Im Haifischbecken: Eigentum statt Hausgemeinschaft
Ein Immobilienunternehmen will ein Mehrfamilienhaus im Stralauer Kiez in Eigentumswohnugen umwandeln. Die Mieter fürchten, verdrängt zu werden.
Die Hilferufe mehren sich: Ein Café hier, ein Buchladen da, ein Kindergarten oder gleich ein ganzes Mietshaus – überall in der Stadt fürchten MieterInnen und Gewerbetreibende um ihre Existenz. Sie werden hinausgentrifiziert, gekündigt, zwangsgeräumt. Und immer mehr von ihnen wehren sich. Wir erzählen an dieser Stelle ihre Geschichten. Auch betroffen? Dann schreiben Sie gerne an haifischbecken@taz.de.
Die kleinen Fische Die BewohnerInnen eines Mehrfamilienhauses in der Bossestraße 8 im Stralauer Kiez fürchten sich davor, verdrängt zu werden. Ein neuer Eigentümer hat ihr Wohnhaus im Dezember 2018 gekauft und möchte es nun in mindestens 62 Eigentumswohnungen umwandeln. Von diesen Plänen erfuhren die MieterInnen bei Besichtigungsterminen im Juni. Einer von ihnen erzählt, eigentlich seien die vorgeschlagenen Termine von den meisten BewohnerInnen abgelehnt worden – ein paar der Älteren aber seien schlicht überfordert gewesen.
Sie stimmten den Terminvorschlägen zu. Ein Mitarbeiter der neuen Besitzer schaute sich ihre Wohnungen dann an. Käufer hätten die Wohnungen bislang noch nicht besichtigt. Und es fehle noch die Genehmigung vom Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg für einen von den neuen Besitzern gestellten Teilungsantrag. Der ist Voraussetzung dafür, dass Eigentumswohnungen entstehen dürfen. Die aktuellen MieterInnen besitzen ein Vorkaufsrecht für die Wohnungen: Etwa 4.500 Euro pro Quadratmeter verlange der neue Eigentümer, die meisten Wohnungen seien etwa 50 bis 60 Quadratmeter groß.
Knappe 250.000 Euro also pro Wohnung, viel zu teuer, wie der Bewohner sagt. „Und die angebotene Abfindung, wenn wir ausziehen, ist mit 13.000 Euro viel zu niedrig.“ Die Mietverträge aller BewohnerInnen müssen rechtlich noch mindestens 10 Jahre weiterlaufen – danach könnten die kleinen Fische aber auf dem Trockenen sitzen.
Der große Fisch Der Käufer des Gebäudes ist die PEG Real Estate GmbH & Co. KG. Sie erwarb die Immobilie vom Berliner Unternehmer Gunnar Kuphal. Nun will sie das Haus möglichst schnell weiterverkaufen – und zwar kleinteilig. Die unter großen Fischen beliebte Formel: Wer 62 Eigentumswohnungen verkauft, verdient damit viel Geld. Die PEG Real Estate hat ihren Sitz in Schönefeld. Auf taz-Anfrage wollten sich die neuen Eigentümer „aus Datenschutzgründen“ nicht zum Fall äußern.
Erster aktiver Schritt der neuen Besitzer soll der Ausbau des Dachbodens sein. Derzeit existieren 58 Wohneinheiten, auf dem Dachboden sollen vier neue entstehen. Weil das Haus allerdings am 9. Juli unter Milieuschutz gestellt wurde, dürfen unterm Dach keine Luxusappartements gebaut werden. Das Gebäude ist bereits eingerüstet, passiert ist bislang aber nichts – aufgrund des fehlenden Teilungsantrags.
Wer frisst hier wen? Sowohl die kleinen als auch der große Fisch warten auf die Entscheidung des Bezirksamts, was die mögliche Teilung des Gebäudes in einzelne Eigentumseinheiten angeht. Dass der Antrag abgelehnt wird, ist unwahrscheinlich. Die BewohnerInnen bereiten sich deshalb auf zukünftige Protestaktionen vor, auch im Hinblick auf kommende Besichtigungen.
„Am Haus selbst dürfen wir nichts machen, wir sind ja keine Eigentümer“, erklärt der Mieter. Man wolle aber gemeinsam ein Protest-Parklet vor dem Gebäude beantragen. „Damit wollen wir Aufmerksamkeit erregen, gerade auch bei den anstehenden Besichtigungen. Dann sehen die möglichen Käufer direkt, dass wir als Mieter nicht die Einfachsten sind.“
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