschen kam, die in der Bevölkerung von einer starken Stimmung gegen die ehemalige Kolonialmacht Frankreich getragen wurden, füllte Russland die Lücke als vermeintlich freundlicher und antikolonialer geopolitischer Akteur. Russland gilt auch als zentrale Kraft in den Brics-Staaten, die eine alternative Weltordnung anstreben, solidarisch mit den afrikanischen Forderungen nach Vollendung des Entkolonialisierungsprozesses. Manche mögen diese Allianzen voreilig als Abkehr von der euro-atlantischen Kolonialität feiern. Das ist ein ernst zu nehmender Wunsch, der jedoch schnell in eine neue Sackgasse führen könnte. Schließlich hat Russland in den vergangenen Jahren maßgeblich zur Destabilisierung politischer Systeme in westlichen Länder durch die Cyber-Kriegsführung von Fake News verbreitenden Trollarmeen beigetragen. Das hat den Aufstieg und die Konsolidierung der extremen Rechten in vielen Bereichen maßgeblich gefördert, insbesondere in den USA. Präsident Wladimir Putins Politik des starken Mannes gilt vielen Rechten dabei als Vorbild.
Sofern Putins Ideologie dem ethno-nationalistischen Denken des Politikers und Philosophen Aleksandr Dugin folgt, ist Russlands Einmarsch in die Ukraine als Umsetzung von Dugins Ideen zu verstehen. Dugin plädiert seit vielen Jahren dafür, die Kräfte des Westens zurückzudrängen und eine für den Globalismus der NATO und den westlichen Liberalismus undurchdringliche größere eurasische Zivilisation aufzubauen. Wie bereits angedeutet, erstreckt sich dieses Ziel nun auch auf den afrikanischen Kontinent, wo die frankophilen Regime in Westafrika durch von Russland unterstützte Militärputsche gestürzt wurden, und die Söldnergruppe Wagner auf dem gesamten Kontinent Kriege für eine Reihe afrikanischer Regime führt.
Doch wie viel „Freund“ steckt in Russland? Erstens legt seine Unterstützung für offen rassistische und weiß-vorherrschende Kräfte in Europa und Nordamerika nahe, dass Afrika ihm nicht allzu sehr vertrauen sollte. Zweitens lassen Russlands imperiale Ambitionen weitere Zweifel an der Wohltätigkeit von Putins Handeln aufkommen. Und tatsächlich haben dessen Auswirkungen den Afrikaner*innen bereits großen Schaden zugefügt – sei es als Opfer einer durch den Ukrainekrieg verursachten Lebensmittelpreiskrise oder als Opfer der Gräueltaten der Wagner-Gruppe, die Kriege in so unterschiedlichen Ländern wie Mali, Sudan, der Zentralafrikanischen Republik und Mosambik geführt hat. Die Gruppe ist dafür bekannt, dass sie rechtsextreme Verbindungen hat. Ihre Gräueltaten haben also unmittelbare Verbindungen zu den zutiefst rassistisch geprägten Formen von extremer Gewalt, die Afrikaner*innen angetan wurde und wird.
Der letzte Aspekt der Verflechtung zwischen Afrika und der extremen Rechten ist der Wunsch nach Ressourcen. Zwar verfolgt auch Russland über die Wagner-Gruppe diese Begehrlichkeiten, doch verdient das Gerangel um seltene Erden als Teil des geopolitischen KI-Wettlaufs zwischen den USA und China besondere Aufmerksamkeit. Um sich den Zugang zu Infrastrukturen und seltenen Ressourcen zu sichern, die für den wirtschaftlichen und geopolitischen Wettlauf mit China von entscheidender Bedeutung sind, ist Trump vermutlich bereit, den territorialen Einflussbereich der USA auch mit Gewalt zu vergrößern. Afrika verfügt über 30 Prozent der Mineralien, die für die künftige Elektronik- und KI-Entwicklung von entscheidender Bedeutung sind, und die Unternehmen des Silicon Valley haben sich auf direktere Weise in den Wettlauf eingeschaltet.
Sicherlich ist die globale extreme Rechte kein homogener Block, aber man muss sehen, dass Anti-Schwarzsein und zutiefst patriarchalische Ansichten über Macht, Geschlecht und Politik ihre unterschiedlichen Sphären wie ein Bindegewebe umspannen. In einer Zeit, in der die globale extreme Rechte übermäßig erfolgreich darin zu sein scheint, Welten zu zerstören und ihre eigenen Welten aufzubauen, müssen progressive Kräfte auf dem Kontinent eine politische Praxis und Visionen entwickeln, die dem Projekt der globalen extremen Rechten diametral entgegenstehen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen