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Illegale Pkw-Maut in DeutschlandEine Bilanz des Scheiterns

Obwohl die Pkw-Maut von Anfang an umstritten war, hat die CSU sie gegen alle Warnungen durchgedrückt. Auf den Kosten bleiben die Steuerzahler sitzen.

Augen-zu-und-durch-Politik: Hat in CSU-geführten Verkehrsministerien Tradition Foto: dpa

An Warnungen hatte es nicht gemangelt. Zuletzt hatte der Wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundestags vor gut zwei Jahren noch einmal dargestellt, warum er die in Deutschland geplante Pkw-Maut für europarechtswidrig hält: Sie stelle eine „mittelbare Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit“ dar, schrieben die Juristen des Parlaments – und kamen damit zum exakt gleichen Schluss wie nun der EuGH. Doch Andreas Scheuer, damals noch CSU-Generalsekretär, ließ sich davon nicht beirren. Im Gegenteil: Er warf den Experten Unfähigkeit vor: „Bei so viel fachlicher Ignoranz muss man die Frage nach dem Sinn des Wissenschaftlichen Dienstes stellen“, schrieb Scheuer seinerzeit auf Twitter.

Auch als Verkehrsminister wies Scheuer später jede Kritik an dem Lieblingsprojekt seiner Partei zurück. „Die Maut ist europarechtskonform“, versicherte er noch im Februar ohne jede Spur eines Zweifels. Damit setzte er die Augen-zu-und-durch-Politik seines Amtsvorgängers Alexander Dobrindt nahtlos fort. Der hatte 2014 angekündigt: „Am 1. Januar 2016 wird die Pkw-Maut scharf gestellt.“ Ein Miss­erfolg galt in der Partei schlicht als undenkbar. „Ein Alexander Dobrindt scheitert nicht“, hatte der damalige CSU-Chef Horst Seehofer 2013 erklärt, als er Dobrindt mit dem Auftrag, die von der CSU im Wahlkampf versprochene „Ausländer-Maut“ durchzusetzen, ins Kabinett schickte.

Jetzt, nach dem EuGH-Urteil, erkennt auch Scheuer an, die Maut sei „in dieser Form leider vom Tisch“. Nach dem Betreuungsgeld, das 2015 für verfassungswidrig erklärt wurde, ist damit ein weiteres zentrales Projekt der CSU vor Gericht gescheitert – und mit ihm die sogenannte Verkehrspolitik, für die die Partei in den letzten Jahren stand. Die setzte, bevor Scheuer zuletzt auch ein wenig Interesse für Bahn- und RadfahrerInnen entwickelte, vor allem auf Autofahrer-Populismus: Das CSU-geführte Verkehrsministerium bekämpfte Fahrverbote für dreckige Diesel ebenso intensiv wie ernsthafte Klimaschutzbemühungen im Verkehr auf EU-Ebene.

Auch die Maut wurde offiziell damit begründet, Geld einzunehmen, um noch mehr Straßen bauen zu können. Berechnungen, dass die Erhebung der Maut am Ende mehr kosten würde, als sie einbringt, dämpften die Begeisterung trotzdem nicht – denn in Wahrheit ging es vor allem darum, Stimmung gegen AusländerInnen zu machen, die die deutschen Autobahnen im Pkw bisher kostenlos benutzen.

Im Ergebnis tritt nun das Gegenteil ein: Ausländische Autos fahren weiterhin kostenlos, der deutsche Steuerzahler wird hingegen zusätzlich zur Kasse gebeten werden. Denn zum einen werden sich allein die Kosten zur Vorbereitung der Maut bis Jahresende auf 128 Millionen Euro belaufen. Zum anderen hat Scheuer trotz des noch ausstehenden EuGH-Urteils bereits Verträge mit den geplanten Betreibern des Mautsystems unterschrieben, dem deutschen Ticket-Anbieter CTS Eventim und dem österreichischen Unternehmen Kapsch TrafficCom. Diese sollten die Maut 12 Jahre lang eintreiben und dafür rund 2 Milliarden Euro erhalten.

Gebühr pro Kilometer?

Wie viel von diesem Geld nun trotz des Scheiterns der Maut fließen wird, ist noch unklar. Grünen-Fraktionsvize Oliver Krischer geht davon aus, dass ein erheblicher Teil der Summe bezahlt werden müsse. „Die diversen Verträge mit Firmen zur technischen Umsetzung der Ausländer-Maut werden richtig teuer“, sagte er. „Da geht es um umfangreiche Anfangsinvestitionen und entgangene Gewinne.“ CTS Eventim und Kapsch erklärten, ihnen entstehe durch das Aus für die Maut kein Schaden. Das Verkehrsministerium äußerte sich auf Anfrage nicht zu den finanziellen Folgen der Entscheidung. „Der Minister hat eine Task Force eingesetzt, die heute erstmals tagt“, teilte eine Sprecherin lediglich mit. „Diese wird sich auch mit den Auswirkungen des Urteils befassen.“

Ein Totalschaden für die CSU und ihren Verkehrsminister Andreas Scheuer

Victor Perli, Die Linke

Die SPD, die die Maut nur widerwillig mitgetragen hatte, äußerte Genugtuung. Die Kriterien, die man zur Voraussetzung für die Einführung gemacht habe, seien nun nicht mehr erfüllt, sagte der kommissarische Co-Parteichef Thorsten Schäfer-Gümbel, das Projekt damit vom Tisch. Für die Linke sprach Victor Perli von einem „Totalschaden für die CSU und ihren Verkehrsminister Andreas Scheuer“.

Ob es einen neuen Anlauf für eine veränderte Maut geben wird, ließ Scheuer offen. Sofern es sich dabei statt der geplanten Pauschalbeträge um eine streckenbezogene Maut für alle handeln würde, dürfte sich der Verkehrsminister über neue Verbündete freuen: Das Umweltbundesamt und der BUND sprachen sich am Dienstag für ein ­solches Modell aus, bei dem für jeden gefahrenen Kilometer eine Gebühr ­fällig würde.

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17 Kommentare

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  • Nach dem Scheitern der Ausländermaut schiebt die CSU gewichtigere Gründe für eine Maut auf den Tisch: Infrastrukturabgabe.

    Zu Zeiten 'voller' Kassen bringt die CSU Geld unters Volk (Mütterrente, Baukindergeld) und unterschlägt notwendige Investitionen in die Infrastruktur. Dazu gehören nicht nur die Straßen, die Brücken und die Bahn, sondern auch auch der Breitbandausbau. (Frage nebenbei, warum will der Bund mit Erlösen aus der G5-Versteigerung selbst Funklöcher schließen, anstatt die Konzerne zu einer flächendeckenden Netzabdeckung zu verpflichten und auf einige Milliarden bei der Versteigerung zu verzichten?)

    Die CSU geht nicht ehrlich mit den Wählern um, sie ist pupulistisch. Die Fremden sollen die Löcher im Staatshaushalt füllen, die man selbst geschaffen hat. Dank EuGH titt die Strategie zu Tage.

    Warum hat die CSU nicht den Mut, die Benzinsteuer zu erhöhen und meinetwegen den Steuerzahler an anderer Stelle zu entlasten? Oder will sie ihrer Klientel die Kosten optimieren? Deppen sind Seehofer und Co. sicher nicht.

  • 9G
    97088 (Profil gelöscht)

    Dank der Berliner Politdeppenkultur mit süddeutschen Einschlägen darf ich nun als steuern zahlender Mensch meinen Anteil an den ca. 150 Milliarden Euro teueren Nonsence-Aktionen für eine PkW-Maut bezahlen. Vielen Dank an die Herren Dobrindt und Scheuer und ihren Ex-Vorsitzenden Seehofer für diese wundervolle bayrische Folkloreeinlage.



    Ich hätte da noch eine Idee: Eine mengenabhängige Luftholberechtigungsabgabe für Politiker, wenn sie vor Mikrofonen der Öffentlichkeit etwas mitteilen wollen.

    • Malte Kreutzfeldt , Autor des Artikels, ehemaliger Redakteur
      @97088 (Profil gelöscht):

      150 Milliarden sind zum Glück nicht in den Sand gesetzt worden. Es geht um Millionen...

  • Zunächst einmal vielen Dank für einige Hintergrundinformationen, die in den Merkel-willfährigen Medien leider fehlen. Die Rechtssprechung ist eindeutig und für Nichtjuristen leicht nachvollziehbar. Ghandi hat gesagt, nicht mit dem Kopf durch die Wand, sondern die Türe suchen. Das wollten CSU-Granden nicht. Die wahre Schuldige ist aber Merkel, die in dem Zusammenhang eindeutig wortbrüchig geworden ist. An vielen anderen Stellen auch. Was sie leider immer noch schafft, seit 18 Jahren schon: Anderer Verdienste sich gutzuschreiben oder durch willfährige Medien schreiben zu lassen. Bei eigenen Versäumnissen, wie hier z. B. anderen die Schuld in die Schuhe zu schieben bzw. schieben zu lassen. Wann nur wacht die Mehrheit auf? Heftig zahlen muss sie nicht nur hier, sondern auch beim VW-Skandal, bei der Deutschen Bank, der Deutschen Bahn, CumEx usw.. AKK ist ungeschickt genug, Merkels Versäumnisse sich selbst anzulasten und wenn das Anderen erkennbar gemacht wird, dann schlägt sie wild um sich.

  • Warum hätte man nicht die Maut einführen können und gleichzeitig die Kfz-Steuer abschaffen können?

    Das hätte doch den selben Effekt gehabt und wäre rechtlich durchsetzbar, oder?

    • @Klappstuhl:

      Weil man eine Ausländermaut wollte.

      • @warum_denkt_keiner_nach?:

        Gut möglich, ich glaube aber auch das Politiker nicht in der Lage sind einen Satz zu bilden in denen Steuer und abschaffen vorkommen =).

        • @Klappstuhl:

          In D gibt es so viel zu tun (kaputte Brücken und Schulen, Mobilfunk, fehlende Lehrer und Richter, Stromtrassen, ect. ect.) das der Saat eher mehr, statt weniger Geld braucht. Steuersenkungen sind in einer solchen Situation Unsinn. Wer Steuersenkungen fordert, handelt verantwortungslos.

          • @warum_denkt_keiner_nach?:

            Mann muss das Geld auch sinnvoll ausgeben. Aber gerade das ist das Problem. Die meisten derjenigen, die entscheiden dürfen, haben eher Spass an ihrem wichtigen Posten und weniger Kompetenz diesen auszufüllen. Siehe Schreuer: 128 Mio plus Verträge in Milliardenhöhe, die rechtlich bindend sind.

            Dazu kommt, dass immer mehr Entscheider das fachliche Wissen komplett abgeht. Es gibt sehr wohl Geld. Hier in NRW gibt es Gelder, aber oft fehlt es an Personen, die einen Bauantrag stellen können.

            Geld alleine reicht nicht aus. Sooo weit sind wir schon.

            • @LastHope:

              "Mann muss das Geld auch sinnvoll ausgeben. Aber gerade das ist das Problem."

              Natürlich. Aber wenn man es garnicht erst hat, kann man es nicht sinnvoll ausgeben...

  • Lasst uns einfach nur feiern :-)

    "Zum anderen hat Scheuer trotz des noch ausstehenden EuGH-Urteils bereits Verträge mit den geplanten Betreibern des Mautsystems unterschrieben..."

    Vielleicht könnte man die Strafen aus der CSU Kasse bezahlen? Oder man nimmt's vom FC Bayern...

    • @warum_denkt_keiner_nach?:

      Wenn CTS Eventim und Kapsch sagen, ihnen entstünde durch die Kündigung kein Schaden, dann kann man getrost davon ausgehen, dass der Schaden für den Bundeshaushalt im Milliardenbereich liegen dürfte. Die CSU wäre bereits mit einem Tausendstel davon pleite, und der FC Bayern mit einem Zehntel.



      Man kann nur hoffen, dass die Wähler dieser Lederhosen-Bierdimpfel daraus lernen. Aber was träume ich nachts... sind ja selber welche.

  • Endlich wurde dem Wahnsinn ein Ende gesetzt. So triumphierte heute morgen noch der Deutschlandfunk, dass die Moffenmaut kommen wird. Nur haben sich die Moffen leider zu früh gefreut. Das entsprechende Ministerie van Infrastructuur en Waterstaat, Rijkswaterstaat hatte bereits im Jahr 2017 uns mitgeteilt, dass es in jedem Fall eine Klage vor dem EuGH einreichen wird, falls die rechtliche Prüfung positiv ausfällt. So kam es dann, dass sich die Niederlande der österreichischen Klage anschlossen. Wäre es jetzt zu einer Ablehnung der ostmärkischen Klage gekommen, so würden die Niederlande umgehend eine Maut für ausländische Fahrzeuge einführen.

    Die CSU-Maut hätte nämlich Tausende Arbeitnehmer allein in den Niederlanden betroffen. Dazu kämen belgische Bürger der Ostkantone, wo sich dort die Christdemokraten gegen die Moffenmaut auflehnten.

    Deutsche Bürger, die im Nachbarland wohnen und in der BRD arbeiten, wären doppelt diskriminiert worden. Sie unterliegen in der Regel der unbeschränkten Steuerpflicht der BRD, zahlen also im Arbeitsland Steuern, SV-Beiträge und Krankenversicherung, werden aber nicht bei der Kfz-Steuer entlastet. Im Gegenteil müssen sie sogar die fast dreifach höhere Kfz-Steuer in den Niederlanden bezahlen. Die Jahresgebühr für eine Mautplakette beträgt 130 Euro pro Jahr. Das ist exakt die Höhe, die als Kfz-Steuer für einen Dacia-Sandero in der BRD jährlich fällig werden. Das verstößt massiv gegen das Grundgesetz.

    Deutsche Einzelhandelsunternehmen können nun im Grenzgebiet ihre Filialen weiter betreiben, weil die niederländische Kundschaft erhalten bleibt, sonst würden die Läden dicht machen. Für Tankstellen gilt dasgleiche.

    Aber die schönste Folge des Richterspruches ist es, dass die flächendeckende Überwachung der Auto- und Mitfahrer entfallen muss, weil ein Scanning der PKW sich nicht mehr begründen lässt. Das ist die schlimmste Nachricht für den Überwachungs- und Staatssicherheitsminister Seehofer.

    • @achterhoeker:

      Ostmark? Moffen?

      Aus welchem weltanschaulichen Hintergrund argumentieren Sie denn hier?

      Vergessen Sie nicht, dass es nicht ein Projekt „der Deutschen“ war, sondern einer kleinen, vor-aufklärerischen Gruppe aus dem Süden, die die Bundesregierung erpresste.

    • @achterhoeker:

      !!!!!!! Aber die schönste Folge des Richterspruches ist es, dass die flächendeckende Überwachung der Auto- und Mitfahrer entfallen muss, ... Das ist die schlimmste Nachricht für den Überwachungs- und Staatssicherheitsminister Seehofer. !!!!!!!

    • @achterhoeker:

      !!!!!!! Aber die schönste Folge des Richterspruches ist es, dass die flächendeckende Überwachung der Auto- und Mitfahrer entfallen muss, ... Das ist die schlimmste Nachricht für den Überwachungs- und Staatssicherheitsminister Seehofer. !!!!!!!

      • @nelly_m:

        Wie oft denn noch??