Illegale Abschüsse in Niedersachsen: 40.000 Euro für den Wolfskiller
In Gifhorn und Sehnde wurden Wölfe nicht bloß erschossen, sondern auch zerstückelt. Tierschützer haben ein Kopfgeld ausgesetzt.
Der aktuellste Fund stammt aus Sehnde bei Hannover, die Polizei machte ihn am vergangenen Donnerstag öffentlich. Schon am Wochenende des 9. und 10. Juli hatte sie nach Hinweisen von Spaziergängern zwei blaue Müllsäcke aus dem Mittellandkanal gefischt.
Im ersten befand sich der Körper eines Wolfes, wie ein hinzugezogener Wolfsberater bestätigte. Im zweiten, der einen Tag später aufgefunden wurde, befanden sich der Kopf und der Schwanz des Tieres – jedenfalls vermutet man das, die Überreste werden noch im Institut für Zoo- und Wildtierforschung des Leibniz-Instituts Berlin untersucht. Der Kadaver soll außerdem Schussverletzungen aufgewiesen haben.
Einen ähnlichen Fall hatte es erst im März im Landkreis Gifhorn gegeben. Am Karfreitag wurde vor dem Nabu-Artenschutzzentrum in Leiferde ein abgetrennter Wolfskopf entdeckt. Zwei Wochen zuvor war ein Wolfskadaver in der Nähe eines Pendlerparkplatzes entdeckt worden.
Anfangs glaubte man sogar, es könnte sich um ein Tier handeln. Die Analyse des Leibniz-Instituts ergab aber, dass es sich um zwei weibliche Tiere aus dem gleichen Rudel handelte, möglicherweise sogar Mutter und Tochter.
Wolfsschutz kann auf Großspender zählen
Bizarr ist in allen drei Fällen, wie viel Mühe sich da jemand gemacht hat: „Aus anderen Bundesländern kennen wir das so, dass Tiere halt einfach verschwinden. Die werden erschossen und verscharrt, manchmal auch mit Absicht überfahren. Aber hier hat jemand die Wölfe zerteilt – und wollte anscheinend auch, dass sie gefunden werden“, sagt Brigitte Sommer vom Verein Wolfsschutz Deutschland.
Ihr Verein hat eine Belohnung von 15.000 Euro ausgelobt – wobei der größte Teil von einem Großspender aufgebracht wurde, der in der Öffentlichkeit anonym bleiben möchte. Der Verein hat aus seinen eigenen Mitteln 3.000 Euro beigesteuert, weitere 2.000 kamen über kleinere Spenden dazu.
Wolfsschutz scheint ein Anliegen zu sein, das auf solche Sponsoren bauen kann – auch die zahlreichen Gerichtsverfahren, die immer wieder gegen einzelne Abschussgenehmigungen angestrengt werden, sind kostspielig.
Der „Freundeskreis freilebender Wölfe“ und die „Gesellschaft zum Schutz der Wölfe“ haben gemeinsam ebenfalls 15.000 Euro aufgebracht – dazu kamen noch einmal zwei 5.000-Euro-Spenden von einzelnen Mitgliedern.
Die 15.000 Euro hatte der Verein schon nach dem Fall in Gifhorn ausgelobt – jetzt wurde die Summe noch einmal aufgestockt und auf den aktuellen Fall bezogen. Wirklich gute Hinweise habe man deshalb bisher aber nicht erhalten, sagt der Vorsitzende Ralf Hentschel. Allerdings habe man auch dazu aufgerufen, sich direkt an die Polizei zu wenden, auf deren Ermittlungsarbeit man vertraue.
Verein denkt über privaten Ermittler nach
Das sieht Brigitte Sommer von Wolfsschutz Deutschland ein wenig anders. Sie moniert, dass es in Deutschland – anders als beispielsweise in Italien – keine speziellen Abteilungen für die Verfolgung von Wilderern und Verstößen gegen den Wildtierschutz gibt. Auch der Nabu Niedersachsen hat den Fall in Sehnde zum Anlass genommen, eine entsprechende Schwerpunktstaatsanwaltschaft zu fordern.
Sommers Verein hat sogar schon überlegt, einen privaten Ermittler zu beauftragen. Ihr will es nicht in den Kopf, dass Täter in solchen Fällen so schwer zu ermitteln sind. Immerhin, argumentiert sie, gäbe es doch nicht so viele Menschen, die Zugriff auf eine Waffe und entsprechende Ortskenntnisse haben.
„Selbst wenn man weiß, wo die Rudel ungefähr leben, heißt das ja nicht, dass man sie findet“, sagt sie. Sie selbst erlebe vielleicht eine Sichtung alle zehn Jahre – die Zeit, sich tage- oder vielmehr nächtelang auf die Lauer zu legen, müsse man ja auch erst einmal haben.
Das hohe Kopfgeld hat ihrer Wahrnehmung nach schon Unruhe in den Reihen der Jagdfreunde ausgelöst – das merke sie vor allem an der wachsenden Zahl an Anfeindungen, die sie über die sozialen Medien und per E-Mail erreichen. Sommer spekuliert sogar, es könne sich hier ja auch um einen Gewaltverbrecher handeln, für den bei Tieren noch lange nicht Schluss ist.
Ob die Fälle zusammenhängen ist nicht klar
Mit solchen Spekulationen will sich Hentschel lieber nicht aufhalten. Er ist sich nicht einmal sicher, ob zwischen den Taten überhaupt ein Zusammenhang besteht – immerhin liegen mehr als 40 Kilometer zwischen den Fundorten.
Für politisch viel wichtiger hält er ohnehin die Frage, wie sich ein effektiver Herdenschutz finanzieren ließe. „Die Halter brauchen Hilfe beim Unterhalt der Zäune, nicht nur bei der Anschaffung. Abschüsse allein bringen niemanden weiter“, mahnt er.
SPD kritisiert „Aufbau von Selbstjustiz-ähnlichen Anreizen“
Die SPD-Landtagsfraktion kritisierte am Donnerstag die ausgesetzte Belohnung. „Einen solchen Aufbau von Selbstjustiz-ähnlichen Anreizen lehnen wir ab“, sagte der parlamentarische Geschäftsführer der Fraktion, Wiard Siebels. Die betreffenden Vereine trügen damit ausdrücklich nicht zu einem vernünftigen Umgang mit dem Wolf bei, ganz im Gegenteil: „Sie laden die Debatte weiter emotional auf und polarisieren.“
Die brutale Tötung des geschützten Wolfs sei fraglos illegal, die Polizei müsse das aufklären, sagte Siebels. Klar sei aber auch: Die Wolfspopulation habe in Niedersachsen längst eine solche Größe erreicht, dass der Wolf keine bedrohte Art mehr sei. Er stelle in vielen Regionen eine erhebliche Gefahr für Weidetiere dar. Viele Bürger fürchteten sich vor den Tieren. In Niedersachsen leben nach Angaben der Landesjägerschaft 42 Wolfsrudel, vier Wolfspaare und zwei Einzelwölfe in freier Wildbahn. Die Zahl der Wölfe ist seit einiger Zeit stabil.
Die zuständigen Bundes- und EU-Ebenen müssten schnellstmöglich klare Regelungen schaffen, damit Wölfe rechtssicher und mit Augenmaß entnommen werden könnten, forderte Siebels. Die Aufklärung und Bewertung von illegalen Tötungen blieben aber in jeden Fall allein Aufgaben des Rechtsstaats.
Stärkeres regionales Bestandsmanagement gefordert
In den vergangenen Wochen hatten sowohl Grünen-Politiker wie der niedersächsische Umweltminister Christian Meyer als auch Bundesumweltministerin Steffi Lembcke erkennen lassen, dass sie sich ein stärkeres regionales Bestandsmanagement vorstellen könnten.
Auch Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) forderte die Bundesregierung auf, die entsprechende Vereinbarung im Koalitionsvertrag endlich umzusetzen. Damit wäre eine einfachere Bejagung, zum Beispiel in den Küstenregionen, möglich. Dazu müsste allerdings der gute Erhaltungszustand der Art auch von der EU anerkannt werden.
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