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Illegal überhöhte MietenWucherer können sich Zeit lassen

Hunderte Verdachtsfälle gegen Mietwucher haben Ham­bur­ge­r:in­nen in den vergangenen Monaten gemeldet. Geprüft hat die Stadt bislang: keinen.

Teures Pflaster: Hamburger Neubaugebiet Mitte Altona Foto: Christian Charisius/dpa

Hamburg taz | Die Erkenntnis, dass es auf dem Hamburger Mietwohnungsmarkt nicht immer mit rechten Dingen zugeht, nötigte Anfang des Jahres auch den Hamburger Senat zum Handeln. Als er im Februar einen Online-Meldedienst einrichtete, mit dem Mie­te­r:in­nen den Verdacht einer überhöhten Miete zur Prüfung melden können, freute sich die zuständige Stadtentwicklungssenatorin Karen Pein (SPD) außerordentlich: „Mit dem digitalen Mietenmelder bekommen wir ein Instrument in die Hand, mit dem wir besser und schneller gegen Mietpreisüberhöhung vorgehen können.“

Nun zeigt sich jedoch: Es gibt noch keinen einzigen gemeldeten Fall, in dem die zuständigen Bezirksämter auch nur Kontakt zum Vermieter aufgenommen haben.

Das ergibt sich aus der Antwort des Senats auf eine Anfrage der Hamburger Linksfraktion. „Der Senat muss endlich massiv gegen Mietwucher vorgehen“, fordert deshalb Fraktionschefin Heike Sudmann. Zu den Gründen für das schleppende Vorgehen bei Verdachtsfällen konnte die zuständige Stadtentwicklungsbehörde am Donnerstag auf Nachfrage keine Angaben machen.

Der Senat muss endlich massiv gegen Mietwucher vorgehen

Heike Sudmann Fraktionschefin der Hamburger Linken

Ein Sprecher des Bezirksamts Altona erklärt stellvertretend für die übrigen Bezirksämter, dass die Bearbeitung der Fälle „viel Zeit und Ressourcen in Anspruch“ nehme. Für diese zusätzliche Aufgabe hat der Senat den Bezirksämtern aber zum Start des Mietenmelders offenbar kein zusätzliches Personal bereitgestellt. Die „Einwerbung zusätzlicher Stellen für die Bearbeitung der Fälle“ werde derzeit erst vorbereitet.

Mietsteigerung um 25 Prozent

Seit Ende vergangenen Jahres haben sich insgesamt rund 700 Ham­bur­ge­r:in­nen mit dem Verdacht gemeldet, von ihrem Vermieter abgezockt zu werden: Rund 500 davon stammen von der „Mitwucher-App“, die die Linkspartei bundesweit eingerichtet hatte. Auf beiden Plattformen müssen Mie­te­r:in­nen die wesentlichen Eckdaten ihrer Miete eintragen, die dann mit den Angaben des Hamburger Mietenspiegels verglichen werden.

Eine Miete, die die ortsübliche Vergleichsmiete um mehr als 20 Prozent übersteigt, kann eine Ordnungswidrigkeit sein. Ist sie sogar um 50 Prozent höher, handelt es sich um den Straftatbestand des Mietwuchers. Stellen die Behörden eine überhöhte Miete fest, können Mie­te­r:in­nen mit einer Senkung rechnen.

Dabei hat jüngst auch die Stadtentwicklungsbehörde in einem selbst erstellten Gutachten festgestellt, dass die Hamburger Mieten innerhalb von fünf Jahren seit 2018 um satte 25 Prozent gestiegen sind. Besonders betroffen von den hohen Mietanstiegen seien „insbesondere Haushalte mit niedrigeren Einkommen“.

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4 Kommentare

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  • Was erwarten wir denn? Die Hamburger "Elite" ist durchsetzt von SPD Genossen, die dicke Freunde bei den Hausbesitzern haben und auch bei den Wohnungsbaugesellschaften - gegen diese Kumpels geht man doch nicht vor! Das stört doch nur. Mieter? Das ist was für Verlierer, da kann sich die LINKE drum kümmern.... Hoffentlich macht sie's !!!

  • Organisierte Kriminalität zeichnet sich dadurch aus, dass die Politik fester Teil davon ist.

    Aber wir sind ja nicht in Italien ...

  • Die politsch verantwortliche SPD versagt nicht nur bei Verdachtsfällen bei Mietwucher, sondern auch bei der Dämpfung des Mietspiegels durch stadteigene Wohungen der Saga. Denn Millionengewinne aus Sagamieten werden nicht etwa genutzt, um Saga-Mieten zu senken oder den Wohnungsbestand zu verbessern, sondern landen im Haushalt der Stadt und steigerten damit den Mietspiegel, der in den letzten 5 Jahren um 25 Prozent anstieg. Eine Wahnsinnsbilanz!

    Tausende Wohnungen werden möbliert vermietet, um sie dann zum zwei bis dreifachen Preis vermieten zu können. Dazu kommt der schamlose ausbeuterische Neubau von Micro-Appartments, die nach demselben Muster vermietet werden. In der Harburger City gibt es fast nur noch Angebote, die gezielt Mietenspiegel und Mietpreisbremse umgehen.



    Anstatt alle behördliche und politische Macht zu nutzen, um diese Missstände (auch absichtlich über Jahre leer stehende Häuser) abzustellen, wird mit zu wenig Personal in den zuständigen Behörden Dienst nach Vorschrift gemacht. Die SPD schaute dem über Jahre tatenlose zu! Die Grünen störte es nicht weiter.

  • Auch ehrliche Vermieter (ja, die gibt es!) sollten ein Interesse daran haben, dass Mietwucher unterbunden wird, denn diejenigen, die stark überhöhte Mieten verlangen, schaden allen, auch den Vermietern, die sich an die Regeln halten.